Warum Sprachförderung in Kitas wichtig ist
Sprachförderung in Kitas und Schulen ist nicht Kurzstrecke, sondern ein Marathon. Darüber war man sich in einer Online-Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung einig. Die Pädagogik steht. Doch es fehlen Zeit und Fachkräfte.
Anke Thomass/photothek.net
Fachkräfte müssten nicht nur mit den aktiven, sondern auch mit den „stillen“ Kindern kommunizieren. Das erfordert eine zeitaufwändige individuelle Ansprache.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hat den neuen Koalitionsvertrag zum Anlass genommen, Expert*innen aus der Wissenschaft, Politik und Praxis zum „pädagogischen Dauerbrenner“ Sprachförderung in Kita und Schule zu befragen. CDU/CSU und SPD haben unter anderem die Wiedereinführung der Sprach-Kitas in Aussicht gestellt und eine verpflichtende Erhebung des Sprachstands aller Vierjährigen angekündigt. Die Koalitionspartner sind sich darüber einig, dass künftige Fachkräfte nur qualifiziert in den Beruf starten, wenn sie zu einer guten Kommunikation fähig sind – egal in welchem Wissensbereich sie später arbeiten.
Florian Dähne, Gastgeber seitens der FES, betonte eingangs: „Sprache ist der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe und eine wesentliche Grundlage erfolgreicher Bildung. Die Förderung sprachlicher Fähigkeiten ist deshalb eine Kernaufgabe von Kita und Schule.“ Darüber herrschte Konsens in der zweistündigen Online-Veranstaltung am Montag, zu der sich 350 Interessierte zugeschaltet hatten. Der ehemalige Staatssekretär Burkhard Jungkamp (SPD) hat sie moderiert.
Sprachförderung nicht ohne besseren Personalschlüssel
Der überwiegende Teil der Teilnehmenden dürfte sich beruflich mit der Thematik beschäftigen. Wie aus den Kommentaren im Chat ersichtlich war, bezweifelten einige, dass im Kita- und Schul-Alltag Anspruch und Wirklichkeit vereinbar seien. Denn Sprachförderung kostet Zeit und braucht Kontinuität, wenn sie nachhaltig sein soll. Und Zeit setzt ausreichend Personal voraus. Stefan Spieker ist Vorsitzender des Vorstands des Fröbel e.V. Der Verein hat bundesweit 250 Einrichtungen. „Wir brauchen einen besseren Personalschlüssel“, stellte Spieker fest. Denn in einer Gruppe dürften Fachkräfte nicht nur mit den aktiven, sondern sie müssten auch mit den „stillen“ Kindern kommunizieren. Das erfordere eine zeitaufwändige individuelle Ansprache.
Zeit ist auch im pädagogischen Konzept von Gisela Kammermeyer der herausragende Faktor. Sie ist Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit, Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau. Sie hat festgestellt, dass Kitas in der Regel organisatorisch gut aufgestellt seien. Die Fachkräfte kümmerten sich intensiv um die Kinder. „Die Anregungsqualität deutscher Kitas ist aber nur gering ausgeprägt“, bedauerte die Wissenschaftlerin hingegen. Das soll heißen, die Fachkräfte böten zu wenig Anlässe, die Kinder zum Nachdenken anregten. MiKiG (Mit Kindern im Gespräch) lautet eine Fortbildung, die Fachkräfte dazu befähigten. Zu den „Gesprächswerkzeugen“ gehören, offene Fragen zu stellen. Darauf können Kinder nicht mit einem schlichten Ja oder Nein antworten. Nachprüfungen hätten gezeigt, dass auch nach drei Jahren die bessere Sprachbildung nachwirke.
Fünf bis sieben Jahre zur vollständigen sprachlichen Integration
Sprachförderung braucht einen nahtlosen Übergang von der Kita in die Grundschule. Grundschüler*innen mit Migrationshintergrund stellten die Lehrkräfte vor zusätzliche Herausforderungen, wie Professorin Petra Stanat, Direktorin des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt Universität zu Berlin, sagte. Die Sprachkenntnisse der Kinder seien so unterschiedlich, dass sie keine allgemeingültigen Konzepte kenne. Auch sie unterstrich den Faktor Zeit: Eine vollständige sprachliche Integration benötige fünf bis sieben Jahre. Die ein- bis zwei Jahre Standard reichten bei weitem nicht.
Sascha Karolin Aulepp ist die Senatorin für Kinder und Bildung, Freie Hansestadt Bremen. Die SPD-Politikerin brachte den Faktor Eltern in die Gesprächsrunde ein. Wenn diese in Ein-Wort-Sätzen mit ihren Kindern sprächen, kämen diese allein aus diesem Grund in der Kita oder in der Schule ins Hintertreffen. Ihre Aussage wurde im Chat bestätigt: „Ich als pädagogische Fachkraft stelle leider immer wieder fest, dass Eltern den Förderbedarf ihres Kindes nicht sehen oder wahrhaben wollen oder können.“ Die Senatorin betonte: „Diese Kinder müssen früh gefördert werden. Aber wie finden wir sie?“, fragte sie. Sie sieht ebenfalls den Bedarf, dass sich Fachkräfte mit solchen Kindern individuell beschäftigen sollten. Die Sprachförderung muss nach ihrer Auffassung bis ins zehnte Lebensjahr andauern.
Bundesländer verfolgen eigene Strategien - wenn sie eine haben
Die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag werden ohne die Bundesländer nicht umgesetzt werden können, zeigte die Diskussion. Jedes Bundesland hat sein eigenes Sprachförderprogramm oder auch keines. Auch die Methoden, um den Sprachstand festzustellen, unterscheiden sich zum Teil erheblich. Politischer sowie pädagogischer Anspruch und Kita-Wirklichkeit beschäftigte die Teilnehmenden im Chat. In einem Kommentar hieß es: „Danke, es sind alles gute Vorschläge! Frage: Wie soll das gehen bei zunehmend steigender Anzahl von Personen ohne fachliche Ausbildung (Quereinsteiger*innen) und leider auch ohne Mentoring, Prozess- und wissenschaftliche Begleitung in den pädagogischen Handlungsfeldern Kitas und Grundschulen?“ Fazit der Diskussion: Die Bekämpfung des Fachkräftemangels beginnt schon in der Kita. Doch genau die leiden unter dem Fachkräftemangel.
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu