Schnell-Ladesäulen im bundesweiten Test
Der ACE stellt fest: Es gibt einen großen Nachholbedarf in Sachen Barrierefreiheit.
RÄKER/ACE KV Recklinghausen
Das ACE-Ehrenamt in Aktion: Auch in Recklinghausen mangelt es bei dieser Ladestation an der Barrierefreiheit.
Wer ein E-Auto fährt, kennt es – gerade bei längeren Strecken wird erst einmal in einer App (oder auch mehreren) geschaut, wo es denn geeignete Ladestationen gibt, die angefahren werden können. Dabei beschränkt sich die Suche meist auf Schnell-Ladestationen, denn niemand will einen halben Tag an einer 22-kW-Säule verbringen, um einen Termin wahrzunehmen oder in den Urlaub zu fahren. Aber wie sieht das Schnell-Ladenetz in Deutschland überhaupt aus? Herrscht hier im wahrsten Sinne des Wortes Ladepower? Dieser Frage sind die Ehrenamtlichen des ACE, Europas Mobilitätsbegleiter, von Anfang April bis Ende Juli dieses Jahres im Rahmen der Clubinitiative, der bundesweiten Ehrenamtsaktion des ACE, nachgegangen.
Unter dem Motto „Hat Deutschland Ladepower?“ wurden in den vier Test-Monaten 189 Schnell-Ladestationen mit 1.737 einzelnen Ladepunkten genauer unter die Lupe genommen. Im Fokus standen die Kategorien Ladeleistung, Bezahloptionen, Bedienbarkeit, Barrierefreiheit, Verkehrssicherheit und Service & Familienfreundlichkeit. Getestet wurden nur Anlagen, die über mindestens zwei Ladesäulen mit mindestens je zwei Ladepunkten verfügen und an einer Autobahn oder einer Bundesstraße liegen. Das Fazit des Auto Club Europa zum großen Service-Check: Die Ladesäulen sind besser als ihr Ruf – nur drei Anlagen sind bundesweit durchgefallen. Mehr als ein Drittel wurde mit „exzellent“ bewertet.
Was eine gute Ladestation ausmacht
Doch was braucht so eine Ladestation eigentlich alles? Zunächst setzen viele E-Fahrerinnen und E-Fahrer darauf, wie geladen werden kann. Und auch das Umfeld der Ladesäulen macht im Zweifel den Unterschied – niemand will nachts in einem dunklen Industriegebiet laden müssen. Viele Fragen also, die es zu beantworten galt: Kann ad hoc – also auch ohne Ladekarte – geladen werden? Können auch Menschen mit Behinderung problemlos die Ladestation anfahren und bedienen? Stehen E-Autofahrende während des Ladestopps im Regen oder im Dunkeln? Gibt es ein gastronomisches Angebot und die Möglichkeit, eine Toilette zu nutzen? Um diese und viele weitere Fragen zu beantworten, hat der ACE einen Erhebungsbogen mit insgesamt 24 Kriterien entworfen. Das Ergebnis fällt positiv aus: Der Großteil (61 Prozent) der Anlagen hat den Test bestanden, während 37 Prozent sogar mit dem Prädikat „exzellent“ ausgezeichnet wurden.
Den ersten Platz teilen sich mit 18,5 von 19 möglichen Punkten gleich drei Schnell-Ladestationen. Dazu gehört der Schnell-Ladepark der EnBW in Lichtenau bei Chemnitz, der als erstes vom ACE getestet wurde. Auch der Schnell-Ladehub von Audi in der Münchener Straße in Nürnberg und die Ladestation von Sortimo am Innovationspark in Zusmarshausen konnten bei den ACE-Testern punkten. Bundesweit lag der Durchschnitt bei 13,17 erreichten Punkten.
