„Wir müssen davon wegkommen, das Auto als Prestigesymbol zu betrachten“
Es gab bereits mehrere Dieselgipfel der Bundesregierung mit den Kommunen. Der Bund will die Kommunen bei ihren Maßnahmen für saubere Luft finanziell unterstützen. Nach den ersten Treffen hatten sich die Städte noch beschwert, dass zwar Gelder zugesagt worden sind, aber noch kein Cent an sie geflossen sei. Wie ist jetzt der Stand?
Die Bundesregierung hat durchaus schnell gehandelt. Und das Umweltministerium, das Verkehrsministerium und das Wirtschaftsministerium arbeiten gut zusammen. Am 20. Dezember 2017 wurden bereits 60 Städten Förderbescheide übergeben. Sie sollen damit Masterpläne erstellen: Wie schafft man es möglichst rasch, die Stickoxyd-Überschreitung etwas runterzubringen?
Insgesamt werden 11 Förderprogramme angeboten, um insbesondere das Thema der Elektrifizierung voranzutreiben oder alte Dieselbusse auf Vordermann zu bringen. Die Regierung fördert aber auch im Bereich der Logistik – wo es um Taxis oder Lieferfahrzeuge geht – und im Bereich der Digitalisierung. Da geht es vor allem um die Frage, wie man den Verkehr mittels digitaler Daten „flüssiger“ machen kann.
Der Bund hat den Kommunen zunächst Fördermittel in Höhe von einer Milliarde Euro zugesagt. Wie weit kommt man damit?
Ich denke, dass es ein sehr guter Start ist. Aber der Planungsamtsleiter in Nürnberg hat mir gesagt: Die Milliarde könnte ich alleine schon brauchen. Vielleicht übertreibt er ein bisschen. Trotzdem kann das nur der erste Schritt sein. Wir werden mit einer Milliarde Euro die Probleme nicht lösen. Die Mittel müssen verstetigt werden. Und im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist das ja auch so vorgesehen.
Wie viele Euros sind denn tatsächlich schon an die Kommune geflossen?
Wir sind noch im Antragsverfahren. Die Anträge werden also erstmal entgegengenommen, dann werden sie geprüft und dann fließt das Geld. Und dafür wurde ein kluges Verfahren entwickelt. Die Bundesregierung stellt den Kommunen mehrere Lotsen zur Seite, um ihnen bei der Antragstellung zu helfen. Die Städte haben also ganz konkrete Ansprechpartner. Das ist organisatorisch gut gelöst und läuft bisher ganz hervorragend.
Sie sind Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Saubere Luft. Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?
Es gehört ja nicht zum alltäglichen Geschäft der Bundesregierung, mit Städten zusammen zu arbeiten. Die Bundesregierung hat deshalb jemanden gesucht, der eine Scharnierfunktion zwischen der Regierungsebene und der kommunalen Ebene wahrnehmen kann. Diese Person sollte die Sprache der Kommunen sprechen und ihre Interessen an die Bundesregierung herantragen. Diese Funktion ist mir zugetragen worden. Und wenn man wie ich 18 Jahre Oberbürgermeister war, weiß man, wie kommunale Entscheidungsprozesse laufen und wo man ansetzen muss, um im Zweifel einen Prozess zu beschleunigen. Wenn nötig, treibe ich auch Entscheidungsprozesse der Bundesministerien an. Gerade auf der Arbeitsebene habe ich mit den Ministerien bisher aber sehr gute Erfahrungen gemacht. Wenn ich Termine koordiniere, läuft das ganz schnell und hervorragend mit den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Ministerien.
Haben Sie noch eine Botschaft an die Kommunalpolitiker in der DEMO-Leserschaft?
Meine Bitte an die Kommunalpolitiker, insbesondere Bürgermeister und Landräte ist: Machen Sie das Thema nachhaltige Mobilität zur Chefsache! Wir hatten eine Energiewende, nun steht eine Verkehrswende an. Wir müssen zu neuen Technologien kommen, die idealerweise klimaneutral sind. Da denke ich an Elektromobilität, aber auch an Wasserstofftechnologie.
Und wir müssen es den Menschen schmackhafter machen, Mobilitätsmittel nicht unbedingt zu besitzen, sondern nur Zugang dazu zu haben. Also Carsharing oder Fahrradfahren fördern. Bundesweit macht Fahrradfahren zehn Prozent der Mobilität aus. Ich komme aus Erlangen, wo mein Amtsvorgänger Dietmar Hahlweg – übrigens ein Sozialdemokrat – das Fahrradfahren ausgesprochen populär gemacht hat. Dort hat das Fahrrad einen Mobilitätsanteil von 35 Prozent. In anderen Städten ist also noch viel Luft nach oben.
Hahlweg ist immer mit gutem Beispiel vorangegangen und selbst mit dem Fahrrad zu Terminen gefahren. Da haben die Bürger gedacht: Dann kann das der Arzt auch. Wir müssen davon wegkommen, das Auto als Prestigesymbol zu betrachten, und in Sachen Mobilität auch mehr wechseln: Zu Fuß gehen, Fahrrad fahren, Bus fahren, und wenn man dann immer noch nicht ans Ziel kommt eben Carsharing nutzen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.