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Tim Kurzbach: „Solingen ist seitdem ein Stück zusammengerückt“

25 Jahre nach dem rechtsextremistisch motivierten Brandanschlag in Solingen hat die Stadt den Auftrag zu mahnen, aber vor allem auch Verständigung und Freundschaft zu leben. Das schreibt Tim Kurzbach, Oberbürgermeister der Stadt, aus diesem Anlass auf der Internetseite der Stadt. Auch andere SPD-Politiker sprechen zum Jahrestag Mahnungen aus.
von Karin Billanitsch · 29. Mai 2018
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„Der Tod meiner Kinder soll uns dafür öffnen, Freunde zu werden.“ Worte von Mevlüde Genç, die Mutter und Großmutter der Opfer der türkischen Familie Genç, die am 29. Mai 1993, vor 25 Jahren, einem rechtsradikalen Anschlag zum Opfer gefallen sind. Der Oberbürgermeister von Solingen, Tim-O. Kurzbach, hat zu diesem Anlass auf der Internetseite der Stadt einen Aufsatz veröffentlicht: „Diese Losung ist ein Auftrag geworden, dem wir uns bis heute verpflichtet fühlen. Solingen ist seitdem ein Stück zusammengerückt. Viele Menschen stehen klar für ein respektvolles, friedliches Miteinander in unserer Stadt ein und sind auf vielerlei Weise miteinander vernetzt. Sie unterstreichen immer wieder, dass Rassismus und Hass hier nichts zu suchen haben. Dazu verpflichtet uns die Ratio und die Empathie, die Vernunft und das Mitgefühl. Dazu verpflichtet uns auch unsere besondere Geschichte.“

Rückblick: Vier rechtsradikale Jugendliche zündeten das Haus der türkischen Familie Genç an. Fünf Kinder und junge Frauen bezahlten das mit ihrem Leben, andere erlitten Verletzungen. „Die seelischen Wunden der Überlebenden schmerzen auch nach 25 Jahren noch. Ganz zu heilen sind sie nie“, schreibt Kurzbach und weiter: „Auch nach einem Vierteljahrhundert stehen die meisten von uns voller Fragen da: Wie können Menschen anderen Menschen so etwas antun? Woher kommt solcher Hass, solcher Mangel an Einfühlung?“ fragt der Bürgermeister.

Fachleute seien sich damals einig gewesen, dass der Solinger Brandanschlag vom 29. Mai 1993, aber auch die Hasstaten von Rostock, Hoyerswerda und Mölln, einen geistigen Nährboden hatten, der in der Aussage kulminierte: „Das Boot ist voll“, analysiert Kurzbach. Aus dem Wahlkampf heraus seien damals Ängste vor so genannten Fremden geweckt worden. Kurzbach zieht eine Paralelle zur heutigen Zeit: „Aktuell erleben wir wieder eine solche Verrohung der politischen Sprache, mit hohem Aggressionsfaktor. Im Deutschen Bundestag sitzt seit wenigen Monaten eine Partei, für die Hass, Ausgrenzung und Respektlosigkeit geradezu der Markenkern sind.“

Er warnt: „Es ist immer große Vorsicht geboten, wenn simple Lösungen für vielschichtige Probleme und komplexe Zusammenhänge geboten und die eine oder andere Minderheit – nach Hautfarbe oder religiösem Bekenntnis – als „Sündenbock“ identifiziert wird. Das lenkt und legitimiert den dumpfen Hass derer, die es dann nicht beim Schlagen mit Worten belassen. Auch deshalb hat Solingen 25 Jahre nach dem Brandanschlag den Auftrag, zu mahnen, aber vor allem Verständigung und Freundschaft zu leben.“

Auch andere SPD-Politiker erinnern an den Brandanschlag und sprachen Mahnungen aus: Bundesaußenminister Heiko Maas twitterte: Die Bilder aus vor 25 Jahren werden wir nie vergessen. Der Schmerz und die Trauer bleiben. Und: die Mahnung, auch heute gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einzutreten – überall auf der Welt.

Sawsan Chebli, die SPD-Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in Berlin, teilt am Jahrestag des Anschlags eine persönliche Geschichte. Elf Tage nach den Morden in Solingen sei sie deutsche Staatsbürgerin geworden, twitterte sie. Das habe sie nicht nur mit Stolz erfüllt, sondern angesichts des rechten Terrors auch mit Angst.

 

 

 

 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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