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Verdi und Verkehrsunternehmen wollen Debatte um ÖPNV-Zukunft anstoßen

Die Kommunen könnten ihre Nahverkehrs-Angebote nicht mehr aufrechterhalten, warnt Verdi. Die Gewerkschaft hat gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen ein „Zielbild“ für den ÖPNV ausgearbeitet. Das Papier soll einen gesellschaftlichen Diskurs anregen.

von Carl-Friedrich Höck · 20. Januar 2025
Symbolschilder für verschiedene Verkehrsmittel

S-Bahnen, Busse, Trams: Der Nahverkehr sei auf Dauer unterfinanziert, warnen die Gewerkschaft Verdi und der Verkehrsunternehmen-Verband VDV.

Üblicherweise treffen die Gewerkschaft Verdi und der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) als Kontrahenten aufeinander, wenn wieder einmal Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) anstehen. Am Montag aber zeigten die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle und Ingo Wortmann, Präsident des VDV, demonstrativ Einigkeit.

VDV und Verdi sorgen sich um Nahverkehrs-Branche

Gemeinsam stellten sie in der Berliner Verdi-Zentrale ein Gemeinsames Zielbild für den ÖPNV in Deutschland bis zum Jahr 2035 vor. „Wir haben alle gemeinsam eine große Sorge um die Branche“, begründete Wortmann die ungewöhnliche Initiative. Man befinde sich in schwierigen Zeiten, die Betriebskosten seien gestiegen, der Fachkräftemangel spitze sich zu und viele Mitarbeiter*innen fänden keine bezahlbare Wohnung mehr. Behle ergänzte: „Mir ist keine Kommune bekannt, die in der Lage ist, ihren aktuellen Verkehr überhaupt noch aufrechtzuerhalten.“ Den Kommunen fehle das nötige Geld im Haushalt. Notwendige Investitionen in den Betrieb und Ausbau des Nahverkehrsangebots könnten nicht mehr getätigt werden. Dabei stiegen die Bedarfe in Ballungsräumen, während im ländlichen Raum große Bereiche vom öffentlichen Nahverkehr abgekoppelt seien.

Das gemeinsame „Zielbild“ haben Vertreter*innen von Verdi und VDV in einem mehrmonatigen Prozess abgestimmt. Das Papier soll einen „Beitrag für die dringend zu führende politische und gesamtgesellschaftliche Debatte um ein zukunfts- und leistungsfähiges sowie attraktives ÖPNV-Angebot“ leisten, heißt es in einer Pressemitteilung der beiden Verbände.

Zielpapier wenig konfrontativ

Die Zielvorstellungen sind allerdings vage formuliert. Knallige Forderungen oder konkrete Zahlen sucht man in dem Dokument weitgehend vergebens. Das ist Absicht, wie Wortmann erklärte: Man wolle keine konfrontative Position aufbauen, sondern die gesamte Gesellschaft zu einem Diskurs einladen.

So wird der ÖPNV als „Garant für soziale Teilhabe, gelebten Klimaschutz“ und Teil der Daseinsvorsorge beschrieben. Die Tarifstrukturen sollen sich in Zukunft an der Logik und den Rahmenbedingungen des Deutschlandtickets orientieren. Es brauche einen leistungsstarken ÖPNV in Ballungsräumen und ein verlässliches Grundangebot in ländlichen Räumen, heißt es im Papier. Und für die Beschäftigten werden „gute Arbeitsbedingungen“ gefordert. Außerdem wollen die Verbände die Automatisierung und Digitalisierung vorantreiben.

Schuldenbremse soll reformiert werden

Am brisantesten ist der Abschnitt zu Finanzierung und Regulierung des Nahverkehrs. So fordern Verdi und VDV eine Reform der Schuldenbremse, um mehr Investitionen in die Infrastruktur und den Betrieb der Mobilität zu ermöglichen. Auch Reformen des Regionalisierungsgesetzes und des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes werden angeregt – auf Basis dieser Gesetze beteiligt sich der Bund an den Kosten des Nahverkehrs.

Gemeinsames Zielbild

Christine Behle (Verdi) und Ingo Wortmann (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen) präsentierten das Papier bei einem Pressegespräch in Berlin.

Präsentation Zielbild

„Was wir brauchen, sind stabile Rahmenbedingungen, vor allem bei der Finanzierung des ÖPNV“, machte Wortmann während einer Pressekonferenz deutlich. Der VDV-Präsident erklärte: Wenn ein Unternehmen neue Fahrzeuge anschaffe, liege die Abschreibungsdauer bei 25 bis 30 Jahren. Man könne eine U-Bahn nicht einfach wieder außer Betrieb nehmen. Auch beim Bau neuer Straßenbahnstrecken müsse Klarheit herrschen, wie die Investitionen und späteren Betriebskosten gefördert werden, „sonst können wir nicht tätig werden“.

Die Appelle sind auch als Kommentar in Sachen Deutschlandticket zu werten. Bisher ist dessen Finanzierung gerade einmal für das Jahr 2025 gesichert. In der Vergangenheit waren Bund und Länder darüber immer wieder in Streit geraten. Verdi-Vizechefin Behlen betonte am Montag, das Ticket sei nicht ausfinanziert. „Wir reden hier von einer Langfristaufgabe. Wer ein Deutschlandticket will, muss es auch bezahlen.“

Link zum Papier (auf vdv.de):
„Gemeinsames Zielbild von ver.di und VDV für den deutschen ÖPNV bis 2035”

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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