Versorger gehen mit Investitionen eigene Wege
Die jüngste Erhebung vom Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) ist eine Steilvorlage für den Bundesverkehrsminister Volker Wissing. „Die Lücke zwischen Ladeinfrastruktur und E-Auto-Bestand ist weiter gewachsen“, hatte der Verband anhand der Daten von der Bundesnetzagentur jüngst mitgeteilt. Schon im April dieses Jahres wollte der FDP-Politiker die Verantwortung für die Umsetzung eines Masterplan zum Ausbau des Netzes für eine Million Ladepunkte bis zum Jahr 2030 den Kommunen übertragen. Die kommunalen Spitzenverbände lehnten das Ansinnen prompt ab. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte damals dem Handelsblatt, das Stromladenetz sei zwar „eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Entscheidend sei aber, „die Aufgaben und Lasten gleichmäßig zu verteilen“.
„Städte und Gemeinden sind keine Tankstellenbetreiber“
Davon könne beim Entwurf für die Neuauflage des Masterplans Ladeinfrastruktur nicht die Rede sein. Landsberg stellte lapidar fest: „Städte und Gemeinden sind keine Tankstellenbetreiber.“ Eine derartige „Gewährleistungsaufgabe“ könnten die Kommunen nicht umsetzen. Auch vom Deutschen Städtetag kam keine Unterstützung, sondern ebenfalls Kritik. „Die autogerechte Stadt wollen wir überwinden“, stellte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy klar. „Verbrennerautos durch E-Autos ersetzen – das ist keine Verkehrswende.“ In der Stadt sei das Auto nur eines von vielen Verkehrsmitteln.
Der VDA hatte als ein Argument angeführt, der Ausbau der Ladeinfrastruktur hinke weiter dem steigenden Interesse der Menschen an Elektromobilität hinterher. Im Schnitt kämen in Deutschland auf einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt rund 22 Elektroautos. Beim vergangenen VDA-Ladenetzranking, Stand 1. Oktober 2021, seien es 21 E-Pkw gewesen. Am 1. Mai 2021 seien es 17 E-Pkw gewesen. „Das Delta zwischen Angebot und Bedarf ist damit wachsend.“ Die rund 330 öffentlichen Ladepunkte, die aktuell pro Woche im Durchschnitt in Deutschland hinzukämen, reichten bei weitem nicht aus, so der VDA. Um zu zeigen, wo die eigene Kommune steht, hat der Verband ein Ranking veröffentlicht.
EnBW sieht sich als Betreiber des größten Schnellladenetzes
Die Energieversorger sehen die Schuld für den nach VDA-Sicht schleppenden Netzausbau keinesfalls bei sich. Sie betrachten sich untereinander im Wettbewerb, der funktioniere. „Alle Anbieter von Ladeinfrastruktur verfolgen ihre eigene Strategie beim Ausbau ihrer Ladeinfrastruktur. So verdichtet sich das Angebot und erweitert die Auswahl für die Autofahrer*innen immer weiter“, teilt ein Sprecher der Energie Baden-Württemberg (EnBW) auf Anfrage mit.
Das Karlsruher Unternehmen bezeichnet sich als treibende Kraft im Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektro-Fahrzeuge. „Wie kaum ein anderes Unternehmen investiert sie in den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur“, sagt der Sprecher. EnBW betreibt mit mittlerweile mehr als 700 Schnellladestandorten das nach seiner Aussage größte Schnellladenetz Deutschlands. Die Zielvorgabe: „Bis 2025 werden es 2.500 Standorte sein.“ Zum Vergleich: Das sind mehr Standorte, als die größten Mineralölkonzerne in Deutschland jeweils Tankstellen betreiben.
Verbesserte Technik verkürzt Ladezeiten
Beim Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur sei das Schnellladen der Schlüssel, sagt der EnBW-Sprecher. Dabei sei der technische Fortschritt entscheidend. Früher galt als Faustregel, dass man für zehn Fahrzeuge einen öffentlichen Ladepunkt braucht. Heute gebe es sehr viel leistungsfähigere Hochgeschwindigkeits-Ladesäulen mit Gleichstromtechnik.
Genauso hätten sich die Ladeleistungen der Fahrzeuge „deutlich verbessert“. So könnten in fünf Minuten Strom für bis zu 100 Kilometer Fahrstrecke geladen werden. Durch diese technologische Weiterentwicklung liege die Zielgröße inzwischen bei einem Ladepunkt für 100 Autos, denn das Laden geht ungefähr zehnmal so schnell wie früher. In Deutschland kommen nach EnBW-Angaben aktuell auf einen öffentlichen Ladepunkt 85 E-Autos. „Das ist also in der richtigen Größenordnung.
Materialengpass und lange Genehmigungszeiten
Dass der Ausbau "an mancher Stelle" schneller gehen könnte, hat für ihn unterschiedliche Gründe. So sei der Materialengpass bekanntlich im Baugewerbe angekommen. Auch die Lieferzeiten der Baumaterialien für eine Ladesäule habe sich erhöht. Der Energieversorger beklagt aber auch: „An einigen Standorten wäre eine Beschleunigung und Vereinfachung der Baugenehmigungsprozesse zu begrüßen.“
Um die E-Mobilität weiter voranzubringen, fokussieren sich die Versorger auf den Ausbau der bundesweiten öffentlichen Schnellladeinfrastruktur – beim Handel, im urbanen Raum und entlang von Fernverbindungen. Die Ladesäulen sollen dort stehen, wo sich das Laden optimal in den Alltag der Autofahrer*innen einfügt. Das ist besonders auf Parkplätzen von Einkaufszentren oder großen Einzelhandelsgeschäften der Fall. So lohne sich auch eine Schnellladeinfrastruktur an zentralen Einkaufsorten im ländlichen Raum, heißt es von der EnBW.
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu