Was dem Spielen mit Freund*innen im Weg steht
„Kinder brauchen das gemeinsame Spiel drinnen und draußen“, betont Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Genau das kommt in der Realität aber manchmal zu kurz. Dies liegt nicht nur an den Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie. Besonders in verdichteten Städten fehlen Spielgelegenheiten, weil Kinder weder einen eigenen Garten noch einen nahegelegenen Spielplatz nutzen können.
Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) lässt regelmäßig abfragen, welchen Verbesserungsbedarf Kinder und Jugendliche sehen. Den Kinderreport 2020 hat Giffey am Montag gemeinsam mit DKHW-Präsident Thomas Krüger vorgestellt. Für den Report wurden 624 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren befragt sowie 1.644 Erwachsene. Die Ergebnisse seien „als direkter Handlungsauftrag für Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zu verstehen, wenn es darum geht, das Draußenspiel von Kindern zu erleichtern und zu fördern“, erklärte Krüger.
Es fehlen Zeit und Spielkamerad*innen
Einige Ergebnisse: 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen messen dem Draußenspielen eine große oder sehr große Bedeutung bei. (Die erwachsenen Befragten meinten dies sogar zu fast 100 Prozent.) Doch es gibt häufig Hindernisse, die sie vom Spielen an der frischen Luft abhalten. 54 Prozent der befragten Heranwachsenden gaben an, es fehlten andere Kinder zum Spielen. 46 Prozent bemängelten, sie hätten nicht genügend Zeit. 35 Prozent sagten, der Straßenverkehr sei zum Draußenspielen zu gefährlich.
Unter den Erwachsenen treibt die Angst vor dem Verkehr sogar fast zwei Drittel der Befragten um. Ebenso viele Erwachsene waren der Meinung, der Nachwuchs werde von anderen Kindern und Jugendlichen belästigt, geärgert oder geängstigt.
Von der Tür zum Spielplatz
Um das Draußenspielen zu erleichtern, wünschen sich 92 Prozent der Kinder und Jugendlichen eine bessere Erreichbarkeit von Orten zum Draußenspielen. Etwa durch kostenlose Busse und Bahnen, sichere Radwege oder grüne Wegeverbindungen. 88 Prozent plädierten für mehr Spielorte in der direkten Nähe ihrer Wohnung. Konkret sprachen sich 87 Prozent der Kinder und Jugendlichen für Spielstraßen im Wohnumfeld aus, 86 Prozent nannten naturbelassene Flächen (Naturerfahrungsräume) als sinnvolle Maßnahme. 84 Prozent befürworteten Spielmöglichkeiten an der Schule, vor allem im Rahmen von Ganztagsschulen. Lediglich 52 Prozent der Kinder und Jugendlichen schlossen sich der Forderung nach Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit an.
Bei den Erwachsenen lehnte sogar eine Mehrheit von 53 Prozent Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit ab. Die übrigen genannten Maßnahmen kommen auch bei dieser Gruppe auf sehr hohe Zustimmungswerte.
Fehlende Mitbestimmung
Bei der Stadt- und Freiflächenplanung fühlen sich Kinder und Jugendliche nicht ausreichend eingebunden. Nur 22 Prozent meinten, sie hätten gute Mitbestimmungsmöglichkeiten. 69 Prozent beurteilten diese als schlecht oder sehr schlecht. Von den Erwachsenen schätzen immerhin 32 Prozent die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Kinder als gut ein.
Für Familienministerin Giffey drängt darauf, Kinder bei kommunalpolitischen Entscheidungen stärker einzubeziehen. Dies sei eine „ganz essenzielle Zukunftsfrage“. Kinderrechte müssten im Grundgesetz verankert werden, „damit auf lange Sicht jede Stadt oder Gemeinde eine kinderfreundliche Kommune wird“, sagte sie bei der Präsentation des Kinderreports 2020.
„Kinderfreundliche Kommunen“ ist auch der Titel eines Programmes, mit dem die UN-Kinderrechtskonvention auf kommunaler Ebene umgesetzt werden soll. Das Bundesfamilienministerium fördert die Initiative. 29 Kommunen hätten bisher das Label „kinderfreundlich“ erhalten, sagte Giffey.
Fortschritte in Sachen Kinderfreundlichkeit lassen sich auch während der Corona-Pandemie erzielen. Die Familienministerin verwies etwa auf die Berliner Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln: Dort wurden jüngst temporäre Spielstraßen eingerichtet, um mehr Platz für das Spielen im Freien zu schaffen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.