Warum es zu wenige Frauen in der Kommunalpolitik gibt
In der Politik sind Frauen noch immer unterrepräsentiert – und in der Kommunalpolitik sogar noch mehr. Eine neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) macht das am Beispiel Brandenburg auf dramatische Weise deutlich. Nur knapp 28 Prozent der Mitglieder von Kreistagen oder Stadtverordnetenversammlungen (SSV) kreisfreier Städte sind weiblich. Zum Vergleich: Im Landtag und im Bundestag liegt der Wert bei jeweils rund 35 Prozent.
„Je ländlicher, desto männlicher”
Woran liegt das? Die Autorinnen der FES wollten das herausfinden und haben Datensätze aller Mandatsträger*innen des Brandenburgischen Landtags, der Kreistage und von vier Stadtverordnetenversammlungen ausgewertet. Außerdem wurden zehn ausführliche Interviews mit aktiven Kommunal- und Landespolitikerinnen aus unterschiedlichen Parteien geführt. Die Ergebnisse der Studie „Frauen Macht Brandenburg“ werden am Freitag veröffentlicht.
Den Forscherinnen fiel auf, dass die Frauenanteile von Landkreis zu Landkreis variieren. „Je ländlicher der Raum, desto männlicher die Parlamente“, sagt Mitautorin Christiane Bonk. Der Kreistag von Oberhavel hat einen Frauenanteil von knapp 43 Prozent, Potsdams Stadtverordnetenversammlung liegt bei 41 Prozent. Im Landkreis Spree-Neiße stellen Frauen dagegen nur 16 Prozent der Volksvertreter*innen.
Frauen in linken Parteien besser repräsentiert
Ein weiterer Faktor ist die Parteizugehörigkeit. „Je konservativer die Parlamente, desto höher ist auch der Männeranteil“, erklärt Bonk. In den untersuchten Kommunalparlamenten waren weniger als 13 Prozent der AfD-Vertreter*innen weiblich. In der SPD liegt der Anteil bei 31 Prozent, Grüne und Linke kommen sogar auf Frauenanteile von 47 und 52 Prozent.
Auch auf Führungsebene sind Frauen in der brandenburgischen Kommunalpolitik unterrepräsentiert. Nur elf Prozent der Oberbürgermeister*innen und Landrät*innen sind Frauen – genauer gesagt: Es gibt nicht eine einzige Oberbürgermeisterin im Bundesland. Von den brandenburgischen Bürgermeister*innen sind 19 Prozent Frauen.
Gründe für das Ungleichgewicht
Die FES-Autorinnen haben eine Reihe von Barrieren ausgemacht, die Frauen ein kommunalpolitisches Engagement erschweren. Ein Faktor seien Rollenbilder und Erwartungen. Teils unterschätzten Frauen auch die eigenen Fähigkeiten, beispielsweise wenn sie sich für oder gegen eine Kandidatur entscheiden. Beobachtet wurde zudem eine „stereotype Spezialisierung“: Frauen übernehmen überdurchschnittlich oft Fachthemen wie Familie und Soziales, Arbeit und Gesundheit. Sogenannte „harte“ Themen wie Wirtschaft werden vorwiegend von Männern übernommen. Teilweise wählten Frauen die Themen selbst, teils werde es auch von außen an sie herangetragen, berichtet Studien-Mitautorin Sophie Obinger.
Nach wie vor übernehmen Frauen einen deutlich größeren Teil der unbezahlten Care-Arbeit. Das erschwert kommunalpolitisches Engagement, weil viele Sitzungstermine spätabends stattfinden.
Völlig unterschätzt sei das Thema Sexismus, meinen die Autorinnen der FES-Studie. Viele Frauen berichteten ihnen von unerwünschten „Komplimenten“, anzüglichen Blicken und übergriffigem Verhalten – wenn etwa ein Mann einer Frau plötzlich über den Rücken streichelt. Mit Begriffen wie „Mäuschen“ würden Frauen verniedlicht. Im Internet und in den sozialen Medien hätten zudem Beleidigungen, Gewaltfantasien und Morddrohungen stark zugenommen.
Wie Kommunalpolitik für Frauen zugänglicher wird
Die FES-Studie belässt es nicht bei einer Zustandsbeschreibung, sondern zählt konkrete Maßnahmen auf, wie die Bedingungen für Frauen verbessert werden könnten. Ein Beispiel: Vieles werde in Männernetzwerken entschieden. Also müsse die Netzwerkarbeit von Frauen gestärkt werden. Die Vereinbarkeit von Mandat, Berufsleben und Familienarbeit müsse verbessert werden – etwa mit Terminen, die statt auf den Mittwochabend auf einen Samstagnachmittag gelegt werden.
Weitere Vorschläge der Autorinnen lauten:
- Kommunalpolitisches Engagement aufwerten und anerkennen,
- Nachwuchsgewinnung neu denken und Vorbilder sichtbar machen,
- Politische Jugendbildungsangebote vor Ort nutzen und stärken,
- Männer als „tatsächlich handelnde Akteure“ gewinnen, die aktiv beraten und unterstützen und es nicht bei Lippenbekenntnissen belassen,
- Eine diskriminierungs- und sexismussensible Kultur im politischen Alltagsgeschäft etablieren.
Die Studie „Frauen Macht Brandenburg. Daten – Fakten – Handlungsempfehlungen zur politischen Teilhabe von Frauen in Brandenburg” wird an diesem Freitag auf www.fes.de veröffentlicht.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.