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Streit um Amtszeitung in Crailsheim

Darf das Crailsheimer Stadtblatt über das ganze Gemeindeleben berichten oder wird dadurch die Stellung der freien Presse bedroht? Darüber muss nun der BGH entscheiden.
von Christian Rath · 14. September 2018
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 Kommunen dürfen ihre Amtsblätter vermutlich nicht zu redaktionell gestalteteten Wochenzeitungen ausbauen. Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zeichnet sich nach der mündlichen Verhandlung am Donnerstag ab. Die Stadt Crailsheim (Baden-Württemberg) wird wohl den Rechtsstreit gegen die regionale Tageszeitung "Südwestpresse" verlieren.

„Stadtblatt“ Crailsheim baute Berichterstattung aus

Crailsheim gibt ein kommunales Amtsblatt namens "Stadtblatt" heraus, früher im Abo, seit 2016 wird es kostenlos an 17 000 Haushalte im Stadtgebiet verteilt. Der Konflikt entstand, weil das Stadtblatt seine Berichterstattung immer weiter ausbaute. Dagegen klagte der Verlag der Südwestpresse, der zudem vor Ort ein kostenloses Anzeigenblatt herausgibt. Die Stadt betreibe unlauteren Wettbewerb, weil sie verfassungsrechtliche Vorgaben missachte.
 
In der Verhandlung beim BGH berief sich die Südwestpresse auf das "Gebot der Staatsferne der Medien", gegen das Crailsheim verstoße. Das "Stadtblatt" dürfe zwar über die Arbeit von Stadtverwaltung und Gemeinderat informieren, aber nicht über die örtliche Kultur, Wirtschaft und den Sport. Dies sei Aufgabe der freien Medien. Wenn eine Kommune hier mit eigenen Presseorganen aktiv werde, sei die institutionelle Garantie der freien Presse verletzt, so der SWP-Anwalt Axel Rinkler.

Crailheim: „Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung“

Die Stadt Crailsheim berief sich dagegen auf die ebenfalls im Grundgesetz garantierte "kommunale Selbstverwaltung". Die Kommunen seien für alle örtlichen Angelegenheiten zuständig. Wenn die Zeitung nur über 40 Prozent der örtlichen Vereinsaktivitäten berichte, entstehe ein "Informationsdefizit", das die Kommune beseitigen könne, so Anwalt Jörg Semmler. Die Institution der Presse sei dadurch sicher nicht gefährdet, schließlich sei das "Stadtblatt" zur Neutralität verpflichtet, auf örtliche Themen beschränkt und erscheine nur einmal in der Woche.
 
Der parteilose Crailsheimer Bürgermeister Christoph Grimmer hielt in Karlsruhe ein pathetisches Plädoyer: "Es geht hier nicht nur um die Zukunft der kommunalen Amtsblätter, es geht hier um die Zukunft der Demokratie in Deutschland." Viele Gemeinden hätten gar keine Tageszeitung mehr. Da müsse eine Kommune mit eigenen Medien in die Bresche springen können.

Kläger Südwestpresse widerspricht

SWP-Anwalt Rinkler konnte die Notlage jedoch nicht erkennen. Vereine und Unternehmen könnten über ihre Aktivitäten ja auch auf eigenen Webseiten oder über soziale Netzwerke wie Facebook informieren. Wenn bei jedem vermeintlichen Informationsdefizit gleich die Kommune aktiv werde, gebe es auch keinen Anlass und keine Chance, neue Medienorgane zu gründen, so Rinkler.
 
Der Bundesgerichtshof gab zu erkennen, dass er wohl eher der Südwestpresse folgen wird - wie schon die Vorinstanzen Landgericht Ellwangen und Oberlandesgericht Stuttgart. Der Vorsitzende BGH-Richter Thomas Koch betonte, dass Kommunen Teil des Staates sind und deshalb keine Grundrechte haben. Es gehe deshalb nicht um einen Interessensausgleich zwischen Kommunen und Presse. Vielmehr ende die Kompetenz der Kommunen dort, wo die Institution der Presse gefährdet werde. Ein Amtsblatt dürfe deshalb im wesentlichen nur über das Handeln der Stadtverwaltung und des Gemeinderats berichten, nicht über das gesamte Gemeindeleben.

BGH-Urteil zum „Stadtblatt“ in Crailsheim in einigen Wochen erwartet

Das BGH-Urteil wird erst in eingen Wochen verkündet. Aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Ellwangen hält sich das Crailsheimer "Stadtblatt" schon seit Anfang 2016 in seiner Berichterstattung sehr zurück.

Streit auch um „dortmund.de“

Von künftig noch größerer praktischer Relevanz ist ein ähnlicher Prozess, bei dem es um die Internet-Aktivitäten einer Kommune geht. Die Stadt Dortmund betreibt die Webseite dortmund.de, die ebenfalls deutlich mehr als nur Angelegenheiten der Stadtverwaltung beschreibt. Dagegen klagte der Lensing-Verlag, der die in Dortmund erscheinenden Ruhr-Nachrichten produziert. Dieser Fall steht prozessual aber noch am Anfang.
Autor*in
Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent für verschiedene Tageszeitungen, den vorwärts und die DEMO.

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