„Wir können Flüchtlinge nicht ihrem Schicksal überlassen“
Thomas Geisel, wie beurteilen Sie die gegenwärtige Flüchtlingsdebatte – in der Politik, in der Zivilgesellschaft, auf Twitter?
Die Reaktion auf den gemeinsamen Brief war höchst vielfältig. Einerseits sehr viel Zustimmung und Zuspruch. Daneben auch sachliche Kritik, insbesondere Hinweis auf das Dilemma, einerseits dem humanitären Gebot zu entsprechen, in Seenot geratene Menschen zu retten, andererseits aber vielleicht auch gerade hierdurch einen Anreiz zu schaffen, sich auf die gefährliche Überfahrt zu begeben. Bedauerlicherweise aber gab es auch offen rassistische Töne bis hin zu unverhohlenen Morddrohungen, die mein Büro dazu veranlasst haben, die entsprechenden Mails an den Staatsschutz weiterzuleiten.
Insgesamt missfällt mir an der gegenwärtigen Flüchtlingsdebatte der Ton, den insbesondere Horst Seehofer und die CSU anschlagen; das Schüren von Ängsten und Ressentiments, nationale Alleingänge und populistische Rhetorik sind keine geeigneten Instrumente, um auf die Herausforderung, vor die uns die Flüchtlingskrise stellt, angemessen zu reagieren. Aber offenbar können diese Herren angesichts bevorstehender Wahlen der Versuchung nicht widerstehen, dieses Thema populistisch auszuschlachten.
Aus welchen Motiven haben Sie und Ihre Amtskollegen sich entschieden, der Bundesregierung zu schreiben?
In erster Linie ging es uns darum, ein Signal auszusenden: Dem barbarischen Zustand, dass tagtäglich Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil sie nicht gerettet werden können oder dürfen, muss ein Ende bereitet werden. Wir unterstützen die Politik der Bundesregierung, hier eine europäische Lösung zu finden – solange diese allerdings nicht gefunden worden ist, können die betroffenen Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen werden.
Nach welchen Kriterien werden Sie Flüchtlinge aufnehmen?
Da es sich um ein humanitäres Signal handelt, differenzieren wir nicht nach Herkunftsländern. Wir haben in dem Brief deutlich gemacht, dass wir bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen, wenn durch dieses Signal die Seenotrettung wieder ermöglicht wird. Dies bedeutet selbstverständlich, dass wir bereit sind, die hierdurch geretteten Menschen bei uns aufzunehmen.
Für die Unterbringung dieser Flüchtlinge nutzen wir bestehende Kapazitäten in Düsseldorf. Wir gehen davon aus, dass insofern die allgemeinen Regeln der Refinazierung von Flüchtlingskosten durch Bund und Land Anwendung finden. Wir sind uns bewusst, dass gleichwohl ein nicht unerheblicher Teil der Gesamtkosten aus kommunalen Mitteln finanziert werden muss.
Dieses Interview ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.