Verfassungsgericht kippt Zweitwohnungssteuer in zwei Gemeinden
Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Verfassungsbeschwerden stattgegeben, die sich gegen die Erhebung von Zweitwohnsteuern in zwei bayerischen Kommunen wenden. Die Kommunen Markt Oberstdorf und die Kreisstadt Sonthofen, beide liegen im schwäbischen Landkreis Oberallgäu in Bayern, haben für die Berechnung der Steuer Einheitswerte aus dem Jahr 1964 zugrunde gelegt. Diese wurden anhand des Verbraucherpreisindex hochgerechnet.
Nach Auffassung des Gerichtes ist diese Hochrechnung nicht geeignet, um Wertverzerrungen auszugleichen. Darüber hinaus verstoße die Art der Staffelung des Steuertarifs in der Gemeinde Markt Oberstdorf gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung des Verfassungsgerichtes.
Zweitwohnungssteuer ohne Lastengleichheit
Markt Oberstdorf und Sonthofen erheben die Zweitwohnsteuer aufgrund einer kommunalen Satzung, die auf einem fiktiven jährlichen Mietaufwand basiert. Anhand einer Einheitsbewertung von Grundstücken aus dem Jahr 1964 wird eine fiktive Miete ermittelt. Diese wird entsprechend der Mietenentwicklung nach dem Verbraucherpreisindex hochgerechnet.
Diese Methode sei jedoch nicht geeignet, weil sich seit 1964 vieles verändert haben kann, bemängelt das Gericht. So sagen die Werte von damals nichts über den heutigen Ausstattungsstandard der Gebäude, deren Lage oder ihre strukturelle Anbindung aus. Auch das Mietrecht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert.
Damit widerspricht die Berechnung der Steuer dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Lastengleichheit. Er besagt, dass alle Steuerpflichtigen rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden sollen. Der Gesetzgeber habe zwar einen großen Spielraum, wenn er die Regeln festlegt, wie und auf welcher Grundlage die Höhe einer Steuer bemessen wird. Doch diese müssten „prinzipiell dazu geeignet“ sein, „den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen“, heißt es in der Mitteilung des Gerichtes.
Wohlhabende werden bevorzugt
In der Gemeinde Markt Oberstdorf ist der Steuertarif zudem gestaffelt. Vereinfacht gesagt: Je höher die fiktive Jahresmiete für eine Wohnung ist, desto niedriger fällt prozentual die Steuerbelastung aus. Weniger leistungsfähige Steuerschuldner würden so benachteiligt, stellt das Gericht fest. Das verstoße gegen das Gebot der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit und somit gegen das verfassungsrechtliche Grundrecht auf Gleichbehandlung.
Die Kläger – Eigentümer von Zweitwohnungen in den beiden Kommunen – hatten auch infrage gestellt, ob das Bundesland Bayern das bestehende Zweitwohnsteuer-Gesetz überhaupt beschließen durfte. Weil Geringverdiener von der Steuer befreit sind, könne diese nicht mehr als „örtliche Aufwandssteuer“ gelten. Damit falle das Gesetz auch nicht mehr in die Kompetenz der Bundesländer.
Das aber wies das Verfassungsgericht in Karlsruhe zurück: Die Länder seien grundsätzlich befugt, „Zweitwohnsteuern als Form der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuer zu erheben“ und die Gesetzgebungskompetenz dazu in beschränktem Umfang auf die Gemeinden zu übertragen. Daran ändere auch die Befreiung von Geringverdienern nichts, da dies nur wenige Menschen betreffe und soziale Härten abmildere.
Zweitwohnsteuer darf vorerst weiter erhoben werden
Den Gemeinden wird nun eine Übergangsfrist eingeräumt: Sie dürfen die beanstandeten Satzungen noch bis zum 31. März 2020 anwenden.
Ein ähnliches Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im April 2018 gefällt: Damals wurde die Berechnung der Grundsteuer für verfassungwidrig erklärt. Grund war auch in diesem Fall, dass die Steuer anhand von Einheitswerten aus dem Jahr 1964 berechnet wird – in Ostdeutschland sogar mit noch älteren Werten aus dem Jahr 1935. Als Reaktion hat der Bundestag vor wenigen Tagen eine Grundsteuerreform beschlossen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.