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Wie der ÖPNV ausgebremst wird

Energie, Personal und Material: Alles wird teurer. Im Nahverkehr drohen Kürzungen des Angebots und höhere Preise. Ein ursprünglich geplanter Ausbaupakt des Bundes lag schon vor dem Bruch der Ampel-Koalition praktisch auf Eis.

von Karin Billanitsch · 6. November 2024
SPNV

Angebote im Schienennahverkehr werden in mehreren Bundesländern geprüft. 

Immer mehr Menschen sind mit Bussen und Bahnen unterwegs, das zeigt die Statistik: Im ersten Halbjahr gab es laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes sechs Prozent mehr Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) als im ersten Halbjahr 2023. ÖPNV bezeichnet alle Nahverkehrsleistungen, die im öffentlichen Interesse erbracht werden, vor allem Busse (Stadtbus, Regionalbus) und Bahnen (U-Bahn, Straßenbahn, sowie auch Eisenbahn/SPNV). 

Unter anderem dürfte zu diesem Andrang das am 1. Mai 2023 eingeführte Deutschlandticket beigetragen haben. Insgesamt zählten die Statistiker rund 5,6 Milliarden Fahrgäste. Besonders großen Zuwachs gab es mit plus 12 Prozent im Eisenbahnnahverkehr, wo die Zahl der Reisenden um 12 Prozent auf über 1,3 Milliarden angestiegen ist. 

Verbindungen auf dem Prüfstand

Trotz der anziehenden Nachfrage hat eine Diskussion um Kürzungen des Angebots begonnen. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) hat bereits im August den endgültigen Plan zu Bahn-Abbestellungen vorgelegt. Schon zum Fahrplanwechsel im Dezember 2024 sollen Züge gestrichen werden – zu „Randzeiten“ und „weniger als 1,5 Prozent aller Verbindungen im Land“, wie Madsen bei der Veröffentlichung betonte. Gleichwohl nannte er die Abbestellungen „schmerzhaft und sicher nicht das Signal, das wir senden wollten“. 

Auch andere Länder denken über ein reduziertes Angebot im Schienen-Nahverkehr nach, wie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Das teilte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auf Anfrage der „Passauer Neue Presse“ mit. In Baden-Württemberg sind dagegen mögliche Kürzungen vom Tisch. Es gebe keine konkreten Abbestellungen des Zug-Angebots, zitierte der Sender Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). 

In Rheinland-Pfalz denkt Mobilitätsministerin Katrin Eder (Grüne) darüber nach, wie das ÖPNV-Angebot angesichts der schwierigen Finanzlage angepasst werden kann. Das Thema wurde Mitte Oktober in einer Sondersitzung des Mobilitätsausschusses im Landtag diskutiert. Laut SWR sagte Eder, das derzeitige Bus-Angebot werde geprüft. Das sei ganz normal in einer angespannten Haushaltslage.

Preise für Gelegenheitsnutzer steigen

Andernorts werden zwar keine Kürzungen geplant, dafür aber 2025 die Ticketpreise deutlich erhöht, wie zum Beispiel in den Verkehrsverbünden in Augsburg (plus 12,7 Prozent), Rhein-Sieg (plus 10,4 Prozent), Berlin-Brandenburg (plus 6,7 Prozent), Hannover (plus 7 Prozent) und München (plus 4,4 Prozent).

Die Diskussionen machen deutlich, dass die Anbieter von Nahverkehrsleistungen mit finanziellen Problemen kämpfen. Dazu tragen mehrere Gründe bei: die Kosten für Material, Reparaturen, Energie und Personal sind gestiegen. Finanziert wird das Angebot durch die Fahrpreise und öffentliche Mittel. 

Der Bund beteiligt sich mit den sogenannten Regionalisierungsmitteln an den Kosten des ÖPNV, insbesondere am Schienennahverkehr. Im Jahr 2024 fließen so insgesamt 12,7 Milliarden Euro an die Länder, davon 1,5 Millionen Euro für das Deutschlandticket. Wichtig für die Finanzierung der Nahverkehrsunternehmen sind auch Förderprogramme in den Ländern und kommunale Zuschüsse. 

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, warnte vor Kurzem gegenüber Tagesspiegel Background: „Es wird in der momentanen Finanzlage der Kommunen derzeit immer schwieriger den Status Quo aufrecht zu erhalten – geschweige denn in den Ausbau zu investieren. Es braucht dringend einen Investitionsschub von Bund und Ländern. Besonders für den ÖPNV fehlen die finanziellen Mittel.“ 

Ausbau- und Modernisierungspakt für ÖPNV auf Eis

Die aktuellen Diskussionen finden zu einem Zeitpunkt statt, wo der ÖPNV eigentlich ausgebaut werden sollte, um eine nachhaltige Verkehrswende voranzutreiben und die Klimaziele zu erreichen. Die Ampelkoalition wollte das mit dem geplanten „Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV“ erreichen, der im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Der Pakt sieht unter anderem Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur ebenso vor wie in moderne, emissionsarme Fahrzeugflotten.

Doch schon bevor die Ampel-Koalition am Mittwochabend auseinandergebrochen ist, sah es nicht so aus, als ob der Ausbau- und Modernisierungspakt noch wie geplant umgesetzt wird. Dabei war dieser eigentlich ausverhandelt, wie Dedy erklärte: „Seither warten wir in den Städten und auch die Länder auf einen Finanzierungsbeitrag des Bundes.” 

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Kröber, der dem Verkehrsausschuss angehört, sagte der DEMO: „Seitdem sich die finanzielle Situation des Bundes verschlechtert hat, stagniert das Ganze.“ Und weil ein (bisheriger) Koalitionspartner nicht bereit sei, weitere Mittel zur Verfügung stellen, könne der Pakt nach Lage der Dinge nicht mehr kommen, so Kröber. 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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