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Wie Kommunen ihre Innenstädte beleben können

Der Innenstadt-Beirat soll Antworten auf die Krise der Stadtzentren finden. Nach der Sitzung am Donnerstag berichteten Bauministerin Klara Geywitz und Kommunalpolitiker*innen, welche Ideen zurzeit diskutiert werden. Einige gute Beispiele werden bereits umgesetzt.
von Carl-Friedrich Höck · 26. April 2024
Wenn Geschäfte schließen und sich keine Nachmieter*innen finden, kann das zu einem Problem für die gesamte Innenstadt werden.

Viele Innenstädte sind in der Krise: Nicht nur große Kaufhäuser kämpfen um ihre Existenz, auch kleinere Geschäfte schließen jedes Jahr zu tausenden. Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat in dieser Woche die Bundesregierung aufgefordert, einen Innenstadt-Gipfel einzuberufen. Dabei gibt es längst eine vergleichbare Einrichtung: den Innenstadt-Beirat beim Bundesbauministerium. Zwei- bis dreimal pro Jahr kommt dieses branchenübergreifende Gremium zusammen und berät über mögliche Maßnahmen. Nach der jüngsten Sitzung am Donnerstag lud Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) gemeinsam mit Kommunalpolitiker*innen zum Pressegespräch.

Innenstadt soll neu gedacht werden

Die Situation in den Städten sei unterschiedlich, aber es gebe gemeinsame Trends, erklärte sie. Lange Zeit hätten Büros und Geschäfte die Zentren dominiert. Beide Nutzungsarten seien durch die Trends zu Online-Shopping und Homeoffice unter Druck geraten. Geywitz will einen Paradigmenwechsel, hin zu einem größeren Nutzungsmix, so wie es ihn früher bereits einmal in den Städten gegeben hat. Unterstützt wird dieser Gedanke von Oliver Hermann (parteilos), dem Bürgermeister der Stadt Wittenberge. „Die Vorstellungen, die wir gewohnt sind, müssen wir ablegen“, sagte er. Der Einzelhandel werde ein wichtiges Element bleiben, aber es brauche auch mehr Kunst, Kultur, Sport und Bürgerbeteiligung.

Der Innenstadt-Beirat befasste sich unter anderem mit der Frage, wie wieder mehr Produktion in die Innenstädte geholt werden kann. In diesem Zusammenhang habe man über die Baunutzungsverordnung und Lärmschutzvorgaben (TA Lärm) gesprochen, berichtete Geywitz.

Der Bund unterstützt den Wandel in den Innenstädten mit zwei Programmen. „Lebendige Zentren“ heißt das eine. Es ist Teil der Städtebauförderung, für die der Bund jährlich 790 Millionen Euro aufwendet. Nach der Corona-Pandemie wurde außerdem das Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (ZIZ) aufgelegt. Der Bund stellt für die Jahre 2022 bis 2025 insgesamt 250 Millionen Euro bereit, um anteilig neue Strategien und Konzepte zu unterstützen. Das Geld soll helfen, Dinge auszuprobieren, erklärte Geywitz. Wie es nach 2025 weitergeht, wird nun im Innenstadt-Beirat diskutiert. Themen wie Klimaanpassung, Sauberkeit und Sicherheit könnten bei einem Nachfolgeprogramm noch eine stärkere Rolle spielen, berichtete die Bauministerin zum Debattenstand.

Kiels OB: Innenstadt ist Identitätsfrage

Wie wichtig solche Fördermaßnahmen sind, verdeutlichte Ulf Kämpfer (SPD). Er ist seit zehn Jahren Oberbürgermeister von Kiel. „Innenstadt war vom ersten Tag an Chefsache“, erzählte er. Das Thema sei wichtig für die Identität der Stadt, die Bewohner*innen seien mit viel Herzblut und Emotion dabei. Doch der Strukturwandel sei noch tiefgreifender als er vor zehn Jahren gedacht habe, gab Kämpfer zu. Die Städte hätten durchaus Ideen, um gegenzusteuern. „Konzepte und Projekte sind alle da.“ Doch es fehle an Geld. Die Kommunen hätten im vergangenen Jahr Defizite gemacht, die Kaufkraft der Bürger*innen sei gesunken, die Bauwirtschaft sei in der Krise und Investor*innen ließen geplante Projekte in der Schublade verschwinden.

