Warum die Koalition das Straßenverkehrsgesetz ändern will
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Das deutsche Straßenverkehrsrecht folgt bisher zwei Prämissen. Erstens: Der Verkehr soll möglichst ungestört fließen. Und zweitens: Er soll für die Verkehrsteilnehmenden sicher sein. Beide Maßstäbe werden auch in Zukunft gelten, doch es sollen nicht mehr die einzigen Kriterien sein. Das sieht ein Entwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vor, der in der Nacht zu Freitag vom Bundestag beraten wurde.
Neue Grundlagen für Verkehrsregelungen
Die Ampel-Koalition hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, weitere Ziele ins Straßenverkehrsrecht aufzunehmen: den Klima- und Umweltschutz, die Gesundheit der Bürger*innen und die städtebauliche Entwicklung. Länder und Kommunen sollen bei der Verkehrsplanung neue Entscheidungsspielräume bekommen.
Das passiert aber erst im zweiten Schritt. Der Gesetzentwurf, der nun in den Verkehrsausschuss des Bundestages überwiesen wurde, soll dafür lediglich die Grundlage schaffen. Denn der Verkehr wird durch Verordnungen geregelt, insbesondere die Straßenverkehrsordnung (StVO). Diese Verordnungen müssen sich an Leitplanken halten, die das Straßenverkehrsgesetz vorgibt.
Was sich nun ändert: in Zukunft darf eine neue verkehrsregelnde Bestimmung zum Beispiel nur mit dem Klima- oder Gesundheitsschutz begründet werden. Es ist nicht mehr nötig, dass sie auch den Verkehrsfluss verbessert oder die Sicherheit erhöht. Gleichwohl sollen diese Aspekte nicht außer Acht gelassen werden.
Erleichterte Bedingungen für Parkraumbewirtschaftung
Die Verkehrsminister*innenkonferenz (VMK) hat bereits in einem Beschluss einige Wünsche formuliert, wie die StVO weiterentwickelt werden könnte. Zum Beispiel möchte sie Kommunen ermöglichen, bei der Anordnung von Bewohnerparken vorausschauend zu handeln. Bisher müssen sie erst einen erheblichen „Parkdruck“ nachweisen, damit sie in einem Gebiet die Parkraumbewirtschaftung einführen dürfen. Sie müssen also aufzeigen, dass die Nachfrage nach Stellflächen wesentlich größer ist als das Angebot.
Künftig sollen auch Prognoseentscheidungen möglich sein. Wenn im Zuge städtebaulicher Entwicklungen absehbar ist, dass es zu großem Parkdruck kommen wird, könnten die Kommunen somit gegensteuern und dafür sorgen, dass er gar nicht erst eintritt.
Außerdem wollen die Verkehrsminister*innen probeweise Sonderfahrspuren für bestimmte Mobilitätsformen einführen. Diese könnten dann von Autos genutzt werden, die ausschließlich elektrisch oder mit Wasserstoff betrieben werden. Oder auch von Fahrzeugen, in denen mehrere Personen sitzen. Die Idee dahinter: Je mehr Menschen ein Auto transportiert, desto weniger Fahrten sind nötig.
Pläne für mehr Tempo 30
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung nimmt ausdrücklich auf diese Wünsche der VMK Bezug. Die genannten beabsichtigten Vorschriften sollen mit der Gesetzesnovelle auf eine sichere Grundlage gestellt werden.
Der SPD-Abgeordnete Mathias Stein forderte in seiner Rede im Bundestag mehr Möglichkeiten für Kommunen, um die Geschwindigkeitsbegrenzungen an die Bedarfe vor Ort anzupassen. Zum Beispiel, indem sie auf längeren Strecken Tempo 30 anordnen. In Berlin sei es aktuell so: „Alle paar Meter kommt eine neue Geschwindigkeit. Mal, weil da ein Pflegeheim ist, mal, weil da eine Kita ist. Was machen die Autofahrenden? Die fahren 50, weil sie manchmal das Schild auch nicht sehen.“
Die Bundesregierung will die Anordnung von Tempo 30-Regelungen an bestimmten Stellen erleichtern. Unter anderem an Spielplätzen und hochfrequentierten Schulwegen. Auch auf kürzeren Streckenabschnitte zwischen zwei Tempo-30-Zonen (maximal 500 Meter) soll Tempo 30 ausgewiesen werden können, um den Verkehrsfluss zu verbessern.
Mehr Informationen:
bundestag.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.