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Wie Digitalisierung die soziale Arbeit verändert

Die Digitalisierung verändert nicht nur Industrie, Wissenschaft und Verwaltung, sondern auch die Arbeit der sozialen Dienste und Einrichtungen. Die Caritas hat dieses Thema in ihrer neuen Kampagne „sozial braucht digital“ aufgegriffen.
von Karin Billanitsch · 17. Januar 2019
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Die Digitalisierung bestimmt längst den Alltag vieler Menschen, nicht nur der Jungen. Großeltern skypen mit ihren Enkeln oder lassen sich Lebensmittel aus dem Supermarkt bis vor die Haustür liefern. Chatten auf dem Smartphone, eine Reise per Mausklick buchen: All das gehört längst zu Lebenswirklichkeit. Laut einer Studie von der Initiative D 21 nutzen 80 Prozent der Deutschen das Internet in ihrem Alltag ganz selbstverständlich. Diese Entwicklung betrifft auch die soziale Arbeit der Wohlfahrtsverbände in Deutschland.

Digitale Transformation der sozialen Arbeit

„Soziale Arbeit braucht auch digitale Zugäne, Tools und Möglichkeiten, um umfassend nah bei den Menschen zu sein“, sagt Prälat Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, bei einem Pressetermin in Berlin. Noch immer läge das politische Augenmerk fast ausschließlich auf der Digitalisierung der Wirtschaft und der Wissenschaft. „Die Entwicklung einer digitalen Gesellschaft, die dem Menschen dient, erfordert aber einen weiteren Blick“, betonte Neher.

Neher zählt ganz konkret auf, worum es dabei geht: Wie können digitale Möglichkeiten in der Behinderten- und Altenpflege, in Krankenhäusern und Kindertagesstätten, und in der Beratung die Arbeit unterstützen? Welche Kanäle nutzen Ratsuchende, und wie erreichen sie umgekehrt die Angebote der Hilfe-Plattformen? Um ein Bewusstsein für das komplexe Thema zu schaffen, will die Caritas 2019 mit einer Kampagne unter dem Motto „sozial braucht digital“ die Debatte befördern.

Virtual-Reality-Brillen im Altenzentrum

Die Anwendungsmöglichkeiten sind sehr breit: So werden in einem Kölner Altenzentrum Virtual-Reality-Brillen verwendet, damit ein Rundgang durch den Kölner Dom auch für Gebrechliche möglich ist, die den Ausflug körperlich nicht mehr schaffen. Eine Einrichtung der Caritas im Erzbistum München und Freising testet sogar einen Pflegeroboter, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Pflegekräfte können durch intelligente Robotik entlastet werden.  entlastet werden. Erzieherinnen können Tablet, App und Co in den erzieherischen Alltag integrieren.

Auch das Ehrenamt – ein wichtiger Pfeiler der Zivilgesellschaft vor Ort in den Kommunen – kommt an digitalen Kommunikationsmedien nicht vorbei: So hat zum Beispiel der Caritasverband für die Diözese Osnabrück die Anwendung („Anpacker App“) entwickelt. Sie soll laut der Spezialausgabe der hauseigenen Zeitschrift „Sozialcourage“ nicht nur Organisationen und Kirchengemeinden aus dem Umfeld der Caritas abbilden, sondern „alle releanten Engagementmöglichkeiten“ der Region abdecken. Bisher konnten demnach im Bereich des Diözesan-Caritasverbandes Osnabrück Kooperationen mit der Stadt und dem Landkreis Osnabrück, dem Landkreis Emsland sowie mit Ehrenamtsinitiativen auf kommunaler Ebene aufgebaut werden.

Online-Beratung der Caritas wird neu aufgestellt

Zwar gibt es digitale Beratungsangebote bei der Caritas bereits seit dem Jahr 2006, in mittlerweile 15 Themenfeldern und 30.000 Nutzern im Jahr. Doch die Online-Beratung soll „konzeptionell, technisch und organisatorisch auf völlig neue Füße gestellt“ werden, kündigte Prälat Neher an. Aufgebaut wird eine digitale Beratungsplattform, die den Hilfes suchenden Menschen verschiedene Kommunikationswege ermöglicht: Mail, Chat, Sprachnachricht, Telefon und schließlich auch Face-to-Face.

Das Bundesfamilienministerium unter der Führung von Katarina Barley (SPD) unterstützt dieses Projekt mit 500.000 Euro. Hintergrund: Die Bundesfamilienministerin fördert die Mitgliedsverbände der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (neben dem Deutschen Caritasverband sind das die Arbeiterwohlfahrt, die Diakonie Deutschland, das Deutsche Rote Kreuz, der Paritätische und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) den Angaben zufolge mit 3,3 Millionen Euro.

Barley: „Soziale Infrastruktur 4.0 gestalten“

Bundesjustizministerin Barley sieht in den digitalen Techniken viel Potenzial für den sozialen Sektor: „Wir müssen die Möglichkeiten, die uns der digitale Wandel bietet, aber noch besser nutzen. Es geht darum, eine soziale Infrastruktur 4.0 zu gestalten. Dafür sind die Wohlfahrtsverbände als zentrale Säule unseres Sozialstaates unverzichtbar“, sagte sie einmal anlässlich eines Treffens mit den Beteiligten in Berlin. Ihr Ministerium hat sich eine „digitale Agenda für eine lebenswerte Gesellschaft“ auf die Fahnen geschrieben.

Neher wies außerdem darauf hin, dass die Digitalisierung auch auf Skepsis und Vorbehalte stößt. "Beide Perspektiven haben ihre Berechtigung. Wer nur bei den Risiken stehenbleibt, ohne über Lösungen nachzudenken, blendet die Chancen der Digitalisierung aus", so Neher. Die Caritas-Kampagne wolle die Chancen deutlich machen – zugleich aber auch die Risiken in den Blick nehmen und Lösungen anbieten.

Problem: Finanzierungsstrukturen

Beim Zusammenspiel analoger und digitaler Beratung können aber mit Blick auf die Finanzierungsstrukturen Probleme entstehen. „Die Finanzierungsstrukturen, die sich an regionalen Grenzen orientieren, erweisen sich als Hemmschuh, wenn es um eine Bundesweit agierende Plattform geht. Neher verdeutlichte das an einem Beispiel: Eine Beraterin aus München berate eine Hilfesuchenden aus Osnabrück im Online-Chat. „Der Kostenträger darf sich nicht mit Verwies auf die räumliche Distanz aus der Finanzierung zurückziehen“, so Neher. Er sieht hier auch den Gesetzgeber in der Pflicht.

 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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