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Nach dem Angriff auf Israel: Wie Schulen mit Konflikten umgehen können

Der Nahostkonflikt stellt Lehrkräfte an Schulen bisweilen vor große Herausforderungen. Eine Initiative der Amadeu-Antonio-Stiftung hilft weiter.
von Karin Billanitsch · 25. Oktober 2023
Kundgebung gegen Terror und Antisemitismus in Berlin. Der Nahostkonflikt wirkt sich auch in den Schulen aus.

Seit dem 7. Oktober ist Israel nach einem brutalen Angriff im Krieg mit der palästinensischen Terrorgruppe Hamas. Diese Situation löst seitdem auch in Deutschland viele Emotionen und Debatten aus. Es kommt zu hitzigen Auseinandersetzungen, nicht nur auf den Straßen, sondern auch in den Schulen. Schulleitung und Lehrer*innen sind verunsichert, wie sie mit eskalierenden Situationen umgehen sollen.

Ein Beispiel: An mehreren Berliner Schulen sind Schüler*innen laut Medienberichten als Reaktion auf den Angriff der Hamas auf Israel mit einer Palästina-Flagge erschienen. In einem Fall kam es sogar zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen dem Lehrer, der das Tragen des politischen Symbols verbieten wollte, und dem Schüler. Ein Beispiel, das zeigt, wie schwierig die Stimmung derzeit ist. Es ist herausfordernd für die Schulkräfte, auf die aufgewühlten Emotionen einzugehen, gleichzeitig alle Schüler*innen zu schützen, aber auch die Lage sachlich einzuordnen und zu erklären.

Immer wiederkehrende Aussagen

Konkrete Hilfestellung und allgemeine Informationen zum Konflikt finden Schulleiter*innen und Lehrer*innen zum Beispiel bei der Amadeu-Antonio-Stiftung. Sie hat ein „Action-Kit gegen israelbezogenen Antisemitismus“ herausgegeben. Es will auf die dringendsten Fragen in Bezug auf israelbezogenen Antisemitismus eingehen und ihren antisemitischen Gehalt einordnen.

Erstellt hat es Miki Hermer, Bildungsreferentin und Projektleiterin des präventiv-pädagogischen Projekts „Berliner Aktionswochen gegen Antisemitismus“. „Für die Handreichung haben wir zusammengetragen, welche Aussagen immer wieder in den Klassenräumen zu hören sind und haben dafür natürlich auch Lehrer befragt. Und wir sind selbst in Schulen vor Ort und geben Workshops.“

Die Broschüre gab es bereits vor dem 7. Oktober. „Ich kann nicht behaupten, dass wir die Ereignisse schon vorher prognostiziert haben“, sagt Hermer. „Es passt aber tatsächlich jetzt auf alles, was gerade passiert. Man könne jeden Tag deutlich sehen, dass viele von diesen Aussagen auch auf den Straßen gerufen würden. Im Heft werden detailliert einzelne Behauptungen wie „ich habe nichts gegen Juden, aber …“ oder „From the river to the sea, Palestine will be free“ als israelbezogener Antisemitismus entlarvt und eingeordnet. 

„Ruhiges Gespräch“

In der Praxis kommen die Schulen auf den Träger zu, um einen Workshop an die Schule zu holen. „Oft finden Workshops vor Beginn der Ferien statt, weil dann oft schon der Schulstoff durch ist, es Projektwochen oder ähnliches gibt und die Lehrer das gut einbinden können“, so Hermer. Aber was, wenn – wie es jetzt der Fall ist – der Konflikt plötzlich eskaliert?

 „In der akuten Situation ist es das Allerwichtigste, die Personen, die laut Krach machen und falsche Dinge oder antisemitische Hetze verbreiten, aus diesem unmittelbaren Konfliktfeld der Schulklasse nehmen, und Betroffene zu schützen. Dabei muss man sie begleiten und versuchen, sie in einem ruhigen Gespräch runterzufahren und Grenzüberschreitungen klar zu markieren“, rät Hermer.

Es sei auch wichtig, dass man den eigenen Frustrationen und auch gegebenenfalls Rassismuserfahrungen der Jugendlichen Raum gibt, dass man aber auf der anderen Seite sofort Grenzüberschreitungen klar markiert. Lehrkräfte sollten sich die nötige Zeit nehmen, auf ihre Schüler*innen einzugehen.

Antisemitismusbeauftragte in Kommunen

Allerdings kann Schule nicht allein die gesellschaftlichen Versäumnisse wieder richten: „Es muss ein Zusammenspiel aus vielen Bällen sein, die jongliert werden.“ Da ist zum einen der Geschichtsunterricht, der ihrer Ansicht nach modernisiert und an die veränderte Gesellschaft und an die Zusammensetzung der Schüler*innen angepasst werden sollte. Der Nahostkonflikt sei noch nicht überall fester Bestandteil des Lehrplans. Lehrpläne liegen in der Zuständigkeit der Bundesländer.

Außerdem appelliert sie an die Politik, Mittel für die Demokratieförderung und Projekte, die sich für ein demokratisches Miteinander einsetzen, nicht zu kürzen. Für wichtig hält sie es auch, dass es in den Kommunen oder in Bezirken großer Städte eine*n Antisemitismusbeauftragte*n gibt.

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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