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Streit um das Deutschland-Ticket geht weiter

Bund und Länder ringen erneut um die zukünftige Finanzierung des Deutschland-Tickets. Nach einer Sondersitzung der Verkehrsminister*innen scheint nur eines klar: Der Preis wird steigen. Das andauernde Tauziehen um Geld belastet auch die Kommunen.

von Carl-Friedrich Höck · 9. Juli 2024
Gleise und ein Nahverkehrszug, dahinter Bäume

Regionalzug in Schleswig-Holstein

Die Verkehrsminister*innen-Konferenz (VMK) der 16 Bundesländer hat sich am Montag zu einer digitalen Sondersitzung getroffen. Auf der Tagesordnung stand die Frage, wie es mit dem Deutschland-Ticket weitergeht. Noch immer gibt es kein langfristiges Finanzierungskonzept, das über die nächsten Monate hinaus trägt.

Das belastet auch die Kommunen. Denn sie sind es, die das Deutschland-Ticket vor Ort umsetzen müssen. Die Kommunen beauftragen ihre jeweiligen Verkehrsunternehmen, den Tarif für das Deutschland-Ticket – aktuell 49 Euro im Monat – einzuführen. Wenn Bund und Land dies nicht ausreichend finanzieren, verbleibt das Risiko bei der Stadt oder dem Landkreis. Wegen der unklaren Zukunft wird der Tarif in vielen Kommunen nur für kurze Zeit festgeschrieben und immer wieder neu verlängert. In manchen ist er lediglich bis September 2024 garantiert.

Bundesregierung hat Gesetzentwurf erstellt

Nun hat ein Gesetzentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium Bewegung in die Debatte gebracht. Damit sollen die Regionalisierungsmittel neu geregelt werden. Mit diesen beteiligt sich der Bund an der Finanzierung des Nahverkehrs. Auch die Zuschüsse des Bundes für das Deutschland-Ticket werden als Regionalisierungsmittel an die Länder ausgezahlt.

Im November 2023 hat die Ministerpräsident*innenkonferenz vereinbart, dass die Länder nicht genutzte Restmittel für das Deutschland-Ticket aus dem Jahr 2023 ins nächste Jahr übertragen können. Das war die Grundlage für den Beschluss, den Preis von 49 Euro auch im Jahr 2024 beizubehalten. Bisher hatte die Bundesregierung die Zusage aber nicht umgesetzt. Mit dem Gesetzentwurf will sie das jetzt nachholen und zugleich regeln, dass auch ins kommende Jahr wieder Restmittel übertragen werden dürfen.

Bei den Verkehrsminister*innen stößt der Gesetzentwurf trotzdem auf Kritik. Vor allem ein Punkt erzürnt die Länder: Der Bund will 350 Millionen Euro, die eigentlich für das nächste Jahr gedacht sind, zunächst zurückhalten. Die Länder sollen das Geld erst bekommen, wenn sie vollständige Verwendungsnachweise für die Regionalisierungsmittel im Jahr 2025 vorgelegt haben. Das bedeutet, dass sie das Geld wohl frühestens im Herbst 2026 erhalten. „Solche Verschiebungen gefährden die Verlässlichkeit der Finanzierung von Infrastruktur und Angebot zusätzlich“, erklärten die Verkehrsminister*innen in einem Beschluss.

Verkehrsunternehmen: „wirtschaftlich nicht vertretbar”

Auch die Bus- und Bahnunternehmen reagierten mit Unverständnis auf die Pläne der Bundesregierung. „Die Bundesregierung hat sich acht Monate Zeit genommen, um nun einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die zentralen Fragen der endgültigen Finanzierung des Deutschland-Tickets erst bis Ende 2026 klären soll“, bemängelte Ingo Wortmann, der Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Mit Blick auf die Pläne des Bundesverkehrsministers, Mittel verzögert auszuzahlen, ergänzte er: „Wir sollen also trotz der extrem angespannten finanziellen Lage in der Branche noch fast zwei Jahre warten, bis die Regionalisierungsmittel vollständig ausgezahlt werden, die der Bund längst zugesagt hat. Das ist ein Unding und weder unternehmerisch noch wirtschaftlich vertretbar.“ Schon aktuell reichten – auch wegen des Deutschland-Tickets – die zur Verfügung stehenden Mittel kaum aus, um das Bestandsangebot zu finanzieren.

