Wie Sachsen die Zweckentfremdung von Wohnungen unterbinden will
Julian Hoffmann/SPD-Fraktion Sachsen
DEMO: In Sachsen hat die schwarz-grün-rote Koalition ein „Gesetz für ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum“ vorgelegt. Was ist mit Zweckentfremdung gemeint und warum ist sie ein Problem?
Albrecht Pallas: Wir haben hier in Sachsen sehr unterschiedliche Wohnungsmärkte. Es gibt Landkreise mit viel Leerstand, wo die Leute eher wegziehen. Und wir haben wachsende Städte, vor allem Dresden und Leipzig. Dort gibt es viel Zuzug, der Wohnungsbau kommt aber nur eingeschränkt hinterher. Wir bemühen uns nach Kräften, bezahlbare Wohnungen zu schaffen, etwa durch geförderten und sozialen Wohnungsbau. Wir müssen aber Zeit gewinnen. Deswegen nutzen wir alle Möglichkeiten, um das Wachstum der Mieten zu begrenzen, zum Beispiel mit der Mietpreisbremse.
Und wir wollen gegen die Zweckentfremdung von Wohnungen vorgehen, vor allem in Dresden und Leipzig. Dort werden in angesagten Stadtteilen viele Wohnungen kommerziell und dauerhaft kurzzeitvermietet über Portale wie Airbnb. Wir wollen auch etwas gegen Leerstand aus Spekulationsgründen unternehmen. Also gegen Eigentümer*innen, die Wohnungen bewusst leer stehen lassen in der Hoffnung, bei einer günstigen Marktlage später noch mehr Geld damit machen zu können. Bereits 2019 wurden in Dresden 1.300 und in Leipzig 800 Wohnungen für dauerhafte Kurzzeitvermietungen zweckentfremdet, Tendenz steigend. Zusammen mit den anderen mietpreisdämpfenden Maßnahmen und dem geförderten Wohnungsbau können wir durch ein Zweckentfremdungsverbot effektiv Wohnungen dem Markt zuführen und Menschen mit kleinem oder mittleren Einkommen helfen, eine passende Wohnung zu finden.
Was soll sich mit dem Gesetz konkret für die Kommunen ändern?
Das Land Sachsen führt das Zweckentfremdungsverbot nicht selbst ein, sondern wir schaffen für die Kommunen eine Rechtsgrundlage, damit sie das per Satzung unterbinden können.
Was ändert sich für Wohnungsmieter*innen oder Eigentümer*innen, die ihre Wohnung vorübergehend an Feriengäste vermieten wollen? Was dürfen sie künftig noch?
Wer die eigene Wohnung zum Beispiel während des eigenen Urlaubs für Tourist*innen zur Verfügung stellen möchte, kann das auch weiterhin tun. Wir wollen aber die Dauer dieser Kurzzeitvermietungen auf höchstens 12 Wochen im Jahr begrenzen. Wenn man aber eine Wohnung über Monate hinweg immer wieder kommerziell Feriengästen zur Verfügung stellt, entzieht man sie dauerhaft dem Wohnungsmarkt. Hier soll dann das Zweckentfremdungs-Verbot greifen.
Tourismus ist für viele Städte und Gemeinden ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Gibt es Bedenken, dass das Gesetz dem Tourismus schaden könnte?
Diese Bedenken wurden zwar teilweise geäußert, aber eher aus Richtung der Betreiber*innen von Ferienwohnungen. Der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA in Sachsen hat sehr positiv auf den Gesetzentwurf reagiert. Von dort heißt es, es gebe in Dresden und Leipzig genügend Kapazität in den Hotels und Pensionen, auch in allen Preissegmenten. Die privaten Wohnungsangebote würden in diesem Ausmaß nicht benötigt.
In anderen Bundesländern gibt es bereits Zweckentfremdungsverbote, etwa in Berlin. Was lässt sich aus deren Erfahrungen lernen?
Sehr viel. Zum Beispiel, wenn es um die Sanktionsmöglichkeiten geht. Wir haben Hinweise bekommen, dass wir die Bußgelder bei Verstößen gegen das Zweckentfremdungsverbot noch etwas erhöhen sollten. Denn in anderen Bundesländern wurde die Erfahrung gemacht, dass Vermieter*innen lieber eine mögliche Strafe in Kauf nehmen, als ihr Geschäft mit Feriengästen zu beenden. Bisher waren Bußgelder von maximal 100.000 Euro für Zweckentfremdung ohne Erlaubnis und bis zu 50.000 Euro für fehlende oder falsche Angaben gegenüber der Gemeinde vorgesehen. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen sollte das mehr sein, damit das Gesetz kein zahnloser Tiger wird. Ob wir das in der Koalition jetzt schon durchsetzen können, wird sich zeigen, da wir gerade noch miteinander beraten.
Ein weiterer Punkt: Alle anderen Länder, in denen diese Zweckentfremdungsverbotsgesetze bestehen, haben noch weitere Tatbestände aufgenommen. Das betrifft vor allem die gewerbliche Nutzung von Wohnungen, wenn diese mehr als 50 Prozent der Wohnfläche ausmacht. Wir sprechen hier nicht von Arztpraxen oder Rechtsanwalts-Kanzleien, die wir ja auch stadtteilnah wollen, sondern teilweise werden Wohnungen von Unternehmen einfach als Lagerräume oder ähnliches genutzt. Leider ist die CDU sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, die gewerbliche Nutzung von Wohnungen zu unterbinden. Deswegen ist das in unserem Gesetzentwurf erst einmal nicht enthalten. Aber auch hier sind wir noch in Verhandlungen.
Sind noch weitere Änderungen zu erwarten, bevor das Gesetz vom Landtag beschlossen wird? Und wann soll das passieren?
Wir hatten bereits die Anhörung im Fachausschuss, mit wichtigen Hinweisen, z.B. aus den betroffenen Kommunen oder vom Mieterbund. Als SPD-Fraktion würden wir gerne die Frist für den spekulativen Leerstand noch ein bisschen heruntersetzen. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass eine Wohnung maximal zwölf Monate leer stehen darf, danach ist es nur mit Genehmigung der Kommune erlaubt. Die Sachverständigen haben empfohlen, das auf sechs Monate zu verkürzen.
Wenn alles nach Plan läuft, können wir das Gesetz in der Landtagssitzung Ende Januar beschließen.
Damit so ein Gesetz Wirksamkeit entfaltet, muss es in den Kommunen auch Personal geben, das den Meldungen über Zweckentfremdung nachgeht. Gibt es dazu Pläne?
Auch das wurde im Rahmen der Anhörung thematisiert. Wir hatten dort eine Vertreterin der Stadtverwaltung Leipzig da. Sie konnte den Aufwand noch nicht abschließend einschätzen. Diese Frage müssen dann die Städte mit ihren Stadträten besprechen. Klar ist: Sowohl Leipzig als auch Dresden wünschen sich eine Rechtsgrundlage, um im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung Satzungen für ein Zweckentfremdungsverbot erlassen zu können. Und unsere Aufgabe als Land ist es jetzt, ihnen das zu ermöglichen. Die Rathäuser und Stadträte in Dresden und Leipzig warten schon auf das Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Es wird Zeit, das jetzt zu beschließen.
Weiterführende Links:
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.