Warum die SPD-Bundestagsfraktion einen „Mietenstopp“ fordert
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Die Mieten in Deutschland steigen seit Jahren. Schon jetzt geben mehr als drei Millionen Mieter*innen 40 Prozent ihres Einkommens oder mehr für das Wohnen aus. Woran liegt das?
Zanda Martens: Die Mieten steigen viel schneller als die Einkommen der Menschen. Besonders betroffen sind Menschen in den Städten, insbesondere in den größeren, und Menschen mit niedrigerem Einkommen. Je mehr Menschen in die Städte ziehen, desto knapper wird dort der Wohnraum, und die Mieten explodieren. Dieser Trend wird aktuell noch durch verschiedene wirtschaftliche Faktoren verstärkt. Fach- und Arbeitskräftemangel, Lieferkettenprobleme und teure Baumaterialien verlangsamen oder verhindern vielerorts den Wohnungsbau. Problematisch sind auch die gestiegenen Bauzinsen: Immer weniger Menschen können sich einen Wechsel aus einem Mietverhältnis ins Eigentum leisten. Das führt zu zusätzlicher Nachfrage nach Mietwohnungen. Und wahr bleibt leider auch, dass Wohnraum zu oft als Spekulationsobjekt missbraucht wird.
Die SPD-Fraktion fordert nun einen „Mietenstopp“: In Gegenden, in denen der Wohnungsmarkt als angespannt gilt, sollen die Mieten nur um sechs Prozent innerhalb von drei Jahren steigen dürfen. Reicht das aus?
Unseren Vorschlag für einen Mietenstopp muss man als Notoperation verstehen. Hier geht es gar nicht darum, dass die Mieten nie wieder steigen dürfen. Wir wollen den Mieter*innen lediglich ein wenig Luft verschaffen. Viele Menschen mussten in den letzten Jahren erleben, wie ein immer größerer Anteil ihres Einkommens schon am Monatsbeginn von der Miete aufgefressen wurde. Dazu kommen seit Beginn des Ukrainekrieges explodierende Nebenkosten. Unter dieser Doppelbelastung, die von der anhaltenden Inflation noch verschärft wird, leiden insbesondere die Einkommensschwachen. Gerade sie wollen wir Sozialdemokrat*innen nicht dem freien Markt ausliefern. Wenn die Regeln des Marktes zu Horrormieten führen, die sich kaum noch jemand leisten kann, müssen politische Regeln her.
Vertreter*innen der Wohnungswirtschaft warnen, dass ein Mietenstopp den Wohnungsbau ausbremsen würde. Wie sehen Sie das?
Sobald auch nur die kleinste Mieterschutzregelung erwähnt wird, führt es bei der Wohnungswirtschaft zur Schnappatmung. Bei genauem Hinsehen stellt sich die Lage aber immer differenzierter dar, und so ist es auch hier. Der von uns vorgeschlagene Mietenstopp erstreckt sich nicht auf Neubauten, sondern auf den Bestand: Er verhindert den Anstieg der Miete, nicht aber die grundsätzliche Festlegung der Miete bei einer neu gebauten Wohnung. Man sieht, der Investitionsanreiz bleibt vollständig erhalten.
Auch nicht richtig ist, dass große Wohnungsunternehmen zur Finanzierung von Neubau zwingend im Bestand die Miete in diesem Maße erhöhen müssen. Beispiel München: Dort gibt es seit 2018 einen kommunalen Mietenstopp, bei dem die städtischen Wohnungsgesellschaften die Mieten überhaupt nicht mehr erhöhen dürfen. Trotzdem wird dort kräftig weitergebaut. Gerade in der gegenwärtigen Krise schlägt die Stunde des kommunalen und genossenschaftlichen Bauens. Wo sich momentan keine attraktiven Gewinne mit dem Bauen verdienen lassen, aber die Menschen dennoch Wohnungen brauchen, muss halt jemand bauen, dem es nicht primär um Gewinne geht. Für die Städte immer auch eine gute Investition in die Zukunft, es ist kein verlorenes Geld, wenn der Staat in Zukunft investiert.
Auch Indexmieten und Ausnahmen von der Mietpreisbremse – etwa beim möblierten Wohnen – will die SPD-Fraktion stärker begrenzen. Sind das nicht Randerscheinungen?
