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Städte und Gemeinden fordern Vorrang für Investitionen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat seine Jahresbilanz 2023 vorgestellt. „Die Infrastruktur bröckelt“, meint Präsident Uwe Brandl. Statt neue Leistungen zu versprechen, müsse die Politik jetzt den Fokus auf Investitionen legen.
von Carl-Friedrich Höck · 3. Januar 2024
André Berghegger und Uwe Brandl stellen die Jahresbilanz 2023 und den Ausblick 2024 des Deutschen Städte- und Gemeindebundes vor.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) fordert ein Umdenken im Umgang mit staatlichen Finanzmitteln. „Wir müssen den Mindset der Politik verändern“, sagte Präsident Uwe Brandl am Mittwoch. Die Kommunen könnten die ihnen übertragenen Aufgaben mit dem Geld, das sie zur Verfügung haben, nicht mehr in Gänze meistern.

Anlass war die Vorstellung der Jahresbilanz 2023 des kommunalen Spitzenverbandes. Traditionell verbindet der DStGB diese mit einem Ausblick auf das neue Jahr.

Hoher Investitionsstau

Die Gesellschaft erlebe „eine Vielfalt an Krisensituationen“, kommentiert Brandl. Die Städte und Gemeinden sehen sich dafür finanziell schlecht gerüstet. Für das neue Jahr erwartet der DStGB ein Finanzierungsdefizit von zehn Milliarden Euro.

Der Grund: Die kommunalen Ausgaben wachsen schneller als die Einnahmen. Darunter leiden die Investitionen in die kommunale Infrastruktur. Laut dem Kommunalpanel der Förderbank KfW ist der von den Kämmereien wahrgenommene Sanierungsstau mittlerweile auf 166 Milliarden Euro angewachsen. „Die Infrastruktur bröckelt“, klagen Brandl und der neue Hauptgeschäftsführer des DStGB, André Berghegger.

Beide fordern deshalb „ein Moratorium bei neuen Leistungsversprechen“. Den notwendigen Investitionen in die Infrastruktur müsse jetzt Vorrang eingeräumt werden. Über alle staatlichen Ebenen hinweg müssten Ausgaben konsolidiert und Sparpotenziale ausgeschöpft werden.

Verband will bei Sozialausgaben sparen

Diese sieht Brandl vor allem bei den Sozialausgaben. Mehr als 70 Milliarden Euro geben die Städte und Gemeinden dafür mittlerweile aus, doppelt so viel wie 2005. Die Ausgaben für Sachinvestitionen liegen mit rund 40 Milliarden Euro deutlich niedriger. Dass die Schulwegbegleitung von Kindern mit Behinderung einkommensunabhängig vom Staat finanziert wird, hält Brandl beispielsweise für fragwürdig. Auch hinter einkommensunabhängige Zuschüsse zur Pflege setzt der DStGB-Präsident ein Fragezeichen.

Das will er nicht als parteipolitische Forderung verstanden wissen – auch wenn Brandl CSU-Mitglied ist und sein Hauptgeschäftsführer Berghegger bis Dezember 2023 noch für die CDU im Bundestag saß. „Wir sind in allererster Linie Kommunale, das spielt das Parteibuch keine Rolle“, sagt Brandl. Er adressiere er mit seinen Forderungen auch nicht nur die aktuelle Bundesregierung, sondern ebenso die Länder.

Bestellerprinzip soll ins Grundgesetz

Dazu gehört auch der Vorschlag, das Konnexitätsprinzip im Grundgesetz zu verankern. Es besagt sinngemäß: Wer eine Leistung bestellt, muss sie auch bezahlen. Schon jetzt steht im Artikel 104a: „Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben.” Die Kommunen gelten im Föderalstaat nicht als eigene Ebene, sondern sind Teil der Länder. Diese sollen eigentlich für eine ausreichende Finanzierung der Kommunen sorgen. Trotzdem konstatieren Brandl und Berghegger: „Zurzeit haben wir vielfach die Situation, dass der Bund Leistungen beschließt, die durch die Kommunen dann zu finanzieren sind. Das schnürt den Kommunen die Luft ab”.

Außerdem schlägt der DStGB vor, die Förderprogramme des Bundes zu entbürokratisieren. Derzeit existierten mehr als 100 kommunal-relevante Förderprogramme des Bundes, teilt der Verband mit. Ihre Anwendung sei zum Teil sehr komplex. Gleichzeitig fehle es zunehmend an Fachkräften in der Verwaltung. Der kommunale Spitzenverband plädiert dafür, die Programme besser aufeinander abzustimmen und leichter zugänglich zu machen. „Ideal wäre eine integrierte Förderung im Sinne eines Pauschalprogrammes“ sagen Brandl und Berghegger.

Die Bundesregierung habe bereits wichtige Akzente gesetzt, heißt es in einer DStGB-Mitteilung. Der Hintergrund: In der Bundeshaushaltsordnung wurde Ende 2023 festgelegt, dass Zuwendungen an Kommunen bis zu einer Höhe von sechs Millionen Euro grundsätzlich als Festbetragsförderung gewährt werden sollen. (§ 44 BHO) Damit greift ein vereinfachtes Verfahren für den Verwendungsnachweis – der bürokratische Aufwand für die Kommunen sinkt. Jedoch steht noch eine Rechtsverordnung aus, die nähere Details regeln soll. Hier gelte es flächendeckend und zeitnah mehr Vertrauen in die Kommunen zu wagen, heißt es beim Städte- und Gemeindebund.

Klimaschutz und Integration: DStGB will Finanzierung klären

Um die Finanzierung von Klimaschutz und Klimaanpassung dauerhaft und nachhaltig zu regeln, will der DStGB eine neue Gemeinschaftsaufgabe im Artikel 91a des Grundgesetzes verankern. Damit würde eine gemeinsame Finanzierungsverantwortung von Bund und Ländern festgeschrieben. Bisher gibt es Gemeinschaftsaufgaben zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.

Auch Migration und Integration soll nach dem Wunsch des DStGB eine Gemeinschaftsaufgabe werden, „sodass Klarheit besteht über die unterschiedlichen Ebenen, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist“, wie Berghegger sagt. Etwa 350.000 Asylsuchende sind im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen. Laut Berghegger fehlt es an Unterbringungsmöglichkeiten, Schulplätzen sowie Sprach- und Integrationskursen.

Im vergangenen Jahr hatten Bund, Länder und Kommunen monatelang darum gerungen, wer die Kosten für die Aufnahme und Integration der Geflüchteten trägt. Schließlich sagte die Bundesregierung eine Pro-Kopf-Pauschale von 7.500 Euro pro Asylsuchendem (Erstantrag) zu. „Dagegen fehlen jedoch finanzielle Zusagen im Bereich der Kosten der Unterkunft“, heißt es im Jahresbericht des DStGB. Das betreffe anerkannte Asylbewerber*innen, Asylsuchende und ukrainische Geflüchtete, die Bürgergeld oder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II oder XII erhalten, sowie Geduldete. Keine Vereinbarungen seien zudem zur Finanzierung der Integration minderjähriger Geflüchteter getroffen worden, beklagt der Verband.

 

Mehr Informationen:
Die Broschüre „Bilanz 2023 + Ausblick 2024” steht auf der DStGB-Website zum Download bereit.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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