Wie die AfD in Stadtparlamenten agiert – und wie die SPD damit umgeht
IMAGO/David Breidert
Wenn in diesem Jahr in zahlreichen Bundesländern Kreistage und Stadträte neu gewählt werden, geht es auch um die Frage: Wie stark wird die AfD künftig in den Kommunen vertreten sein? Die – mindestens in Teilen rechtsextreme – Partei nutzt die Kommunalpolitik gezielt, um sich weiter zu etablieren. Für die AfD sind die bevorstehenden Wahlen eine Chance. Schon jetzt wird die sogenannte Brandmauer der demokratischen Parteien gegen rechts in einzelnen Kommunen in Frage gestellt. Schließlich gehe es vor Ort doch um konkrete Sachpolitik, heißt es dann. Je stärker die AfD im Sommer abschneidet, desto lauter dürften diese Stimmen werden.
Aber sind die AfD-Ratsmitglieder überhaupt an sachlicher Kommunalpolitik interessiert? Oder nutzen sie die Rathäuser als Bühne für ganz andere Themen? Die DEMO hat bei sozialdemokratischen Fraktionen gefragt, wie sie die AfD-Vertreter*innen erleben und mit welchen Strategien sie auf die rechte Partei reagieren. Antworten haben uns aus Mannheim, Mainz, Dresden und Gera erreicht.
Wie tritt die AfD in den Stadtparlamenten auf?
Im Mainzer Stadtrat träten die drei AfD-Vertreter „überwiegend polemisch bis aggressiv auf“, berichtet die Mainzer SPD-Fraktion. Die AfD-Fraktion stelle viele Anfragen, aber nur selten Anträge. „Die Anfragen folgen in der Regel bundespolitischen Aufregerthemen, die man häufig versucht irgendwie auf die kommunale Ebene zu beziehen.“ So würden oft polizeiliche Daten und Statistiken abgefragt, die der Stadtverwaltung gar nicht vorliegen.
Aus Dresden berichtet SPD-Fraktionsvize Vincent Drews, dass die AfD-Leute in nichtöffentlichen Ausschüssen und Beiräten normalerweise sehr still seien und sich kaum an Diskussionen beteiligten. „Im öffentlichen Stadtratsplenum reden sie jedoch häufig und stellen sich und ihre kruden Thesen breit dar.“ Die AfD-Fraktion stelle mehr schriftliche Anfragen als andere Fraktionen. Und: „Auch die kommunalpolitischen Themen laden sie mit bundespolitischen Themen auf und führen fast jedes Thema auf das Thema Asyl.“
Anders in Mannheim: Dort stellt die AfD wenige Anträge, diese aber eher zu kommunalen Themen, teilt SPD-Fraktionschef Reinhold Götz mit.
In Mannheim hat die AfD vier Sitze im Stadtrat. Im thüringischen Gera dagegen stellt sie mit zwölf Sitzen die stärkste Fraktion. „Leider hat, wohl mit einigen Stimmen aus der CDU-Fraktion, die AfD-Fraktion durchsetzen können, dass der Stadtratsvorsitzende einer aus ihren Reihen wurde“, berichtet die SPD-Fraktionschefin Monika Hofmann. Mit der Sitzungsleitung sei dieser überfordert. Der AfD-Fraktionsvorsitzende bleibe im Stadtrat oft sachlich, außerhalb komme seine rechtslastige Gesinnung zum Vorschein. Gemeint ist Harald Frank, zugleich Geschäftsführer eines Verlags, der in Gera ein rechtslastiges Anzeigenblatt vertreibt. Der AfD-Ratsfraktion gehören auch zwei Landtagsabgeordnete und der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner an. Dieser stelle häufige und ideologisch gefärbte Anfragen, so Hofmann.
Wie gehen die SPD und andere Fraktionen mit der AfD um?
In allen befragten Städten grenzt sich die SPD klar nach rechts ab. „Die SPD-Fraktion stimmt Anträgen der AfD grundsätzlich nicht zu“, heißt es etwa aus Dresden. Das begründe man stets inhaltlich. „CDU, FDP und Freie Wähler neigen in letzter Zeit jedoch häufiger dazu, einzelnen AfD-Anträgen zuzustimmen“, berichtet Vincent Drews. Bisher habe aber kein Antrag der AfD eine Mehrheit bekommen. In Mainz gibt es „keine feste Verabredung, aber den unausgesprochenen Konsens, dass man mit der AfD nicht zusammenarbeitet“, teilt die SPD-Fraktion mit.
In Gera gebe es mit Linken, Grünen und Die Partei ein Einverständnis, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, schreibt Monika Hofmann. Allerdings gebe es von der AfD auch kaum Beschlussvorlagen, wo es sich lohne, überhaupt über die Sinnhaftigkeit nachzudenken. Ansonsten gelte: „Alle AfD-Vorlagen lehnen wir ab, es sei denn, wir können diese inhaltlich besser stellen.“ Ansonsten richte man sich im eigenen Abstimmungsverhalten aber nicht nach der AfD. „Die Wahl von AfD-Funktionären im Ämter lehnen wir ab“, stellt Hofmann klar.
Welche politische Strategie verfolgt die SPD im Umgang mit der AfD?
„Inhaltlich-sachlich ist gerade die AfD-Fraktion im Stadtrat Gera kaum zu stellen, da sie inhaltlich-sachlich nichts bietet“, meint die SPD-Fraktionschefin Monika Hofmann. Ihre Fraktion bemühe sich, Themen wie die Flüchtlingsunterbringung selbst zur Sprache zu bringen, „damit es sich im sachlichen, faktenbasierten Bereich halten lässt.“ Das sei aber schwer, weil die AfD die Stimmung anzuheizen wisse. Und faktisch dominiere sie „zusammen mit der CDU-Fraktion und den CDU-Ablegern den Stadtrat, wenn sie es darauf anlegen.“
„In Dresden versuchen wir es mit einer Mischung“, erzählt Vincent Drews. „Wir setzen der AfD sachlich-inhaltliche Argumente entgegen, versuchen aber auch, ihnen und ihren Themen kein zu großes Podium zu geben. Debatten zu AfD-Anträgen versuchen wir kurz zu halten und beschränken uns oft auf eine Replik aus den Reihen der progressiven Fraktionen.“
Die Mainzer SPD-Fraktion ist der Auffassung: „Man sollte immer versuchen gute Politik zu machen und inhaltlich-sachpolitisch ein gutes Angebot zu machen, aber dadurch ‚stellt‘ man die AfD nicht.“ Ausdrücklich warnen die Mainzer Genoss*innen die demokratischen Lager davor, sich gegenseitig die Schuld am Erstarken der AfD zuzuschieben. Das führe zu Spaltung und „trägt das AfD-Narrativ vom Versagen der Demokraten im Grunde schon mit“. Unter Demokraten gebe es immer Meinungsverschiedenheiten über die besten politischen Lösungen. Aber gegen die AfD müssten sie zusammenhalten und für die Demokratie einstehen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.