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Unicef kritisiert: Flüchtlingsunterkünfte sind nicht kindgerecht

Für eine Studie wurden Kinder und Jugendliche befragt, wie sie den Alltag in Flüchtlingsunterkünften erleben. „Nach Jahren der Flucht beginnt auch hier keine Kindheit, die den Namen verdient“, sagt Christian Schneider vom Kinderhilfswerk Unicef.
von Carl-Friedrich Höck · 29. August 2023
Bild aus einer Unterkunft, aufgenommen im Rahmen der Studie „Das ist nicht das Leben” – Perspektiven von Kindern und Jugendlichen in Unterkünften für geflüchtete Menschen

„Das ist nicht das Leben. Das ist sozusagen ein Stopp für das Leben.“ Gesagt hat das ein 15-jähriges Mädchen, das in einer Unterkunft für geflüchtete Menschen wohnt. Ihre Aussage ist auch der Titel einer Studie des Sinus-Instituts. In Auftrag gegeben wurde sie von Unicef Deutschland und dem Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMRG).

Perspektiven der Kinder

Die Studie sollte einen Perspektivwechsel ermöglichen. Wie empfinden geflüchtete Kinder und Jugendliche die Zeit in den Unterkünften? Unter welchen Bedingungen leben sie? Um das herauszufinden, wurden Menschen in vier verschiedenen Unterkünften interviewt. 50 Kinder, acht Mitarbeiter*innen und vier Unterkunftsleiter*innen gaben Auskunft. Die Studie ist nicht repräsentativ, aber sie gibt Einblicke in den Alltag und das Seelenleben der Befragten.

Unicef-Geschäftsführer Christian Schneider betont: „Nichts brauchen die Kinder mehr als einen Ort, wo sie endlich zur Ruhe kommen können.“ Stattdessen lebten sie oft über Jahre in Unterkünften, die nicht kindgerecht seien. In der Studie äußerten viele Kinder und Jugendliche ihren Wunsch nach mehr Privatsphäre. Die beengten Wohnverhältnisse seien belastend, teils schilderten sie auch schlechte hygienische Bedingungen und Erfahrungen mit Gewalt und Diskriminierung. „Nach Jahren der Flucht beginnt auch hier keine Kindheit, die diesen Namen verdient“, meint Schneider.

Unicef und DIMRG mahnen Einhaltung der Kinderrechte an

Er betont: Unicef erkenne das Engagement der vielen Ehrenamtlichen sowie von Bund, Ländern und Kommunen an. Aufgabe seiner Organisation sei es aber, auf die Einhaltung der Kinderrechte zu achten. Nachholbedarf sieht hier auch Michael Windfuhr vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Geflüchtete Kinder müssten teilweise monatelang warten, um in die Schule gehen zu können. Andere hätten nur eine Stunde Unterricht am Tag. Geflüchtete Kinder hätten aber denselben Anspruch auf Schutz und Unterstützung wie andere Kinder auch – also auf Bildung, Gesundheit, den Schutz der Privatsphäre und vor Gewalt.

Für Unicef und das DIMRG ist die Schlussfolgerung aus der Studie: Familien müssten dezentral untergebracht werden. Zudem bräuchten Kinder und Jugendliche unmittelbaren Zugang zu Kindergärten, Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten.

Manchmal könnten aber auch kleine Maßnahmen helfen, den Alltag zu verbessern, macht Windfuhr deutlich: „Viele haben pragmatische und leicht umsetzbare Lösungsvorschläge. Die werden aber kaum gehört.“ Zum Beispiel habe es ein Mädchen gestört, dass sie ihre Hygieneartikel nicht so aufbewahren kann, dass nicht jede*r diese sehe. Andere Befragte wünschten sich mehr Spiel- und Sportmöglichkeiten oder einen kleinen Garten, den man bepflanzen kann.

Mehr Informationen:
institut-fuer-menschenrechte.de

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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