Warum der Zivil- und Katastrophenschutz ausgebaut werden soll
Im Bevölkerungsschutz kennt sich Ingo Schäfer ziemlich gut aus. Schon aus beruflichen Gründen, denn der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Solingen-Remscheid-Wuppertal II ist Feuerwehrmann. Kein Wunder also, dass Ingo Schäfer Berichterstatter für den Zivil- und Katastrophenschutz ist. Sein Urteil nachdem er in den vergangenen Monaten zahlreiche Gespräche mit Vertreter*innen von Verbänden und Institutionen geführt hat: Der Bevölkerungsschutz liege im Großen und Ganzen am Boden. Immerhin: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat ihren Willen bekundet, die Zivil- und Katastrophen- beziehungsweise Bevölkerungsschutz seitens des Bundes neu aufzustellen – ein Schritt, den nicht nur Ingo Schäfer begrüßt.
Ein wichtiges Signal soll die Ansage der Bundesinnenministerin an die Kommunen sein. Hintergrund: Die Landkreise und kreisfreien Städte sind für den Bevölkerungsschutz in Deutschland zuständig. Laut der im Jahr 2016 verabschiedeten „Konzeption Zivile Verteidigung“ ergänzt der Bund Einrichtungen der Allgemeinen Gefahrenabwehr, unter anderem mit Fahrzeugen und entsprechender Ausrüstung. Einrichtungen auf nationaler Ebene sind zudem das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW).
790 Millionen für THW und BBK
Letzteres wird mit seinen Fachgruppen genau wie die Bundeswehr im Rahmen der von Bund und Ländern angeforderten Amtshilfe tätig – so etwa bei der Flutkatastrophe im Ahrtal. Das BBK bildet an seiner Akademie in Ahrweiler Führungskräfte aus und berät Bund und Länder. Laut Haushaltsentwurf für das kommende Jahr soll das BBK für seine Arbeit knapp 272 Millionen Euro bekommen. Die sind rund 19,5 Millionen mehr als 2021. Für das THW sind 519 Millionen aus der Bundeskasse vorgesehen. Dies ist ein Plus von über 60 Millionen.
Doch dies alleine reicht längst nicht aus. Die kommunalen Spitzenverbände wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) und Ingo Schäfer wissen: Um den Bevölkerungsschutz ist es schlecht bestellt. So fordert der DStGB unter anderem, nicht nur Katastrophen wie Dürre, Hitze und Überschwemmung im Blick zu haben. Zu einem umfassenden Schutz der Bevölkerung gehören auch Krieg und Cyberkrieg. Auf der Forderungsliste des Verbandes stehen unter anderem ein funktionierendes Alarmsystem, eine bessere Ausstattung der Feuerwehren auf kommunaler Ebene sowie die Bevorratung von Lebensmitteln, Medikamenten und Geräten. Auch Übungen von Großschadens- und Katastrophenlagen müssten wie bis zum Fall der Mauer wieder in den Fokus gerückt werden, erklärt der DStGB. Nicht vergessen werden dürfe, die Bevölkerung zur Eigenvorsorge für mindestens 14 Tage zu ermuntern. Damit rennt der DStGB vor allem bei den am Zivil- und Katastrophenschutz beteiligten Organisationen und Institutionen auf kommunaler und Länderebene die sprichwörtlichen offenen Türen ein.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die Rufe aus dieser Richtung zumindest erhört und verspricht Abhilfe. Auch SPD-Mann Ingo Schäfer nimmt bei seinem Thema kein Blatt vor den Mund. „Eine Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass die zuständigen Ministerien in den vergangenen 16 Jahren deutlich zu wenig für den Bevölkerungsschutz getan haben. Die SPD-Fraktion im Bundestag zieht damit auch die richtigen Schlüsse aus der Flutkatastrophe vom Sommer 2021“, schreibt er in einer Mitteilung.
Eine Milliarde für den Bevölkerungsschutz
Darin hebt Ingo Schäfer in erster Linie den Nutzen der seit 2015 im Einsatz befindlichen Betreuungsreserve „Labor 5.000“ hervor. Dieses ist ein sogenanntes aus Zelten bestehendes Betreuungsmodul, das unabhängig eingesetzt werden kann. Die Kapazität beträgt 5.000 Menschen. Bislang ist ein Modul im Einsatz – im vergangenen Jahr bei der Flutkatastrophe im Ahrtal, dann als mobiles Impfzentrum und derzeit in Berlin-Tegel. Dort dient es zur Versorgung und Unterbringung ukrainischer Geflüchteter.
Gegenüber DEMO ONLINE bekräftigt Ingo Schäfer den Willen, dass mindestens jedes Bundesland ein „Labor 5000“ bekommen soll. Allerdings seien die Module mit einem Anschaffungs-Stückpreis von 29,7 Millionen Euro je Modul nicht gerade preisgünstig. Die Unterhaltskosten beziffert Ingo Schäfer mit rund 1,7 Millionen Euro jährlich – ebenfalls für jedes Modul.
Insgesamt seien mindestens eine Milliarde Euro jedes Jahr nur für den Bevölkerungsschutz notwendig, rechnet der sozialdemokratische Brandschützer vor. Experten gehen davon aus, dass dieser Betrag alleine seitens des Bundes in den kommenden zehn Jahren fließen müsse – also zehn Milliarden für die kommende Dekade. Zu tun gibt es nämlich genug, die Bundesrepublik sei in Sachen Zivilschutz in allen Bereichen schlecht aufgestellt; auch auf Ebene der Länder und Kommunen.
Der (Wieder)- Aufbau von Schutzräumen, der Schutz der Kritischen Infrastruktur, die Einführung des Cell Broadcast im Mobilfunkbereich, erneutes Erreichten von Sirenen: Die Liste ist lang, doch längst nicht vollständig. Ingo Schäfer hebt hervor, dass ebenso Zivilschutz-Hubschrauber beschafft werden sollen. Mit ihnen können Menschen aus der Luft gerettet und Waldbrände gelöscht werden. Und: „Darüber hinaus wird die Beschaffungslücke bei den Katastrophenschutz-Fahrzeugen nach Maßgabe des geltenden Gesetzes geschlossen. Momentan fehlen rund 1.400 Fahrzeuge, und das Durchschnittsalter des Bestandes beträgt rund 15 Jahre.“