Wo Bürger*innen und Kommunen von der Windenergie profitieren
Beim Ausbau der Windkraft an Land kommt Deutschland kaum noch voran. Die Branche klagt über fehlende Flächen, um neue Windräder bauen zu können. Diese werden von vielen Bürger*innen als störend empfunden. Im vergangenen Jahr hat die große Koalition im Bund lange darum gerungen, ob zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen ein Mindestabstand von 1.000 Metern festgelegt werden soll. Die SPD wehrte sich gegen diese starre Regelung. Schließlich einigte man sich darauf, die Entscheidung den Bundesländern zu überlassen, welche Abstandsregeln sie festschreiben.
Wer nahe Windräder akzeptiert, soll profitieren
Dennoch bleibt das Grundsatzproblem: Ohne ein funktionierendes Nebeneinander von Wohngebäuden und Windrädern wird der angestrebte Windkraft-Ausbau kaum gelingen. Deshalb haben einige Politiker*innen die Idee ins Spiel gebracht, die Akzeptanz für Windräder mit einer Abgabe für die betroffenen Kommunen und Bürger*innen zu erhöhen. So forderte die SPD 2019 in einem Parteitagsbeschluss: „Wir wollen, dass Geld direkt an die Kommunen fließt, sozusagen ein kommunaler Windbonus. Insbesondere bei Kommunen, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Abstände zu unterschreiten, muss sich das im Haushalt spiegeln.“ Diskutiert wurde auch ein Windbürgergeld, also direkte Geldflüsse für alle betroffenen Anwohner*innen.
Doch zu einer verpflichtenden Windkraft-Abgabe kam es nicht. Das reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Anfang 2021 in Kraft getreten ist, sieht lediglich eine Kann-Regelung vor. Die Investor*innen können selbst entscheiden, ob sie Bürger*innen und Kommunen an den Erlösen beteiligen wollen. Sie dürfen betroffenen Gemeinden – im Radius von 2,5 Kilometern um die Anlage – auf freiwilliger Basis bis zu 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde zahlen.
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind Vorreiter
Doch in zwei Bundesländern existiert eine verbindliche Windkraft-Abgabe bereits – zumindest als Gesetz. Brandenburg hat im Jahr 2019 eine neue Regelung eingeführt. Seitdem müssen Gemeinden, die in einem Radius von drei Kilometern um eine neue Windkraft-Anlage liegen, mit einer jährlichen Zahlung von 10.000 Euro pro Anlage an den Erlösen beteiligt werden.
Einen etwas anderen Weg geht Mecklenburg-Vorpommern, das 2016 ein Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz verabschiedet hat. Es gilt für alle Windkraftanlagen, die höher als 50 Meter sind und somit eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz benötigen. Die Projektträger werden verpflichtet, für neue Windparks eine haftungsbeschränkte Gesellschaft zu gründen und Anteile von mindestens 20 Prozent dieser Gesellschaft den unmittelbaren Nachbar*innen zur Beteiligung anzubieten. Ein Anteil darf maximal 500 Euro kosten. Anspruchsberechtigt sind alle Bürger*innen, die in einem Umkreis von fünf Kilometern um jede der Anlagen wohnen, sowie die berührten Gemeinden.
In Schönberg läuft die Zeichnungsfrist
Weil die Genehmigungsverfahren einen langen Vorlauf haben, wirkt sich das neue Gesetz erst jetzt auf die Praxis aus: Der Windpark Schönberg im Landkreis Nordwestmecklenburg wird erneuert. Es ist der erste Windpark, der den Bürger*innen und Kommunen nach dem Beteiligungsgesetz ein Angebot zum Kauf von Anteilen macht. Die Angebote wurden im Januar 2021 verschickt – die Zeichnungsfrist für die Anteile endet Anfang Juli.
Weitere Projekte werden folgen: Dem Energieministerium von Mecklenburg-Vorpommern wurden bereits 89 weitere Vorhaben angezeigt, die nach dem neuen Beteiligungsgesetz umgesetzt werden sollen. Zudem gab es bisher schon zwei Projekte, bei denen sich Gemeinde und Investor einvernehmlich auf eine Beteiligung verständigt haben, die sogar über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht. Die Gemeinde Bartow erhält von einer Windkraft-Firma 9.000 Euro pro Anlage und Jahr sowie einen vergünstigten Stromtarif für die Einwohner*innen. Und auch vom Windpark Hoort profitiert die Kommunen: Vier der 16 Anlagen betreibt die Gemeinde selbst.
Mecklenburg-Vorpommerns Energieminister Christian Pegel (SPD) sieht sein Bundesland mit dem Beteiligungsgesetz auf einem guten Weg: „Die Beteiligung von Anwohnern und Gemeinden in der Nachbarschaft von Windenergieanlagen ist von immenser Bedeutung für die Akzeptanz der Windenergie und somit für das Gelingen der Energiewende.“ Er hätte sich gewünscht, dass die Beteiligung auch auf Bundesebene verpflichtend gemacht worden wäre, teilte er der DEMO mit.
Entscheidung der Stadt Schönberg steht noch aus
Ob die Stadt Schönberg das Angebot der „Bürgerwindpark Schönberg GmbH“ annimmt und sich an der Windkraftanlage beteiligt, steht noch nicht fest. „Bisher gibt es dazu keine Beschlusslage“, sagt Bürgermeister Stephan Korn (Kommunale Wählergemeinschaft).
Im Gespräch mit der DEMO erwähnt er noch einen anderen Punkt, der helfen könnte Windkraft-Frust zu vermeiden. Er wünscht sich eine professionelle Unterstützung für kleine Kommunen, die über Windkraft-Projekte mitentscheiden sollen. Als die Gemeinde 2015 dem sogenannten „Repowering“ zustimmte, sei man davon ausgegangen, dass die bestehenden Windräder einfach ausgetauscht werden. Doch tatsächlich werden nun auch die Standorte der Anlagen verändert, sie rücken näher an eine Splittersiedlung heran – und das sei rechtlich auch nicht zu beanstanden. „Damals hatten wir viel zu wenig Informationen“, räumt Korn ein. In Gesprächen zu solchen Vorhaben könne es passieren, dass ein ehrenamtlicher Bürgermeister sieben Menschen gegenübersitzt, die es beruflich gewohnt seien 40-Millionen-Projekte zu stemmen. „Das kann nicht gut ausgehen“, sagt Korn. Da müssten Land oder Bund den Kommunen zur Seite stehen, zum Beispiel mit einer Agentur. Blockieren will der Bürgermeister die Windkraft aber nicht. „Wir brauchen die Energiewende, und da müssen alle mitmachen.“
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.