Für Argwohn sorgt auch eine Formulierung im Gesetzentwurf, laut der die Länder sich „mindestens“ in gleicher Höhe an den Kosten des Tickets beteiligen sollen wie der Bund. Bisher galt die Vereinbarung, dass Bund und Länder sich die Kosten jeweils hälftig teilen sollen. Der Bund verschiebe nun die Finanzierungsverantwortung in Richtung der Länder, interpretierte Wortmann das Papier. „Man bekommt den Eindruck, dass die Bundesregierung nicht mehr voll und ganz hinter dem Deutschland-Ticket steht oder die Finanzierungsdimension unterschätzt hat“, sagte der VDV-Präsident.

Landesminister*innen nennen Ticket „Erfolgsprojekt”

Optimistischer äußerte sich Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) als Vorsitzender der Verkehrsminister*innenkonferenz. Das Deutschland-Ticket sei „ein Erfolgsprojekt, für das es sich lohnt, weiterzuarbeiten“. Um das Potenzial zu heben, brauche man aber Verlässlichkeit und Stabilität. Weil die Länder schnell an die versprochenen Restmittel aus dem vergangenen Jahr kommen wollen, drängen sie darauf, dass die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zügig ändert, damit er direkt nach der Sommerpause vom Bundestag beschlossen werden kann.

Dass das Ticket teurer wird, halten die Länder für unumgänglich. Im VMK-Beschluss heißt es: „Auch bei Verfügbarkeit aller Bundes- und Landesmittel ist nach den aktuell prognostizierten Mittelbedarfen eine Preiserhöhung für das Deutschlandticket in 2025 erforderlich.“

Umstritten ist noch ein weiterer Punkt aus dem Gesetzentwurf: Der Bund will den Ländern verbieten, Regionalisierungsmittel zu verwenden, um vergünstigte Varianten des Deutschland-Tickets anzubieten. Das betrifft zum Beispiel Job- oder Schülertickets. „Das greift in die Länderhoheit ein und verringert zudem den Absatz“, kritisiert die VMK in ihrem Beschluss. Sie fordert den Bund auf, diese Änderung zu streichen.

Saarlands Verkehrsministerin Petra Berg (SPD) sagte im Anschluss an die Verkehrsminister*innen-Konferenz: „Das Deutschland-Ticket ist ein atmendes System und braucht weiterhin Rahmenbedingungen, die dem bisherigen Erfolg weiter Raum lassen und ihn verstetigen.“ Dass die Bundesregierung nun mit einer Formulierungshilfe die Übertragbarkeit der Regionalisierungsmittel herstellen wolle, sei ein erster guter Schritt. Ob das Ticket weiterhin zu einem günstigen Preis fortbestehe, dafür seien nicht nur Bund und Länder verantwortlich, sondern auch die Nutzer*innen. „Preisstabilität kann vor allem durch rege Nutzung des Tickets erreicht werden“, erklärte die Sozialdemokratin.

Städte und Gemeinden wollen Planungssicherheit

Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund wächst der Unmut über das andauernde Tauziehen um die Finanzierung. Der für Mobilität zuständige Referatsleiter Jan Strehmann sagte der DEMO: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung habe lange auf sich warten lassen und sei unzureichend. Statt endlich Planungssicherheit zu schaffen, wolle sich der Bund schrittweise aus der hälftigen Finanzierung des von ihm eingeführten Tickets verabschieden.

Strehmann weiter: „Die angedachte Verschiebung bei der Auszahlung von Regionalisierungsmitteln löst zudem weitere Unsicherheit bei den Kommunen und Fahrgästen aus. Denn schon aktuell ist mit den vorhanden Mitteln das Angebot bei Bus und Bahn kaum noch zu finanzieren.“ Von dem im Koalitionsvertrag verankerten Ausbaupakt für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr könne angesichts dieser Finanzierungssituation aktuell keine Rede mehr sein.
 

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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