Wie die Länder-Chefs ihre Kommunen stärken wollen
Geldsorgen, fehlende Mitsprache, schleppende Digitalisierung: Die Ministerpräsident*innen der 16 Bundesländer haben einen Beschluss gefasst, der auf die Nöte der Kommunen eingeht. Die kommunalen Spitzenverbände lobten, die beschlossenen Punkte gingen „in die richtige Richtung“.
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In Leipzig kamen die Regierungschef*innen der 16 Bundesländer zu ihrer Jahreskonferenz zusammen.
Oft genug klagen die Kommunen, sie würden bei wichtigen Entscheidungen der Bundes- oder Landesebene nicht ausreichend eingebunden. Nun sendeten die Regierungschef*innen der 16 Bundesländer ein klares Signal an die Städte und Gemeinden. Zur Jahrestagung der Ministerpräsident*innenkonferenz (MPK) in Leipzig wurden die Präsidenten der drei kommunalen Spitzenverbände eingeladen, also Deutscher Landkreistag (DLT), Deutscher Städtetag (DST) und Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB).
Zu besprechen gab es einiges. Die am Donnerstag vorgestellte Steuerschätzung hat die Finanzsorgen der Kommunen weiter verschärft. Demnach fehlen ihnen allein in diesem Jahr 600 Millionen Euro an eingeplanten Steuereinnahmen. Schon vorher waren die Spitzenverbände davon ausgegangen, dass die Kommunen 2024 ein Rekorddefizit von mehr als 13 Milliarden Euro verzeichnen werden. Aber auch die hohe Zahl Asylsuchender treibt die Kommunen um. Seit langem weisen sie darauf hin, dass sie sich bei der Unterbringung und Integration der Geflüchteten nicht genügend unterstützt fühlen. Und bei der Digitalisierung der Verwaltungen kommt Deutschland bisher nur langsam voran.
Von Anerkennung bis Zahlungsfragen
Nun hat die MPK einen Beschluss gefasst mit dem Titel „Starke Kommunen, starkes Land“. Im Kern geht es um vier Themen:
Anerkennung für Kommunalpolitik: Die Länderchef*innen betonen die Bedeutung der verfassungsrechtlich verbürgten kommunalen Selbstverwaltung und bekennen sich zur „herausgehobenen Stellung der Kommunalvertretungen“. Ehrenamtliches Engagement dort erfordere einen „besonderen Schutz vor Hass und Hetze“.
Mehr Mitsprache: Die MPK kritisiert, dass Gesetzentwürfe immer häufiger im Schnellverfahren erarbeitet und beschlossen würden. Der Austausch mit den Praktiker*innen vor Ort bleibe dabei zu oft auf der Strecke, was zu handwerklichen Fehlern führe. Die Länderchef*innen halten es für notwendig, „dass bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen wieder ausreichend Zeit für die Beteiligung der Länder und Kommunalen Spitzenverbände einzuräumen ist“.
Ausreichend Geld und weniger Bürokratie: Die finanzielle und personelle Belastung der Kommunen sei gestiegen, ohne dass der Bund in ausreichendem Maße für die Mehrkosten aufgekommen sei, kritisiert die MPK – und verweist zum Beispiel auf gestiegene Sozialausgaben. Die Länder können oder wollen für vom Bund verursachte Mehrbelastungen nicht aufkommen. Sie fordern: Der Bund müsse „beim Erlass der Gesetze die Lage der Kommunen stärker in den Blick nehmen, die finanziellen und personellen Folgen … für die kommunale Ebene genauer analysieren, bürokratische Belastungen abbauen und die Länder in die Lage versetzen, ihren Verpflichtungen aus dem Konnexitätsprinzip gegenüber den Kommunen gerecht werden zu können“. Wenn der Bund neue Aufgaben an Kommunen überträgt, müsse es eine dauerhafte und vollständige Kompensation für die Mehrbelastungen geben. Das gelte auch für erhöhte Standards oder die Digitalisierung von Prozessen. Wie sich die Kosten tatsächlich entwickeln, müsse zudem vom Bund regelmäßig überprüft werden. Außerdem wollen die Länder das Förderrecht vereinfachen, die Zahl der Fachförderrichtlinien reduzieren und die Verfahren entbürokratisieren.
Digitalisierung vorantreiben: „Eine moderne Verwaltung kommuniziert digital, arbeitet schnell und effizient und greift auf bereits vorhandene Daten zurück“, heißt es im MPK-Beschluss. Im besten Fall erbringe die Verwaltung Leistungen proaktiv, ohne dass erst ein Antrag gestellt werden muss – etwa auf Kindergeld oder die Verlängerung des abgelaufenen Personalausweises. Und bei Verfahren, bei denen die Behörde ohnehin keinen Ermessensspielraum habe, könne Künstliche Intelligenz die Mitarbeitenden unterstützen. Die Länderchef*innen bitten den Bund, „solche Bundesleistungen zu identifizieren, die proaktiv, automatisiert und antragslos vollzogen werden können“.
Spitzenverbände begrüßen die Initiative
Die Reaktion der Kommunen auf den Beschluss fiel grundsätzlich positiv aus. Er „geht in die richtige Richtung und betont die zentrale Rolle der Kommunen für unser Land“, erklärten die Präsidenten Markus Lewe (DST), Achim Brötel (DLT) und DStGB-Vizepräsident Ralph Spiegler. Jetzt gehe es darum, die beschlossenen Punkte mit Leben zu füllen und umzusetzen. „Die Finanzprognosen zeigen sehr deutlich, dass die Kommunen dringend finanziell besser ausgestattet werden müssen, wenn sie handlungsfähig bleiben sollen. Wir erwarten, dass Bund und Länder dies erkennen und die Kommunalfinanzen strukturell dauerhaft stärken“, so Lewe, Brötel und Spiegler.
Die Ministerpräsident*innenkonferenz hat mehrere weitere Beschlüsse zu kommunalen Themen gefasst. In einem Zwischenfazit zur Migrations- und Flüchtlingspolitik heißt es: Viele der vor einem Jahr mit dem Bund verabredeten Maßnahmen, um irreguläre Migration zu begrenzen, hätten begonnen, ihre Wirkung zu entfalten. Besprochen wurde auch, wie es mit dem Digitalpakt Schule weitergeht und wie die kommunale Wärmeplanung finanziert werden soll. Alle Beschlüsse sind unter diesem Link zu finden:
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.