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Wann Anwohner gegen Gehwegparker vorgehen können

Parken auf Gehwegen ist nicht erlaubt, aber nicht immer wird sofort abgeschleppt. Die Richter*innen des Bundesverwaltungsgerichts haben geurteilt, welche Rechte Anwohnende haben und welchen Spielraum die Behörden haben.
von Karin Billanitsch · 12. Juni 2024
Autos auf dem Gehweg können die Nutzung erheblich einschränken, wie hier in Essen. In einem Fall, der jetzt vom Bundesverwaltungsgericht entschieden wurde, ging es um Klagen gegen die Freie und Hansestadt Bremen.

Worum geht es bei dem Fall?

Das Bundesverwaltungsgericht hat teilweise die Rechte von Anwohnenden gestärkt, die gegen Falschparker*innen auf dem Gehweg vor Gericht gehen. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Eigentümer*innen der angrenzenden Häuser gegen die Straßenverkehrsbehörde klagen, Maßnahmen gegen verbotswidriges Parken zu ergreifen. Im konkreten Fall hatten Anwohnende mehrerer Straßen in Bremen geklagt, weil Autos seit Jahren auf den engen Gehwegen beider Seiten aufgesetzt geparkt wurden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts in der 1. Instanz gab den Kläger*innen recht. In der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht wurde zwar der Grundtenor des Urteils bestätigt, aber der Behörde ein Spielraum bei ihrem Ermessen eingeräumt. (Mehr Details gibt es in der Pressemitteilung des Gerichts) Nun landete der Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Wer ist durch die Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) geschützt?

Das Parken auf Gehwegen ist verboten. Das leiten die Richter*innen aus den Paragrafen § 12 Abs. 4 und 4a der Straßenverkehrsordnung (StVO) ab. Laut der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts haben diese Regeln „eine drittschützende Wirkung“ – das heißt, sie „schützen also nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch die Anwohner“. Die Nutzung des Gehwegs müsse auch erheblich eingeschränkt sein, hieß es laut einer Pressemitteilung. Für Anwohnende gilt der Anspruch für ihre Straßenseite und für den Teil der Straße, an dem sie wohnen, das heißt zwischen den nächstgelegenen Einmündungen.

Was bedeutet das für die Straßenverkehrs- bzw. Ordnungsbehörde?

Die Richter*innen folgerten aber in dem Urteil nicht automatisch, dass bei Beschwerden jedes rechtswidrig geparkte Fahrzeugt sofort abgeschleppt werden muss. Denn der Behörde bleibt ein Spielraum, ob sie tätig werden möchte, das sogenannte „Entschließungsermessen“. Es gibt auch Fälle, wo die Beeinträchtigung so hoch ist, dass der Spielraum „gegen Null“ geht – was bedeutet, dass die Behörde einschreiten muss. Das hatte das VG bejaht, das OVG jedoch nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Rechtsaufassung des OVG für rechtmäßig.

Die Behörde muss ihre Entscheidung auch fehlerfrei begründen. Die Entwicklung eines stadtweiten Konzepts ist eine zulässige Begründung, lässt sich aus dem Urteil folgern. Die Stadt Bremen hatte unter anderem damit argumentiert, dass sie erst einmal die am stärksten durch unerlaubtes Gehwegparken belasteten Quartiere ermitteln will und danach bestimmte Straßen mit geringer Breite priorisieren und ein entsprechendes Konzept für die gesamte Stadt vorlegen will.

Wie sind die Reaktionen auf das Urteil?

Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des VCD, kommentierte: „Auch wenn es vielen wie ihr Gewohnheitsrecht erscheint: Parkende Autos haben auf Gehwegen nichts verloren.“ Sie forderte: „Kommunen müssen dagegen vorgehen“. Dies habe das BVerwG nun letztinstanzlich bestätigt. Parkende Autos, die den Gehweg verengen, seien für Menschen mit Kinderwagen oder mit Rollator, im Rollstuhl oder im Elektromobil eine schwere Einschränkung. Relevant für die Sicherheit sei das illegale Parken auch über Unterflurhydranten oder über Absperrhähnen für Wasser und Gas. Diese befänden sich in der Regel auf den Gehwegen, betonte der VCD.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) begrüßte die Entscheidung. Diese schaffe Rechtssicherheit, hieß es in einem Statement. „Im Ergebnis können die Straßenverkehrsbehörden bei konkreten Maßnahmen nach dem Problemdruck priorisieren. Sie müssen dann handeln, wenn konkrete Gefahren für die Gesundheit drohen.“

Darüber hinaus nahm der Verband die Innenstädte in den Blick, die vor der Frage stehen, wie „der öffentliche Raum aufgeteilt und genutzt werden soll“. Es müssten Parkplätze für jene vorhanden sein, die auf ihr Auto angewiesen sind. Es müssten aber auch Alternativen zum Auto – wie der Rad- und Fußverkehr sowie der ÖPNV – gestärkt werden. „Hierzu brauchen die Kommunen einen anderen Rechtsrahmen.“ Aus Sicht des DStGB würde die dringend notwendige Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes den Kommunen mehr Handlungsspielraum geben.

Der Verband Fußverkehr Deutschland e.V. freute sich über die Entscheidung: Bisher hätten die beklagte Stadt Bremen und viele andere mit „Parkdruck“ begründet, dass sie Schwarzparken auf Gehwegen dulden. „Die Entscheidung des Gerichts ist ein wichtiger Schritt, um diese rechtsstaatswidrige Praxis zu beenden“, teilt der Verband mit.

Wirkt das Urteil über Bremen hinaus?

Das Urteil dürfte sich deutschlandweit auswirken. Obwohl die Anwohner in dem Fall nun unmittelbar nicht Recht bekommen haben, so lässt sich aus dem Urteil doch allgemein ableiten, dass die Behörden in solchen Fällen nicht einfach untätig bleiben dürfen, ohne dies gut zu begründen. Städte und Gemeinden sind künftig gut beraten, zu ermitteln, wo Einschränkungen für die Anwohnende bestehen und stadtweite Konzepte für Maßnahmen zu erarbeiten, um künftig Klagen von Anwohnenden begegnen zu können.

Aktenzeichen BVerw G 3 C 5.23

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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