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Wasserstoff: Mineralwasser der Energiewende

Wasserstoff zum Heizen zu nutzen, sei unrentabel, sagen Experten. Dennoch plant Hamburg genau das. Warum?
von Susanne Dohrn · 6. März 2024
Bestehende Erdgasinfrastrukturen enthalten sehr unterschiedliche Materialien und Komponenten. Gasnetz Hamburg prüft jetzt bei einem Projekt in Harburg, welche technischen Veränderungen notwendig sind, um Rohre und Anschlüsse zur Versorgung mit grünem Wasserstoff einzusetzen.

Wasserstoff steckt voller Energie. Wenn er verbrennt, entsteht Wasserdampf. Deshalb gilt mit regenerativem Strom erzeugter grüner Wasserstoff als Schlüsselelement für das Gelingen der Energiewende. Der kostbare Energielieferant soll insbesondere der Industrie die Möglichkeit bieten, ihre Produktion klimaneutral zu gestalten. In Hamburg sind die Vorbereitungen dazu schon weit fortgeschritten.

Wasserstoff, chemisch H2, soll bis 2030 rund ein Drittel des Gasverbrauchs ersetzen, so das Ziel der Hamburger Umweltbehörde. „2022 betrug der Gesamtstromverbrauch in Hamburg 10,4 Terrawattstunden (TWh). Beim Gasverbrauch waren es mehr als 20 TWh. Diese Menge können wir nicht mit Strom ersetzen“, begründet Bernd Eilitz vom städtischen Tochterunternehmen Gasnetz Hamburg die Wasserstoff-Pläne der Hansestadt.

Wasserstoff für die Industrie

An erster Stelle der künftigen Nutzer stehen Hamburgs energieintensive Unternehmen, die Kupfer oder Stahl produzieren, sowie die Logistik auf dem Flughafen in Fuhlsbüttel. Sie sollen an das Hamburger Wasserstoff-Industrie-Netz (HH-WIN) angeschlossen werden. Es soll 2027 in Betrieb gehen und bis spätestens 2030 einen Großteil der Industrieunternehmen mit regenerativ erzeugtem Wasserstoff versorgen. Der wird als grüner Ammoniak (NH3) auf einer Elbinsel im Hafen angelandet und dort in Wasserstoff umgewandelt.

Geplant ist zudem der Bau eines Elektrolyseurs, der grünen Wasserstoff erzeugen soll. Bei der Gebäude-Wärme hingegen setzt Hamburg vor allem auf Wärmepumpen und Fernwärme. Mit einer Kilowattstunde (kWh) regenerativen Stroms können 3,3 kWh Erdgas eingespart werden. Nutzt man 1 kWh zur Herstellung von Wasserstoff, um damit zu Heizen, würden nur noch 0,6 kWh eingespart werden, rechnet das Umweltbundesamt vor.

Bestehendes Gasnetz nutzbar? 

Um eine weitere Option für die Wärmeversorgung von Haushalten zur Verfügung zu haben, testet Gasnetz Hamburg zudem, wie aufwendig es ist, das bestehende Gasnetz auf Wasserstoff umzustellen. „Die kommunale Wärmeplanung legt fest, wo zukünftig Wärmenetze verlaufen. Die Leitungen erreichen aber längst nicht die ganze Stadt. Es könnte also schwierig werden, das Stromnetz in allen Stadtteilen ausreichend zu ertüchtigen, wenn 2045 das Aus für die klassischen Erdgasheizungen kommt“, fürchtet man beim Gasnetzbetreiber.

Hinzu komme, dass Wärmepumpen, besonders bei schlecht gedämmten Altbauten, keine Alternative zur Gasheizung seien. Zudem kann ein Gasnetz als Energiespeicher genutzt werden. „Beim Strom muss zeitgleich immer so viel Strom ins Netz gespeist werden, wie die Kunden abnehmen. Im Gasnetz spielen kleinere Druckschwankungen keine Rolle“, so Eilitz.

Pilotprojekt in Hamburg-Harburg

Das Pilotprojekt im Stadtteil Hamburg-Harburg liegt mitten in einem der geplanten HH-WIN-Netzcluster. Es besteht aus dem Technologiepark Tempowerk mit seinem Blockheizkraftwerk, einem Wohngebiet mit Einzelhäusern älterer Bauart, einer Turnhalle und einem Schwimmbad. Insgesamt sind es 16 Anschlüsse.

Bislang werden sie mit Erdgas versorgt, ab 2027 sollen sie mit Wasserstoff beliefert werden. Das fließt durch ein Leitungsnetz, dessen Anschlüsse, Leitungsmaterialien und Baujahre der einzelnen Rohrabschnitte dem Durchschnitt des Hamburger Gasnetzes entsprechen – ideal für ein Testgebiet. „Das Wasserstoffmolekül ist kleiner als CH4 (Methan), das dominierende Molekül im Erdgas. Es kann durch minimale poröse Leitungsabschnitte schlüpfen, durch die Erdgas nicht austreten würde“, sagt Eilitz. 

Testlauf für die ganze Stadt

Deshalb werden nun nach und nach alle Leitungen, Verbindungsstücke, Anschlüsse und Hausleitungen auf ihre Dichtigkeit und Haltbarkeit für die Umstellung auf Wasserstoff geprüft. Für die Hauseigentümer bedeutet das: Sie müssen sich keine Gedanken über den Kauf einer neuen Heizungsanlage machen, denn sie erhalten im Rahmen des Pilotprojekts ein Heizgerät gestellt, das 100 Prozent Wasserstoff verbrennen kann. Solche Geräte sollen 2024 auf den Markt kommen. Wenn das Pilotprojekt positiv verläuft, könnte Wasserstoff auch in anderen Hamburger Stadtteilen klimafreundliches Heizen ermöglichen, so Eilitz. Noch gelte Wasserstoff als Champagner der Energiewende. „Wir arbeiten daran, dass er zum Mineralwasser der Energiewende wird.“

Autor*in
Susanne Dohrn

ist freie Autorin und SPD-Ratsfrau in Tornesch

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