Besser als ihr Ruf: Nur drei Anlagen durchgefallen
Nur zwei Prozent – ganze drei Anlagen – haben den Test nicht bestanden und sind durchgefallen. Dabei muss erwähnt werden, dass diese nur knapp an einem „bestanden“ vorbeigeschrammt sind. Die Schnell-Ladestation von EnBW in der Salzer Straße in Schönebeck ist im Test zwar die schlechteste Anlage, mit acht erzielten Punkten aber nur einen Punkt vom Bestanden entfernt. In der Kategorie „Service & Familienfreundlichkeit“ konnte nicht ein Punkt vergeben werden.
Mit 46 Schnell-Ladestationen war EnBW im Test am häufigsten vertreten. Gefolgt von Ionity mit 26 und Aral Pulse mit 25 Anlagen. Mit 69 Prozent gibt es die meisten Schnell-Ladestationen mit dem Prädikat „exzellent“ bei Ionity. Alle getesteten Anlagen von Ionity, Aral pulse und Allego bieten ihren Nutzerinnen und Nutzern mit Ladesäulen, die mehr als 300 kW anbieten, eine exzellente Ladeleistung. Bei der Betrachtung der Kategorie „Service & Familienfreundlichkeit“ geht Tesla mit 73 Prozent als Sieger hervor, gefolgt von Ionity (69 Prozent) und Aral pulse (66 Prozent). In Sachen Barrierefreiheit gibt es deutlich größere Unterschiede zwischen den Anbietern: Während Aral pulse mit 18 Prozent weit abgeschlagen auf dem letzten Platz landet, erreicht selbst der beste Anbieter (Ionity) gerade einmal 62 Prozent.
Keine Zukunft ohne E-Autos
Der Vorsitzende des ACE, Stefan Heimlich, zeigt sich erfreut über die Ergebnisse der 19. ACE-Clubinitiative, stellt aber auch Forderungen: „Wir freuen uns, dass die Ladestationen in diesem Land in unserem Test so gut abgeschnitten haben. Eine Zukunft ohne E-Autos wird es nicht geben – und dafür braucht es auch entsprechende Ladesäulen. Jeder, der schon einmal mit einem
E-Auto unterwegs war, weiß, dass es vor allem auf das Drumherum ankommt. Nur wenn das Angebot stimmt, kann der Lade-Stopp auch gleichzeitig zu einer erholsamen Pause werden. Dass die Ladesäulen aber in Sachen Barrierefreiheit so schlecht abschneiden, sollte alle Anbieter zum Umdenken bewegen. Von den 189 Schnell-Ladestationen boten gerade einmal zwölf Prozent mindestens einen barrierefreien Stellplatz an. Elektromobilität muss für jeden alltagstauglich sein – egal, ob mobil eingeschränkt oder nicht. Dass diese Menschen aber bei einer neu geschaffenen Infrastruktur wieder dieselben Barrieren erleben, darf nicht sein.“
Hier sind auch Politik und Verwaltungen in den Kommunen gefragt. Wenn Kommunen Anfragen erhalten, ob Ladesäulen gebaut werden können, sollte auf das Thema Barrierefreiheit sowie auf das Thema Verkehrssicherheit und Service- und Familienfreundlichkeit hingewiesen werden. Der Ladevorgang sollte nicht ein „notwendiges Übel“ für Nutzerinnen und Nutzer darstellen, sondern die Möglichkeit bieten, den Ladevorgang mit anderen Angeboten wie Gastronomie oder Einkaufsmöglichkeiten zu ergänzen.
Barrierefreiheit und Verkehrssicherheit – auch Kommunen sind gefragt Unabhängig davon, ob Ladesäulen innerhalb oder außerhalb der Kommunen geschaffen werden, sollten Kommunen darauf achten, wie viele E-Autos bereits in der Kommune oder im Landkreis zugelassen sind und ob die vorhandene Lade-Infrastruktur genügend öffentliche Ladepunkte für nahes und schnelles bzw. langsames Laden bietet. Erst eine gute Abdeckung der öffentlichen Ladeinfrastruktur macht den Umstieg auf E-Fahrzeuge attraktiv.
Weitere Informationen und alle Ergebnisse – bundesweit und aus den einzelnen Bundesländern – gibt es unter www.ace-clubinitiative.de