Keinesfalls. In den sechs größten Städten Deutschlands werden laut Deutschem Mieterbund 30 Prozent der Neuverträge als Indexmietverträge abgeschlossen, in Berlin bis zu 70 Prozent. Indexmietverträge sind am Verbraucherpreisindex – also der Inflationsrate – orientiert. Sie ist bei Energie und Lebensmitteln immer noch sehr hoch. Das trifft insbesondere schwächere Einkommensgruppen. Diese Entwicklung hat vielfach zu Mietsteigerungen von über 10 Prozent pro Jahr geführt. Die gestiegenen Energiekosten schlagen sich also nicht nur in einer höheren Warmmiete, sondern derzeit auch noch in einer höheren Kaltmiete nieder und führen damit zu einer Doppelbelastung bei Mietern. Deshalb fordern wir die Koppelung von Indexmietverträgen an den Nettokaltmietenindex statt an den allgemeinen Verbraucherpreisindex, mindestens aber die Einführung einer maximalen Grenze für die Erhöhung von Indexmieten.
Auch das Thema möbliertes Wohnen ist ein großes Problem, wie eine aktuelle Studie nachweist. Danach muss knapp ein Drittel der Mieter*innen unfreiwillig in möbliertem Wohnraum leben. Besonders betroffen sind wieder die Einkommensschwachen. Zudem werden diese Wohnungen in der Regel zum vorübergehenden Gebrauch vermietet und umgehen mit diesem Trick die Mietpreisbremse. Um dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken, unterstützen wir den Gesetzesentwurf aus dem Bundesrat zur Stärkung des Mieterschutzes bei der Vermietung von möbliertem Wohnraum und bei der Kurzzeitvermietung von Wohnraum. Zudem sollen Verträge mit einer Mietdauer von über sechs Monaten nicht mehr als „nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet“ gelten. Dann greift auch hier wieder die Mietpreisbremse.
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist bereits vorgesehen, dass die bestehende Mietpreisbremse bis 2029 verlängert wird und qualifizierte Mietspiegel für Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohner*innen verpflichtend werden. Warum hat sich hier noch nichts getan?
Diese Frage sollten Sie mal zuständigkeitshalber an den FDP-Justizminister Marco Buschmann richten. Ausgerechnet beim Thema Mietrecht verkennt der Minister offensichtlich seine hohe Bedeutung für Millionen Mieter*innen im Mieterland Deutschland. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist aber so dramatisch und unerträglich, dass es höchste Zeit für den versprochenen Gesetzesentwurf aus dem Ministerium wird. Gleichzeitig sind die vereinbarten Änderungen, zu denen übrigens auch die Absenkung der Kappungsgrenze und die Ausweitung von Mietspiegeln gehört, juristisch sehr leicht umzusetzen. Das gilt auch für eine weitere Maßnahme aus dem Koalitionsvertrag, nämlich der Verbesserung von Schonfristzahlungen. Hiermit könnten Mietende eine drohende Kündigung bei Zahlungsrückständen verhindern. Die Umsetzung dieser Verbesserung ist besonders zeitkritisch, denn gerade in diesem und im nächsten Jahr werden aufgrund der stark angestiegenen Energiepreise viele Mietende mit Nachzahlungen rechnen müssen, die sie womöglich wegen ihrer finanziellen Belastung jetzt nicht rechtzeitig zahlen können.
Gleichzeitig kommt der Wohnungsbau deutlich schleppender voran als geplant. Der Deutsche Mieterbund schlägt deshalb ein Sondervermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro für den bezahlbaren Wohnungsbau vor. Eine gute Idee?
Selbstverständlich ist es eine gute Idee, den schleppenden Wohnungsbau finanziell zu unterstützen. Deshalb ist es sinnvoll, Haushaltsmittel für 2026/2027 schon heute für den Bau von Sozialwohnungen deutlich vorzuziehen. Dadurch können wir jetzt schon in der Bauwirtschaft mehr als 40.000 Beschäftigte absichern und unsere Ziele doch noch erreichen.
Allerdings ist Geld allein in der aktuellen Situation kein Allheilmittel: Fachkräftemangel oder gestörte Lieferketten kann man damit nicht direkt beheben. Wir sollten daher kreativ auch an andere Instrumente denken, um die Situation auf dem heutigen Wohnungsmarkt zu entspannen, – zum Beispiel bessere Möglichkeiten für einen Wohnungstausch. Wie das rechtlich vonstattengehen könnte – dazu findet Ende des Monats eine Sachverständigenanhörung im Bundestag statt. Ich bin mir sicher, dass Fachleute viele Anregungen haben, wie Politiker*innen die aktuell sehr angespannte Situation auf dem Mietmarkt verbessern können. Uns Sozialdemokrat*innen müssen sie von der Dramatik der Situation jedenfalls nicht überzeugen. Ich hoffe, dass sich auch die Marktradikalen den Interessen von mehr als der Hälfte der Bevölkerung im Mieterland Deutschland verpflichten fühlen.
Dieses Interview wurde schriftlich geführt und ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.
Dirk Bleicker
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Der studierte Politikwissenschaftler twittert unter @kai_doering.