Stadt darf über Wohnbau Sozialwohnungen querfinanzieren
Der Streit zwischen drei privaten Investoren und der Stadt Ludwigsburg (94.000 Einwohner) zog sich über Jahre. Im Jahr 2015 hatte sich die Stadt ein Vorkaufsrecht für Bauflächen ab 3000 Quadratmeter gesichert. Außerdem stimmte der Gemeinderat damals zu, dass in allen Baugebieten 30 Prozent der Flächen der Wohnungsbau Ludwigsburg (WBL) zur Verfügung gestellt werden. Die 100-prozentige Stadt-Tochter teilt diesen Grund auf und baut auf zwei Dritteln subventionierte Eigentumswohnungen. Der Rest wird dem freien Markt angeboten. Da Wohnraum in der nördlich von Stuttgart gelegenen Barockstadt traditionell teuer ist, verdient das städtische Unternehmen am freien Verkauf dieser Immobilien gut.
Am Argument der Stadtverwaltung von 2015 hat sich bis heute nichts geändert: Nur dank dieser Mischkalkulation sei es möglich, den dringend benötigten günstigen Wohnraum zu schaffen, so der damalige Oberbürgermeister. Drei Immobilienunternehmen, es sind die lokalen Platzhirsche, reagierten empört und kündigten juristische Schritte an. Dass die Stadt die über das Vorverkaufsrecht erworbenen raren Grundstücke an das eigene Bauunternehmen weiterreicht, statt dem freien Markt zu überlassen, betrachten die privaten Bauträger als Wettbewerbsverzerrung und einen Verstoß gegen die Prinzipien der Daseinsvorsorge.
Kommunale Daseinsvorsoge versus privatwirtschaftliche Interessen
Im Jahr 2020 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in erster Instanz ihre Klage jedoch als unbegründet abgewiesen. In dieser hatten die Kläger vergeblich argumentiert, ein kommunales Wohnbauunternehmen dürfe mit dem Bau und Verkauf frei finanzierter Immobilien nicht in Konkurrenz zur Privatwirtschaft treten. Zur Daseinsvorsorge gehöre allenfalls der soziale Wohnungsbau. Die Anwälte machten Paragraf 102 in der Gemeindeordnung (GO) für Baden-Württemberg geltend, der die „Zulässigkeit wirtschaftlicher Unternehmen“ definiert. Die GO erlaubt kommunale Aktivitäten außerhalb der Daseinsvorsorge nur, wenn der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden könnte. Viele Gemeindeordnungen anderer Bundesländer enthalten ähnliche Bestimmungen. In Nordrhein-Westfalen gilt beispielsweise eine Negativliste, die den Paragrafen 107, Absatz 2 der Gemeindeordnung veranschaulicht.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat 2020 in seinem Grundsatzurteil in erster Instanz entschieden, dass solche kommunale Bautätigkeit nicht gegen die Gemeindeordnung verstoße und private Bauunternehmen nicht von der Stadt Ludwigsburg verlangen könnten, auf die WBL einzuwirken, den Bau und Verkauf von Eigentumswohnungen zu unterlassen (Az. 7 K 7009/17). Die privaten Bauträger gaben sich mit diesem Gerichtsspruch nicht zufrieden und klagten bei der nächsten Instanz. Doch der Verwaltungsgerichtshof Mannheim schloss sich der Vorinstanz an. Die Urteilsbegründung steht allerdings noch aus.
Kommunales Instrument gegen anhaltenden Wohnraummangel?
Baubürgermeisterin Andrea Schwarz (SPD) ist froh über die richterliche Entscheidung und hofft, dass der Dauerstreit mit den Bauträgern, die nach wie vor in der Stadt mit großen Projekten präsent sind, nun vom Tisch ist. Die Stadt habe nach diesem für sie positiven Urteil nicht vor, die Praxis der Querfinanzierung auszuweiten. Die WBL werde „nur in einem geringen Umfang“ freifinanzierte Immobilien auf den Markt bringen, um Gewinne daraus in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Die Baubürgermeisterin wünscht sich aber, dass der Gesetzgeber die Grenzen deutlicher zieht. Da die Bekämpfung des Wohnraummangels in den kommenden Jahren eine Daueraufgabe bleiben werde, benötige sie Steuermechanismen, um nicht allein auf die freien Kräfte und deren Prioritäten im Immobilienmarkt angewiesen zu sein. Die Stadt werde und müsse dennoch eng mit den privaten Bauherren und Bauträgern zusammenarbeiten, um mehr Wohnungen im Stadtgebiet zu bauen. „Das geht nur als Gemeinschaftsaufgabe. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg.“
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu