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Führungskräfte einig: Deutschland hinkt bei Digitalisierung hinterher

Spitzen aus Wirtschaft und Politik sind unzufrieden mit dem Stand der Digitalisierung in Deutschland. Besonders die Verwaltung und andere staatliche Bereiche halten sie für rückständig. Laut Digitalreport 2022 ist die Zuversicht jedoch groß, dass es unter der Ampel-Regierung besser wird.
von Carl-Friedrich Höck · 24. Januar 2022
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In Berlin wurde der Digitalreport 2022 vorgestellt. Er fasst die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung sowie einer Umfrage von rund 500 Führungskräften aus Wirtschaft und Politik zum Stand der Digitalisierung zusammen. Der Digitalreport wurde vom Institut für Demoskopie (IfD) Allensbach und dem „European Center for Digital Competitiveness“ an der Wirtschaftshochschule ESCP Berlin erstellt.

Meinung überraschend einhellig

Laut IfD-Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher offenbare der Report enormen Handlungsbedarf. 94 Prozent der Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik attestierten Deutschland, dass es im Bereich der Digitalisierung hinterherhinke. Sogar 98 Prozent meinten das für den staatlichen Bereich – also zum Beispiel für Behörden. „Solche Ergebnisse sieht man als Meinungsforscher selten“, sagte Köcher über die fast einmütigen Aussagen.

Das Urteil der Bürgerinnen und Bürger fällt ähnlich aus. Nur 15 Prozent meinen, dass Verwaltungen und Behörden bei der Digitalisierung schnell vorankommen. Für den Schulbereich denken dies 12 Prozent, für die Verkehrsregelung zehn Prozent. Auch der Polizei und den Sicherheitsbehörden attestieren nur zwölf Prozent der befragten Bürger*innen rasche Fortschritte.

Politik in der Verantwortung

Die befragten Führungskräfte sehen mehrheitlich (78 Prozent) die Politik in einer Schlüsselrolle, um die Digitalisierung im Land voranzutreiben. Immerhin: 82 Prozent sind zuversichtlich, dass die neue Bundesregierung die Digitalisierung entschiedener angehen werde als die alte. „Bemerkenswert“ findet Renate Köcher diesen Wert, weil Wirtschaftsspitzen eigentlich überwiegend CDU-affin seien.

Die breite Bevölkerung ist skeptischer. Hier ergab die Umfrage, dass 37 Prozent der Ampel-Regierung zutrauen, die Digitalisierung entschiedener voranzutreiben. 32 Prozent denken das nicht, der Rest war unentschieden. Köcher erklärte: Je höher der sozialökonomische Status der Befragten, desto größer sei der Glaube an Erfolge der neuen Regierung.

50 Prozent der befragten Bevölkerung sehen es als eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung an, die Digitalisierung zu forcieren. Die öffentliche Verwaltung rückt dabei zunehmend in den Fokus. Im Jahr 2020 gaben in einer Umfrage 34 Prozent der Teilnehmenden an, eine leistungsfähige Verwaltung gehöre zu den drängendsten Aufgaben der Regierung. Nun meinen das bereits 47 Prozent. Viele Bürger*innen hätten schlechte Erfahrungen gemacht, etwa mit langen Wartezeiten, erklärt Köcher.

Drei Hebel

Philip Meissner von der ESCP Business School sieht drei Hebel, um die Digitalisierung schneller voranzubringen. Erstens müssten die Potenziale der digitalen Technologien stärker an die Bürger kommuniziert werden. Dazu gehöre, dass die Förderung von Start-ups und Zukunftstechnologien politische „Chefsache“ werden müsse. Diese Themen müssten also von den Spitzen der Regierungsparteien verantwortet werden. Zweitens müsse mehr Geld in Zukunftstechnologien und Start-ups fließen, zum Beispiel aus Lebensversicherungen. Und drittens solle der Staat „Transformation ermöglichen“ und selbst investieren sowie Regulierungen abbauen. So könnten Schulen und Hochschulen virtuelle Realität in der Lehre einsetzen. Zehn Prozent der Infrastruktur-Investitionen könnten in Zukunftsprojekte wie Drohnen oder Hyperloop gesteckt werden.

Die Ampel-Koalition im Bund plant laut Koalitionsvertrag „einen umfassenden digitalen Aufbruch“. Dafür sollen ein zentrales Digitalbudget eingeführt und Gesetze einem Digitalisierungschef unterzogen werden. „Die Verwaltung wird digitaler und konsequent bürgerorientiert“, versprechen SPD, Grüne und FDP.

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Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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