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Warum der Föderalismus auch in Zeiten der Corona-Krise funktioniert

Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetags und Leipziger Oberbürgermeister, hält ein Plädoyer für das föderalistische System. „Die Corona-Epidemie stellt die Menschen vor große Herausforderungen. Aber der Staat funktioniert und die Städte sind handlungsfähig.“
von Karin Billanitsch · 27. März 2020
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Das öffentliche Leben steht still, doch die Politik ist im Krisenmodus. Gerade zu Beginn der Krise, als die ersten Fälle von Corona-Infizierten und später auch erste Todesfälle bekannt wurden, war gut zu beobachten, wie unterschiedlich die Kommunen gehandelt haben. Verbote von Menschenansammlungen mal mit 100, anderswo mit 50 Menschen oder nur zehn. Die einen greifen zum scharfen Mittel der Ausgangssperre, während bei den anderen die Biergärten in der Frühlingssonne noch voll sind. Eine Erkenntnis aus der Krise ist, dass es in Deutschland kein schlüssiges, einheitliches Bild behördlicher Maßnahmen gegeben hat und auch jetzt nicht gibt.

Kein Zentralismus

Das ist so, weil das föderalistische Prinzip ein Herzstück der Demokratie in Deutschland ist. Keinen Zentralismus, sondern ein Zusammenspiel von Kompetenzen und Zuständigkeiten in Bund, Ländern und Kommunen prägt das politische Handeln in Deutschland. Jetzt, in der Krise, hört man auch kritische Stimmen, Rufe nach einer starken Hand werden laut, Flickenteppich Kleinstaaterei, Kompetenzwirrwarr, heißt es. Angesprochen auf die Frage der DEMO, ob das Funktioniert das Prinzip des Föderalismus in der Stunde der Krise funktioniert, bricht Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetags und Leipzigs OB, eine Lanze für das dezentrale Prinzip:

„Staat funktioniert und Städte sind handlungsfähig“

„Die Corona-Epidemie stellt die Menschen vor große Herausforderungen. Aber der Staat funktioniert und die Städte sind handlungsfähig. Bund, Länder und Kommunen arbeiten eng zusammen. Nach etwas beschwerlichem Anlaufen ist es jetzt im Kern ein gemeinsames Vorgehen, auch wenn die Regelungen nicht völlig einheitlich sind. Die Ministerpräsidenten beraten gemeinsam mit der Bundesregierung gründlich, was gegen die Corona-Pandemie getan werden muss. Und in den Ländern gibt es einen Austausch zwischen Landesregierung und Kommunen. Entscheidungen sind ständig nötig, in den Krisenstäben vor Ort, auf der Landesebene und in der Bundesregierung.“

„Kommunale Selbstverwaltung ist ein Erfolgsfaktor“

Und dabei würden viele, auch neue Kommunikationswege beschritten, um ein Höchstmaß an Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen“, stellt Jung klar. „Die kommunale Selbstverwaltung ist ein Erfolgsfaktor, um die Krise zu bewältigen. Das zeigt sich täglich bei der Arbeit der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, ob in den Gesundheitsämtern, bei der Kindernotbetreuung, in den Bürgerämtern, den kommunalen Jobcentern, bei der Stadtreinigung oder den kommunalen Unternehmen, die ihren Dienst sehr engagiert leisten.

Unser Ziel ist in der jetzigen Situation, überall so schnell wie möglich die Coronavirus-Epidemie einzudämmen. Dabei kommt es darauf an, dass sich alle Menschen an die geltenden Regeln halten. Wer sich über die Regeln hinwegsetzt und sich unsolidarisch verhält, muss mit Konsequenzen rechnen. Auch in dieser Hinsicht arbeiten Städte, Länder und Bund Hand in Hand.

Analyse folgt nach dem Meistern der Krise

Wenn wir diese Krise gemeistert haben, werden wir analysieren, was noch besser laufen könnte, um uns für künftige Krisenfälle noch besser vorzubereiten. Die Fragen, wo föderale Strukturen möglicherweise das Handeln erschwert oder wo sie gerade vorteilhaft waren oder starke bundeseinheitliche Standards ergänzt werden müssen, wird man dann mit den Erfahrungen aus der Krise erörtern und gegebenenfalls neu ordnen müssen.“

Hilfspaket im Eiltempo verabschiedet

So weit sind wir heute noch nicht – sondern noch mit der akuten Bewältigung beschäftigt. Aber auch das Corona-Hilfpaket, das im Eiltempo in Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden ist, zeigt exemplarisch, dass die Zusammenarbeit funktioniert, der Bund die Länder und Kommunen unterstützt bei der Bewältigung ihrer Aufgaben, wo er kann. Die Krisenstäbe arbeiten eng zusammen. Denn auch in der jetzigen Krise gilt, dass man vor Ort in der Regel sehr genau weiß, was zu tun ist. In das Bild passen auch die jetzt beschlossenen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, bei denen dem Bundesgesundheitsminister mehr Befugnisse gegeben wurden, wenn es Meldepflichten an Grenzen oder Arzneimittelversorgung geht. Andere Rechte, zum Beispiel, dass Spahn „Einzelanweisungen“ geben kann, wurden aus dem Entwurf gestrichen. So bleibt es zum Beispiel bei Ausgangssperren nur bei Empfehlungen. Grundsätzlich bleibt der Infektionsschutz Ländersache. Es kommt weniger darauf an, dass einer zeigt, wo es lang geht – sondern darauf, dass alle an einem Strang ziehen.

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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