Trotz Ampel-Aus: Die große Baurechts-Reform könnte kommen
Lange hat das Bundesbauministerium an einer Baurechts-Novelle gearbeitet. Nun liegt ein Entwurf vor – und die Regierung hat keine eigene Mehrheit mehr. Doch im Bauausschuss des Bundestages signalisierte die CDU Unterstützung für die Reform.
Thomas Trutschel/Photothek
Baustelle in Berlin: Die Novelle des Baugesetzbuches soll den Wohnungsbau beschleunigen.
Einfacher und schneller soll das Bauen in Deutschland werden. Dieses Ziel hat sich das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) gesetzt und eine große Baurechts-Novelle auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung hat den Entwurf noch beschlossen, bevor die FDP die bisherige Ampel-Koalition verlassen hat. Doch ob das Gesetz auch die Hürde Bundestag nimmt, bevor das Parlament neu gewählt wird, ist fraglich.
Bei einer Anhörung im Bauausschuss des Bundestages signalisierte nun der CDU-Abgeordnete Enak Ferlemann Unterstützung für das Vorhaben. „Wir sollten bemüht sein, sehr schnell diese Novelle über die Hürde zu bringen“, sagte er – und verwies auf die Interessen der Bürgermeister*innen, die es in allen Parteien gebe. Die SPD-Abgeordnete Claudia Tausend sprach sich ebenfalls dafür aus, die Reform zügig zum Abschluss zu bringen.
Kommunen befürworten die Änderungen
Diese würde Kommunen mehr Spielräume verschaffen, um von Bebauungsplan-Vorgaben abzuweichen, Städte nachzuverdichten oder bestehende Gebäude aufzustocken. Die Aufstellung von Bebauungsplänen soll beschleunigt werden durch einfachere Verfahren und kürzere Fristen. Gleichzeitig würde die Reform den Kommunen mehr Instrumente an die Hand geben, um sich an den Klimawandel anzupassen. Künftig sollen sie bei Baugenehmigungen anordnen können, dass auf einem Grundstück dezentrale Versickerungsanlagen oder ein Gründach entstehen.
Geradezu überschwänglich lobte Hilmar von Lojewski, Beigeordneter beim Deutschen Städtetag, die Vorlage von Bauministerin Klara Geywitz (SPD). „Dieses Gesetz hat eine Qualität erlangt, wie wir sie lange nicht erlebt haben“, lobte er. Ausdrücklich appellierte er an die Fraktionen, wenigstens die Kernelemente auf den Weg zu bringen. Alles andere wäre „ein Schlag ins Gesicht der Planungsbranche“. Es stecke zu viel Arbeit im Gesetz, um jetzt wieder gänzlich neu anzusetzen. Bernd Düsterdiek (Deutscher Städte- und Gemeindebund) bescheinigte dem Entwurf, er werde „in großen Teilen den Anforderungen gerecht, die Bauleitplanung zu beschleunigen und zu vereinfachen“.
Kritik an Windkraft-Plänen
Eine geplante Regelung allerdings stößt den Kommunen sauer auf. Darin geht es um den Ausbau der Windenergie an Land. Hintergrund: Vor zwei Jahren hat der Bund beschlossen, dass künftig zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windenergie ausgewiesen werden sollen. Den Ländern werden verbindliche Flächenziele („Flächenbeitragswerte“) vorgegeben. Werden diese nicht innerhalb einer Frist erreicht, dann können neue Windkraftanlagen im ganzen Land gebaut werden und werden in Genehmigungsverfahren privilegiert.
Der nun vorgelegte Gesetzentwurf sieht eine Sonderregelung im Baugesetzbuch (§ 249) vor. Sie besagt, dass die Privilegierung auch dann Bestand hat, nachdem das Flächenziel erreicht wurde, sofern die Windkraftanlage vorher schon beantragt worden ist. Die Kommunen sehen darin einen unzulässigen Eingriff in ihre Planungshoheit. „Da wäre ungesteuertem Ausbau Tür und Tor geöffnet“, kritisierte Nadine Schartz vom Deutschen Landkreistag.
Flaute beim Wohnungsbau
In der Ausschuss-Anhörung bekräftigten zahlreiche weitere Verbände, dass das Baurecht dringend geändert werden müsse. Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, sagte: „Aktuell sieht es so aus, dass 70 Prozent unserer Unternehmen kommendes Jahr keine einzige Wohnung bauen werden.“ Man müsse „wirklich alle Register“ für bezahlbaren Wohnungsraum ziehen und dabei noch über die vorliegende Baurechts-Novelle hinausgehen. Zum Beispiel forderte er, die Grunderwerbssteuer zu senken.
Friederike Mechel von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in Hamburg begrüßte insbesondere eine befristete Sonderregelung im Gesetzentwurf, die es Kommunen ermöglichen soll, Wohnungsbauvorhaben auch dann zuzulassen, wenn sie vom bestehenden Bauplanungsrecht deutlich abweichen.
Änderungswünsche vom Mieterbund
Beim Deutschen Mieterbund stieß der Entwurf ebenfalls auf positives Echo. Dessen Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz wünschte sich aber noch Änderungen: Das Verbot, auf angespannten Wohnungsmärkten Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, solle nicht nur wie geplant um zwei Jahre verlängert werden, sondern komplett entfristet. Und das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten müsse wieder ausgeweitet werden.
Kritik am Gesetz äußerte Dirk Salewski vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. In Deutschland dauerten die Verfahren für Bebauungspläne zwischen fünf und 15 Jahre. Ein „Bau-Turbo“ sei der Entwurf nicht. Salewski plädierte für mehr Deregulierung. In die umgekehrte Richtung argumentierte Judith Nurmann, die für „Architects for future“ sprach, aber eigentlich Stadtplanerin ist. Sie warnte vor Liberalisierungen, welche die Planungshoheit der Kommunen beschneiden würden. Das könne zu städtebaulichen Fehlentwicklungen führen, demokratische Planungskultur zerstören und Bodenspekulation befördern. Städte und Gemeinden bräuchten „mehr bodenpolitische Power“, um nachhaltiger agieren zu können.
Weiterführende Informationen zum „Entwurf eines Gesetz zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“:
bundestag.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.