Der Kieler OB wünscht sich deshalb neue rechtliche Rahmenbedingungen, damit Gebäude leichter um- oder zwischengenutzt werden können. Und auch, damit er als Oberbürgermeister investitionsunwilligen Eigentümer*innen, die Häuser verwahrlosen lassen, „die Hammelbeine langziehen kann“. Eine Forderung, die Wittenberges Bürgermeister unterstützt. Man müsse nicht nur nehmen, sondern auch geben – dieser Gedanke sei „gerade bei den Eigentümern nicht so ausgeprägt, die nicht aus der Stadt sind.“

Frauke Burgdorff, Beigeordnete für Planung, Bau und Mobilität der Stadt Aachen, berichtete von „immensen Herausforderungen“. Aachen habe 30 Jahre lang den Fehler gemacht, in der Innenstadt eine Monokultur zu entwickeln. „Wir haben viel zu viele große Warenhäuser.“ Diese lägen nun wie Wale am Stadtrand.

Die Kommune kann nur ein Teil der Lösung sein, machte Burgdorff deutlich. Den Eigentümer*innen der Immobilien versuche man zu vermitteln: „Ihr seid die Lage!“ Jeder Einzelne, der Immobilien verkommen lasse, trage zum Problem bei. Hohe Mieterwartungen seien kein Grund, ein Gebäude leerstehen zu lassen. Burgdorff hofft, dass die geplante Novelle des Baugesetzbuches den Kommunen mehr Handhabe gibt, um gegen Leerstand vorzugehen.

Wie Kommunen ihre Innenstädte beleben

Die Beigeordnete verdeutlichte zugleich, was Kommunen heute schon tun können: Den öffentlichen Raum herrichten zum Beispiel, mit schönen und sauberen Fußwegen, auf denen man gerne durch die Stadt schlendert. Städte können Eigentümer*innen beraten, wie sie ihre Immobilien zukunftstauglich umbauen können, nicht zuletzt mit Blick auf Klimaanpassung. In der östlichen Innenstadt von Aachen gebe es 750 verschiedene Eigentümer*innen, davon seien 100 Profis, erklärte Burgdorff. „Die anderen sind in einer Schockstarre, und die müssen wir auflösen.“ Aachen beschäftigt außerdem zwei Citymanager. Sie nehmen sich Stück für Stück die Straßenzüge vor und „versuchen auf kurzem Dienstweg die Leute zusammenzubringen“, wie Burgdorff berichtete. Gemeint sind: Bewohner*innen, Gewerbetreibende, Hausbesitzer*innen, Behörden und andere Akteur*innen.

Auch Kämpfer hat das Innenstadt-Management nach eigener Aussage professionell aufgezogen. Auf die Eigentümer*innen in Kiel sei er zugegangen mit der Ansage: „Ich gebe 100.000 Euro, wenn ihr auch 100.000 Euro gebt, und dann haben wir die Finanzierung für die ersten drei Jahre zusammen.“ Mittlerweile gebe es zwei hauptamtliche Stellen und es sei bei den Innenstadt-Akteur*innen ein gemeinsamer Spirit entstanden. Der Kommune helfe es in diesem Prozess, wenn sie etwas Geld oder ein Förderprogramm des Bundes mit einbringen könne.

Wittenberge ist mit 17.000 Einwohner*innen deutlich kleiner als Aachen oder Kiel. Trotzdem leistet die Stadt sich einen Leerstandsmanager, gemeinsam mit der Nachbarkommune Perleberg. Alle sechs Wochen gebe es eine Videoschalte. Bürgermeister Hermann schildert: „Da sitzt der Bürgermeister, das Bauamt, die Kultur ist mit dabei – also fünf, sechs Leute – und dann geht man in der Innenstadt durch die ganze Straße.“ Bei jeder Adresse, wo es was zu tun gebe, würden die Aufgaben verteilt.

Geywitz antwortet auf HDE-Forderungen

Zwei weitere Vorschläge machte der Handelsverband Deutschland zu Beginn der Woche: Die Bundesregierung solle eine Innenstadt-Akademie ins Leben rufen und eine Gründungsoffensive starten, also eine Förderung für neue Geschäfte.

Die erste Idee findet Bauministerin Geywitz „spannend“. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Innenstadt-Beirates liege schon jetzt darauf, Best-Practice-Beispiele zu vermitteln. Schulung und Austausch seien wichtig, sagte die SPD-Politikerin. Vorbild für den Vorschlag des Handelsverbandes ist die Kleinstadt-Akademie, die gerade gegründet wurde. Dies sei allerdings mit einem jahrelangen Vorlauf verbunden gewesen, gab Geywitz zu bedenken. Gründer*innen zu unterstützen, hält sie ebenfalls für sinnvoll. Doch da könne auch schon eine Beratung viel erreichen, erklärte die Ministerin. Und das müsse nicht zwingend von der Bundesregierung ausgehen, da könnten auch die Industrie- und Handelskammern oder die Kommunen einiges tun.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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