Start in die kommunale Wärmewende
In Sachen Klimawende gibt es einen schlafenden Riesen: die Wärme. Sie macht mehr als 50 Prozent des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs aus. Hier ist das größte Potential für die Einsparung von Treibhausgasen. Hier ist bislang am wenigsten geschehen.
Wärmeplanung ist Pflicht
„Die Wärmewende ist eine der größten Baustellen der Zukunft“, sagt Daniel Kiewitz vom Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag (SHGT). Der SHGT ist Interessenvertreter der 1.106 Städte und Gemeinden in Schleswig-Holstein. Seit Ende vergangen Jahres steht die Wärmewende vermehrt im Fokus. Denn das Energie- und Klimaschutzgesetz Schleswig-Holstein (EWKG), das im Dezember 2021 verabschiedet wurde, sieht für größere Gemeinden eine verpflichtende Wärmeplanung vor. Gemeinden ab tausend Einwohner, die freiwillig eine Wärmeplanung in Angriff nehmen, sollen gefördert werden. Schleswig-Holstein ist damit Vorreiter für die kommunale Wärmewende.
Auf die Kommunen rollt somit eine gewaltige Aufgabe zu. Kiewitz: „Statt wie bisher von einigen großen Energieunternehmen versorgt zu werden, sollen die Kommunen prüfen, wie sie ihre Energie klimaneutral und dezentral erzeugen oder von wo sie klimaneutrale Energie am besten beziehen können.“ Möglicherweise geht es sogar um das, was er „Inselnetzfähigkeit“ nennt, nämlich um Energieautarkie.
Zur Aufstellung eines Wärme- und Kälteplans verpflichtet sind Ober- und Mittelzentren, Unterzentren mit Teilfunktion von Mittelzentren sowie Unterzentren und Stadtrandkerne 1. Ordnung. So will es das Gesetz. Die Planung ist „spätestens alle zehn Jahre nach der jeweiligen Erstellung unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklungen fortzuschreiben.“ Betroffen davon sind in einem ersten Schritt 51 Kommunen: 4 Oberzentren, 19 Mittelzentren sowie 10 Unterzentren mit Teilfunktion von Mittelzentren. Sie müssen schon bis 2024 eine Planung vorlegen. 9 Unterzentren und 9 Stadtrandkerne 1. Ordnung haben damit bis 2027 Zeit.
Finanzielle Förderung
Oberzentren erhalten für die Aufstellung ihrer Wärme und Kälteplanung einen Grundbetrag von drei Jahrespauschalen a 10.000 Euro, sowie einen Zuschlag von 20 Cent pro Einwohner, die übrigen verpflichteten Gemeinden einen Grundbetrag von 10.000 Euro plus 15 Euro Cent pro Einwohner. Für die Fortschreibung gibt es eine einmalige Pauschale von 30 000 Euro plus einen Aufschlag von 20 Cent pro Einwohner. Für Gemeinden und Zusammenschlüsse von Gemeinden ab 1000 Einwohner wird ein Förderprogramm aufgelegt, deren Richtlinie noch fehlt. Die verpflichtende Wärmeplanung gilt für den gesamten Gebäudebestand einer Kommune, den kommunalen und den privaten. Nach der aktuellen Fassung des EWKG soll 2045 die kommunale Wärmeversorgung überall im Land CO2-frei sein. Das ist das Ziel.
Mit eigenem Personal kann kaum eine Kommune die Wärmeplanung leisten. Deshalb steht an erster Stelle die Suche nach einem Ingenieurbüro, das die Planung übernehmen kann. Das ermittelt den aktuellen Wärmebedarf und erfasst die Verbräuche der einzelnen Sektoren: Gewerbe, kommunale Gebäude, private Haushalte. Hinzu kommen Fragen wie: Gibt es größere Betriebe, die sich in Zukunft ansiedeln wollen, die auf einmal einen großen Wärmebedarf haben oder können sie vielleicht sogar Wärme abgeben? Damit verbunden ist die Frage, welche Wärmequellen es in den Kommunen gibt: Biogas, Solarthermie, Abwärme von Industrieunternehmen, Windkraft, die in Wärme umgewandelt werden kann. Ist es möglich, in der Kommune Nahwärmenetze zu schaffen und wie lassen sich die einzelnen Immobilieneigentümer überzeugen, die eigene Heizung stillzulegen und sich an ein Nahwärmenetz anzuschließen?
Schwierigkeiten bei der Umsetzung
Die größte Baustelle der Zukunft trifft auf begrenzte Ressourcen, finanziell, personell und bei den Rohstoffen. Es gibt nicht genügend Handwerker, Lieferengpässe bei Geräten, Baumaterialien und Dämmstoffen. Ein kompetentes Ingenieurbüro zu finden, wird zunehmend schwierig sein, je mehr Kommunen sich auf diesen Weg machen.
Die größte Aufgabe seien dabei die Gebäude im Bestand, so Kiewitz. Neubaugebiete werden zumeist gar nicht mehr als Gasnetz angeschlossen, sondern mit Wärmepumpen versorgt. Altbauten hingegen können nur mit einer Kernsanierung – Fußbodenheizung, großflächige Heizkörper, Dreifachverglasung, Dämmung der Außenhülle – so ertüchtigt werden, dass sie mit einer Wärmepumpe beheizt werden können. Diese Kosten werden sich viele Eigentümer und Kommunen nicht leisten können.
Der SHGT plädiert deshalb im Schulterschluss mit dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) dafür, die Gasnetze für grünen Wasserstoff zu nutzen und die Heizungen entsprechend anzupassen. Kiewitz: „Wir haben in Schleswig-Holstein in den 90er Jahren das letzte Dorf ans Gasnetz angeschlossen. Das Netz hat einen immensen Wert. Wir müssen zu einer Lösung kommen, die technologieoffen ist.“