Wann eine Partnerschaft mit Unternehmen für Kommunen sinnvoll ist
Kein Geld für Wohnungsbau, Sportplätze, eine lebendige Innenstadt – viele Kommunen leiden unter immer komplexer werdenden Aufgaben, leeren Kassen und zu wenig Personal. Manche suchen für die Stadtentwicklung Unternehmen als Partner. Diese sollen und wollen über ein Unternehmensengagement dafür sorgen, dass Städte und Gemeinden wieder besser funktionieren und für Familien, Arbeitgeber oder Investoren attraktiver werden. Doch welche Chancen hat eine solche Kooperation, und welche Gefahren birgt sie? DEMO-online sprach mit Dr. Hans-Hermann Albers, Stadt- und Unternehmensberater aus Berlin sowie Mit-Herausgeber und Autor des Buchs „CSR und Stadtentwicklung“. Er mahnt: „Dass Unternehmen versuchen, ihre Interessen gegenüber der Kommune durchzusetzen, ist verständlich. Umso wichtiger ist, dass die Verwaltungen ihren Wert kennen. Und dass das Spiel offen gespielt wird.“
Herr Albers, Unternehmen als Financiers von Städten und Gemeinden – ist das die Lösung für finanzklamme Kommunen?
Nur bedingt. Als Kommune lediglich zu sagen, ich brauche Geld, und deswegen arbeite ich jetzt mit Unternehmen zusammen, ist der falsche Ansatz. Das wird sie nicht retten. Dennoch: mithilfe eines Unternehmensengagements kann eine Kommune lebenswerter werden, wenn beide die Aufgaben gemeinsam stemmen. Attraktive Kommunen ziehen Familien und Firmen an. Das wiederum füllt die Kassen der Kommunen.
Worin liegen für Kommunen die Chancen eines Unternehmensengagements?
Unternehmen können beispielsweise Wohnraum für Mitarbeiter schaffen, Sporteinrichtungen fördern, Leihräder oder Carsharing-Systeme aufbauen oder Mitarbeiter animieren, sich für soziale Projekte im Quartier zu engagieren. Es gibt viele Beispiele, wie Unternehmen positiv zur Stadtentwicklung beitragen.
Können Sie einige Beispiele nennen?
Die Molkerei Zott etwa wird ihre Verwaltung aus dem Gewerbegebiet von Mertingen, einer Kleinstadt in Bayern, ins Zentrum zurückholen. Das ist gut für die lokale Gastronomie und die Geschäfte im Stadtkern sowie gut für die Mitarbeiter von Zott, die gerne in Mertingen wohnen, kurze Wege haben, dort auch einkaufen und ihre Kinder in die Kita bringen. Das Unternehmen ist dort treibende Kraft, die Stadt zu beleben; es ist dadurch auch für Mitarbeiter attraktiver. Oder Nürnberg: Dort übernehmen Unternehmen seit Jahren Patenschaften für problematische Stadtteile. Ihr Ziel: jeder soll einen Schulabschluss machen. Sie unterstützen Bildungsprojekte – und ziehen sich gleichzeitig künftige Mitarbeiter heran. Ein Beispiel ist auch Berlin: Hier hat ein Handelskonzern im zentralen Stadtteil Friedrichshain auf dem Dach des Großmarktes einen Sportplatz errichtet. Die umliegenden Sportvereine nutzen diesen rege.
Wird die Kommune damit nicht aus der Pflicht genommen? Es ist doch ihre Aufgabe, für funktionierende Schulen oder Freizeiteinrichtungen zu sorgen…
Den Vorwurf, dass sich Kommunen aus ihrer Verantwortung stehlen, wenn sie Aufgaben an private Initiativen abgeben, höre ich oft. Er ist teilweise berechtigt. Andererseits ist es auch ganz gut, wenn Unternehmen über ihr Engagement einen Einblick bekommen, welche enormen Aufgaben eine Kommune zu stemmen hat.
Welche Aufgaben sollte eine Kommune nicht aus der Hand geben?
Es gibt Bereiche, die sind – Stichwort kommunale Daten - so sensibel, dass ich hier kaum Optionen einer Zusammenarbeit sehe. Etwa, wenn das Engagement das eigene Geschäftsfeld zu stark berührt, beispielsweise ein IT-Konzern Kindergärten mit Computern ausstattet. So was ist heikel. Jede Kommune sollte sich also fragen: Gibt´s da eine Hintertür, weswegen sich das Unternehmen in diesem und jenen Bereich engagieren will – auch wenn dieses sein Engagement öffentlich als „Engagement für die Region“ oder „für Bildung“ verkauft.
