Wie die Baulandkommission Wohnraum schaffen will
In vielen Städten ist Bauland rar – und wird immer teurer. Das trägt zu rasant steigenden Mieten bei. Die Bundesregierung hat deshalb eine Expertenkommission eingesetzt, die sich mit Nachhaltiger Baulandmobilisierung und Bodenpolitik befassen sollte. Nach neun Monaten Arbeit hat die Baulandkommission am Dienstag ein Papier mit Handlungsempfehlungen vorgelegt. Ziel ist es, den Kommunen mehr Instrumente an die Hand zu geben, um eine nachhaltige Liegenschaftspolitik betreiben zu können.
Das sind die Empfehlungen
Die Kommission schlägt unter anderem vor:
- Bund, Länder und Kommunen sollen Grundstücke in Zukunft einfacher verbilligt abgeben können, um diese für preisgedämpfte Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Hierfür sollen die haushaltsrechtlichen Vorgaben angepasst werden.
- Wohnen soll im Baugesetzbuch ausdrücklich als Allgemeinwohl definiert werden. Damit würde es einfacher werden, von bestehenden Bebauungsplänen abzuweichen, also eine Befreiung von den Festsetzungen des B-Plans zu erteilen. Voraussetzung ist, dass die Gemeinde zustimmt.
- Um innerorts geförderten oder bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sollen vereinfachte – sogenannte sektorale – Baupläne beschlossen werden können. Die Kommission empfiehlt, diese Möglichkeit zunächst bis Ende 2024 zu befristen.
- Für Kommunen soll es leichter werden das Baugebot anzuwenden. Das würde den Druck auf Grundstückseigentümer erhöhen, Baulücken auch tatsächlich zu bebauen.
- Die Frist für Kommunen, ihr Vorkaufsrecht auszuüben, soll von zwei auf drei Monate verlängert werden. Ein solches Vorkaufsrecht gibt es zum Beispiel in Milieuschutzgebieten. Künftig soll es auch für Schrottimmobilien ein Vorkaufsrecht geben, schlägt die Kommission vor. Diskutiert werden solle auch, ob ein Satzungsrecht für Gemeinden mit angespannten Wohnungslagen geschaffen werden könne, um ein Vorkaufsrecht an brachgefallenen oder unbebauten Grundstücken im gesamten Gemeindegebiet begründen zu können.
- Die Baunutzungsverordnung soll flexibilisiert werden, um den Dachgeschossausbau zu erleichtern.
- Eine neue Baugebietskategorie „Dörfliches Wohngebiet“ soll eingeführt werden, um ein engeres Nebeneinander von Wohnen, landwirtschaftlichen Betrieben und Gewerbe zu ermöglichen.
- Um Wohnraum zu schaffen, sollen Eingriffe in Natur und Landschaft stärker als bisher durch Ausgleichszahlungen ermöglicht werden. Diese müssten zweckgebunden in den Naturschutz und die Landschaftspflege fließen.
- Eine sogenannte Experimentierklausel für den Lärmschutz könnte helfen, Nutzungskonflikte variabler zu lösen, die zwischen Gewerbebetrieben und heranrückender Wohnbebauung entstehen. Zum Beispiel mit dem Einbau von Schallschutzfenstern. Auch in Bezug auf Gerüche sollen die Vorgaben angepasst werden, etwa indem die Gerüche unterschiedlicher Tierarten verschieden gewichtet werden.
- Die Umnutzung von landwirtschaftlichen Gebäuden in Wohnungen soll erleichtert werden. Statt drei Wohnungen pro Hofstelle sollen künftig fünf genehmigt werden können.
- Bund und Länder sollen sich finanziell stärker an der Reaktivierung von Brachen beteiligen.
- Die Kommission empfiehlt, eine Senkung der Grunderwerbssteuer zu prüfen. Auch soll geprüft werden, wie eine doppelte Steuerbelastung vermieden werden kann, wenn Kommunen als Zwischenhändler auftreten – also ein Grundstück selbst erwerben, um es an Dritte weiter zu veräußern, die dann dort Wohnungen bauen.
- Zugleich soll eine rechtssichere Regelung geschaffen werden, um „Share Deals“ einzuschränken. Diese sind eine Strategie, mit der manche Immobilienunternehmen die Grundsteuer oder ein kommunales Vorkaufsrecht umgehen. Zum Beispiel, indem statt des Grundstückes Gesellschafteranteile des Besitzers verkauft werden.
- Bund, Länder und Kommunen sollen die Digitalisierung von Planungs-, Beteiligungs- und Genehmigungsprozessen vorantreiben.
- Das Personal in den Planungsämtern und anderen wichtigen Einrichtungen soll erhöht werden. Zu diesem Zweck sei eine Ausbildungsoffensive zu starten.
Vertreter aus Politik, Verbänden und Wissenschaft
Der Kommission gehörten Vertreter der schwarz-roten Koalition im Bund, der Länder sowie der kommunalen Spitzenverbände an. Auch Verbände der Wohnungs-, Immobilien-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik sowie der Mieterbund wirkten in der Kommission mit, zudem Experten aus Wissenschaft und kommunaler Praxis. Den Vorsitz hatte Marco Wanderwitz inne, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium.
In einer Protokollerklärung weisen die Länder Brandenburg und Nordrhein-Westfalen darauf hin, dass die Kommunen bei den Altschulden entlastet werden müssten. Denn diese seien ein Investitionshemmnis, etwa für kommunale Wohnungsbauunternehmen. Einen finanzielle Entlastung sei auch nötig, damit Kommunen sich eine vorausschauende Bodenpolitik überhaupt leisten können.
Die stellvertretende Vorsitzende der Kommission, Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeld (SPD), zeigte sich mit den Ergebnissen zufrieden. „Der zunehmende Wachstumsdruck, der große Mangel an bezahlbarem Wohnraum und bezahlbarem Bauland insbesondere in den Städten und Ballungszentren fordern von allen beteiligten Akteuren mehr denn je eine nachhaltige und sozial orientierte Stadtentwicklungs- und Bodenpolitik“, so Stapelfeld. Nachdem nun Reformvorschläge erarbeitet worden seien, komme es darauf an, eine Novelle des Baugesetzbuches in Gang zu setzen.
Link zum Bericht
bmi.bund.de (PDF)
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.