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Tourismus erlebt Restart mit Hindernissen

Tourismus ist für die Entwicklung vieler Kommunen ein entscheidender Faktor. Wer Reiseiwillige anlocken will, darf die Digitalisierung nicht verschlafen und muss auf neue Trends reagieren. Das wurde bei einer Anhörung im Bundestag deutlich.
von Uwe Roth · 21. September 2023

Burkhard Kieker konnte sich in der Sitzung des Bundestagsausschusses Tourismus am Mittwoch zufrieden zurücklehnen. Dort informierten sich die Bundestagsabgeordneten zum Thema „Kulturtourismus und Städtereisen“. Fünf Sachverständige gaben Auskunft, wie es um die Branche steht. Als Geschäftsführer von visitBerlin ist Kieker in einer komfortablen Lage: Die Bundeshauptstadt hat von allem im Überfluss, was Reisende anzieht – egal ob sie privat oder geschäftlich nach Berlin kommen. Sehenswürdigkeiten, kulturelle Angebote, das politische Berlin, Messen oder Kongresse. Hotels und U-Bahnen sind proppenvoll. Berlin liegt in Europa nach London und Paris an dritter Stelle.

„Der Restart ist sehr gut gelungen“, sagte Kieker und meinte die Zeit seit Ende der Corona-Pandemie. „Es kamen alle wieder“, stellte der Tourismus-Chef fest und ergänzte nachdenklich: „Aber es kommen auch nicht mehr. Die Kurve flacht ab. Dass es kein Wachstum gibt, ist in gewisser Weise beunruhigend.“

Verkehrsverbindungen sind ausbaufähig

Seine Analyse lautete: Entweder ist der Bedarf gedeckt, oder die Anreise könnte zu mühsam geworden sein. Die Probleme der Bahn bekämen auch die Tourist*innen zu spüren. Der neue Flughafen im Süden der Stadt sei nur unzureichend an das Langstrecken-Netz der internationalen Airlines angeschlossen. Und selbstverständlich zähle der Fachkräfte-Mangel zu den Grundproblemen im Städte-Tourismus.

Auch die Stellungnahmen der anderen Expert*innen in der Anhörung lassen sich mit einem „Es läuft gut, aber…“ zusammenfassen. Unterm Strich sind es die gleichen Unzulänglichkeiten, die in Deutschland allgemein beklagt werden. Tourist*innen reisen nur noch ungern mit dem eigenen Auto in die Städte. Folglich muss auch für sie das Angebot an Bussen und Bahnen stimmen. Das trifft auch auf ländliche Gebiete zu mit jährlich wiederkehrenden großen Kulturveranstaltungen. Ein Bahnhof im Ort ist ein Plus für den Tourismus. Die Preissteigerungen in jüngster Zeit dürften als weitere Problemzone nicht vergessen werden.

Große Themen: Barrierefreiheit und Digitalisierung

Barrierefreie Angebote sind im Tourismus ein gewichtiges Thema, sagte Petra Hedorfer, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Zentrale für Tourismus. Touristische Angebote müssten digital auffindbar und planbar sein. Es müsse einen modernen Internetauftritt geben und/oder eine App, über die sich alles organisieren lässt und in die eine Bezahlfunktion integriert ist. Ausländische Gäste, die es gewohnt seien, alles und überall digital zu bezahlen, wollten das auch in Deutschland tun, erklärte Hedorfer. Bargeld irritiere bloß.

Ein Beispiel, bei dem Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander stehen, brachte Sabine Thiele aus Regensburg mit. Sie ist dort Geschäftsführerin der Tourismus GmbH. Sie hat im Jahr 2020 die „Nachhaltigkeitsoffensive für den Regensburger Tourismus“ ins Leben gerufen. Immer mehr Menschen geben auf Reiseportalen an, dass ihnen nachhaltiges Reisen wichtig sei. Bei der lokalen Wirtschaft ist das dennoch auf wenig Resonanz gestoßen. Von 600 mehrfach angeschriebenen Betrieben aus Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel und dem Kulturbereich beteiligen sich am Ende 24 Betriebe. Eine ernüchternde Erfahrung sei das gewesen, bilanzierte Thiele.

Heimatmuseen dauerhaft geschlossen

Auch der ländliche Raum sei vom Fachkräftemangel in der Hotellerie und Gastronomie betroffen, bestätigte Jan Strehmann. Er ist beim Deutschen Städte- und Gemeindebund Referatsleiter für Mobilität und Wirtschaft. Zudem mache sich dort ein Rückgang des Ehrenamts bemerkbar, stellte er fest. So seien Heimatmuseen nach der Corona-Pandemie nicht wieder eröffnet worden, weil es an Freiwilligen fehle.

Insgesamt gab sich Strehmann in der Anhörung aber optimistisch: „Der Deutschland-Tourismus hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einer positiven Entwicklung in vielen Städten und Gemeinden beigetragen.“ Neben dem Wirtschaftsfaktor Tourismus steigere eine gut ausgebaute touristische Infrastruktur für die Einheimischen die Lebensqualität. „Gerade in ländlichen Räumen und den dortigen Klein- und Mittelstädten wären ohne Einnahmen aus dem Tourismus viele Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie Infrastrukturen wie Rad- und Wanderwege kaum tragbar“, so seine Beobachtung.

Branche fürchtet Kürzungen bei Fördermitteln

Gleichzeitig warnte er, dass manches in Gefahr sei, da der Tourismus speziell im ländlichen Raum von finanziellen Förderungen des Bundes abhänge. Als Beispiel nannte er die Gemeinschaftsaufgaben Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) und Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW). Wie er aus den Beratungen zum Haushalt 2024 gehört habe, drohten bei den GAK-Mitteln „umfangeiche Kürzungen“. Eine „unzureichende Förderung“ verhindere die Hebelwirkung durch private Investitionen und schade ganzen Regionen.

Die große Unbekannte im Tourismusgeschäft sind die Reisewilligen selbst. Reisen würden immer kurzfristiger gebucht, berichtete Hedorfer.

Die Interessen der Reisenden wandelten sich, berichtete Professor Martin Lohmann fest, Wissenschaftlicher Berater der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen. „Die Neugier auf Kultur und Bildung sinkt“, stellte er fest. Dafür steige das Interesse an naturnahen Aufenthalten. Themenwanderwege seien aktuell der Renner.

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu

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