Welche Gefahren birgt eine solche Zusammenarbeit?
Das Problem Datenschutz hatte ich schon genannt. Weitere Fallstricke sind: Unternehmen stecken gerne Geld in Projekte, die schnell vermarktet werden können – wohingegen Kommunen eher von längerfristigen Projekten profitieren. Problematisch ist auch, wenn die Kommune auf den Folgekosten des privatwirtschaftlichen Engagements sitzen bleibt: wenn das Unternehmen etwa das Museum oder Stadion baut, die Stadt aber die Betriebskosten tragen muss. Oder wenn die Stadt auf die Planungshoheit verzichtet, weil der Geber das Ganze mit dem eigenen Architekten gestalten möchte – und sonst mit Rückzug droht. Die Politik vergisst dann schon mal, wem gegenüber sie verpflichtet ist: in allererster Linie dem Bürger. Auch Gestaltung ist ein öffentliches Gut.
Wie können Bürgermeister, Verwaltung sowie Stadt- und Gemeinderäte verhindern, dass sie blauäugig in eine öffentlich-private Kooperation reinrutschen oder sich und ihr Tafelsilber unter Wert verkaufen?
Indem sie das Gemeinwohl im Blick behalten: nutzt das Engagement der Firma x oder Stiftung y meiner Gemeinde langfristig? Stimmt das Werteverhältnis zwischen den Vorteilen für Kommune und Unternehmen? Dazu müssen sich Kommunen aber ihrer eigenen Wertigkeit bewusst sein. Leider erlebe ich in meinen Workshops immer wieder, dass sie das nicht sind – und ihr Gut wie etwa Grundstücke oder kulturelle Güter bedingungslos abgeben. Kennen Kommunen ihre Stärken und Schwächen, können sie mit Unternehmen ganz anders verhandeln, nämlich auf Augenhöhe. Dann wissen sie, worauf sie bauen können.
Sollten Kommunen schauen, was andere Kommunen machen?
Ja und Nein. Best-practice-Beispiele zu studieren hilft, nur zu kopieren geht meist schief. Was für Ort A funktioniert, muss nicht zwingend für Ort B funktionieren. Es braucht orts- und unternehmensspezifische Konzepte. Das Engagement von Volkswagen für Wolfsburg ist ganz anders als das der SAP AG in Walldorf.
Wann sollten Kommunen „Nein!“ zu einem angebotenen Unternehmensengagement sagen?
Wenn abzusehen ist, dass es ein einseitiger Deal wird. Wenn das Unternehmen bei den Verhandlungen dominiert und zu hohe Gegenleistungen im Raum stehen, und wenn weder Augenhöhe noch ein beidseitiger Nutzen gegeben ist. Wenn für die Kommunen die Folgekosten nicht kalkulierbar sind. Und wenn die Kommune das Gefühl hat, mit dem Engagement erpresst zu werden.
Wie finden Kommunen einen seriösen unternehmerischen Partner?
Es gibt Netzwerke und Initiativen, die hilfreich sind: z.B. den Verein „Unternehmen für die Region“. Es gibt zudem Forschungsarbeiten des Bundesumwelt- und Bundesbauministeriums. Auf Verwaltungsseite bedarf es vor allem kompetenter Ansprechpartner, die mit den Unternehmen kommunizieren und Projekte vorschlagen können. Nürnbergs Verwaltung etwa hat eine extra Regiestelle für Unternehmensengagement eingerichtet. Dieser Mitarbeiter ist Ansprechpartner für Unternehmen. Er weiß ja am besten, wo es in der Kommune klemmt – und welches Projekt für ein Engagement wirklich Sinn macht. Am besten ist, wenn Kommune und Unternehmen gemeinsam eine Engagement-Strategie verfolgen, die regelmäßig evaluiert wird. Das verhindert auch, dass sich der private Partner nur die Image fördernden Rosinen herauspickt.
Wer kontrolliert, dass für beide – Kommunen und Unternehmen – durch die Kooperation eine Win-win-Situation entsteht?
Die Verwaltung durch Transparenz. Wieviel Geld wurde in das Projekt gesteckt? Wie groß ist der Erfolg? Kontrolle üben darüber hinaus auch die Bürger aus. Das ist entscheidend, es handelt sich ja nicht nur um einen Deal zwischen Verwaltung und Unternehmen. Und wenn der Zivilgesellschaft das Projekt nicht passt, bekommt das die Kommune ohnehin sehr schnell zu spüren.
ist Journalistin, Amerikanistin und Politologin und schreibt als freie Autorin in Berlin.