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Zum Tod von Barbara Stolterfoht: Stimme der Ungehörten

Sie war eine engagierte Sozialpolitikerin und trat für die Belange von Frauen ein: Die ehemalige hessische Sozialministerin Barbara Stolterfoht starb im Alter von 80 Jahren in Berlin.
von Karin Billanitsch · 24. Februar 2021
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Die ehemalige hessische Sozialministerin Barbara Stolterfoht ist tot. Sie starb im Alter von 80 Jahren in Berlin. „Barbara Stolterfoht stand immer für eine mutige, aber dennoch ausgewogene Sozialpolitik,“ erklärte die hessische SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Nancy Faeser. Dank ihr sei Hessen einst der Motor einer fortschrittlichen Gesellschaftspolitik für ganz Deutschland gewesen.

SPD als politische Heimat

Die 1940 im Sudetenland geborene Stolterfoht wuchs im ostwestfälischen Bielefeld auf und machte nach einer Erzieherinnenausbildung das Abitur, studierte dann Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaften. Die sozialdemokratische Partei war ihre politische Heimat, sie war seit 1965 Mitglied in der SPD, zunächst in Nordhessen. 

Timon Gremmels, Bezirksvorsitzender der nordhessischen SPD, sagte zu ihrem Tod: „Die Sozialdemokratie verliert mit Barbara Stolterfoht eine Weggefährtin, die beharrlich für die Sache der Frauen eintrat und eine engagierte Sozialpolitikerin, die stetig neue Projekte auf den Weg brachte, um Benachteiligte aus dem Abseits zu holen. Die nordhessische SPD wird Barbara Stolterfoht ein ehrendes Andenken bewahren.“

Leitbild für Frauenbeauftragte

Sie setzte sich schon früh in ihrer politischen Karriere für die Belange der Frauen und Gleichberechtigung ein. Sie war im Jahr 1984 die erste Frauenbeauftragte in Kassel unter dem damaligen Oberbürgermeister Hans Eichel. Sie war die erste in Hessen, und die dritte bundesweit. 1985 wurde sie in Kassel Stadträtin für Frauenfragen, Gesundheit, und Soziales.

In einer Festrede im Jahr 2014 schilderte sie ihren Eindruck bei Amtsantritt: „Mein erster, nachhaltiger Eindruck: Das Büro war leer, nur ein einsamer Bleistift hatte sich auf meinen Schreibtisch verirrt. Wie sich bald herausstellte, war diese Leere nicht nur in meinem Büro, sondern auch in der Vorstellungswelt meiner Kolleginnen und Kollegen in der Stadt Kassel, insbesondere bei den Spitzen der Verwaltung. Niemand wusste so recht, was man mit mir eigentlich anfangen sollte.“

Sie definierte ihre Arbeit neu und kristallisierte ein Leitbild für die Arbeit von Frauenbeauftragten, das bis heute wirkt. Nancy Faeser würdigte ihre Rolle in der Frauenbewegung, merkte aber an: „Trotz aller Erfolge in der Gleichstellung sah sie aber bis zuletzt keinen Anlass zur Zufriedenheit und wies auf die soziale Spaltung der Frauenbewegung hin.“

Beruflicher Aufstieg

1995 berief Ministerpräsident Hans Eichel sie zur hessischen Ministerin für Frauen, Arbeit und Sozialordnung. Danach wurde sie von 2000 bis 2008 Vorsitzende des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands und von 2005 bis 2007 zusätzlich Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege.

Als Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes kritisierte sie früh die Agenda 2010 und nannte sie in einem Artikel der taz „den massivsten sozialpolitischen Kahlschlag seit Bestehen der Bundesrepublik“.

„Stimme derer, die häufig übersehen werden“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und Sozialminister Kai Klose würdigten ihre Leistungen: „Barbara Stolterfoht war eine engagierte Politikerin, die sich in den langen Jahren ihrer Karriere mit hoher Leistungsbereitschaft für eine ausgewogene Sozialpolitik eingesetzt hat“, so Bouffier. Auch als Direktorin des Landeswohlfahrtsverbandes und Vorsitzende des Paritätischen habe sie vor allem denen Gesicht und Stimme gegeben, die häufig übersehen und überhört werden. „Im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration werden wir ihr stets ein ehrendes Andenken bewahren“, ergänzte Sozialminister Kai Klose.

Im Jahr 2005 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. 2012 erhielt sie die Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen für ihr herausragendes Engagement für die demokratische Gesellschaft.

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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