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Warum die Kommunen auch 2021 rote Zahlen schreiben

Die Kommunen schließen das erste Halbjahr 2021 mit einem Finanzierungsdefizit von 5,7 Milliarden Euro ab. Das teilt das Statistische Bundesamt mit.
von Carl-Friedrich Höck · 4. Oktober 2021
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Auch im zweiten Corona-Jahr klaffen in den Kassen der Kommunen große Löcher. Das Finanzierungsdefizit der Gemeinden und Gemeindeverbände (ohne Stadtstaaten) beträgt im ersten Halbjahr dieses Jahres 5,7 Milliarden Euro. Das teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Grundlage der vierteljährlichen Kassenstatistik mit.

Im Vorjahr ersetzten Bund und Länder die Ausfälle

Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2019 war das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben noch relativ ausgeglichen gewesen, das Defizit hatte nur 0,3 Milliarden Euro betragen. Mit der Corona-Krise folgte im ersten Halbjahr 2020 ein sprunghafter Anstieg auf 9,6 Milliarden. Somit hat sich die finanzielle Situation der Kommunen im ersten Halbjahr 2021 zwar wieder verbessert, aber noch längst nicht entspannt.

Im Gegenteil: Für die Kommunen könnte das Defizit 2021 sogar folgenreicher werden als das Minus im Vorjahr. Denn in der zweiten Jahreshälfte 2020 haben Bund und Länder Corona-Hilfen an die Kommunen gezahlt, um ihnen die Einnahmeausfälle bei der Gewerbesteuer zu ersetzen. Als Folge konnten die Kommunen das Jahr 2020 letztlich sogar mit einem Überschuss von zwei Milliarden Euro abschließen. Eine Zusage über vergleichbare Finanzhilfen im laufenden Jahr gibt es bisher nicht.

Einnahmen sind gestiegen – die Ausgaben auch

Wie das Destatis meldet, setzt sich das Ergebnis aus kommunalen Kern- und Extrahaushalten zusammen. Das Defizit der Kernhaushalte belaufe sich im ersten Halbjahr 2021 auf 6,7 Milliarden Euro (Vorjahreszeitraum: 9,5 Milliarden). Die Extrahaushalte hatten dagegen einen Überschuss von 1,0 Milliarden Euro.

Die bereinigten Einnahmen der Kommunen stiegen im ersten Halbjahr 2021 um 8,2 Milliarden Euro auf 135,7 Milliarden Euro. Dem stehen Ausgaben in Höhe von 141,4 Milliarden Euro gegenüber – 4,3 Milliarden Euro mehr als im Vorjahreszeitraum.

Destatis geht auch auf mehrere Faktoren ein, die das Ergebnis maßgeblich beeinflusst haben. Die Corona-Krise spielt offenbar weiterhin eine große Rolle, ist aber nicht der einzige Grund für das Defizit.

Wieder mehr Geld aus Gewerbesteuer

Einnahmen: Die Steuern spülen wieder mehr Geld in die Kassen als im ersten Halbjahr 2020. Sie sind um zwölf Prozent auf 44,3 Milliarden gestiegen. Bei der Gewerbesteuer betrug der Zuwachs sogar 23,4 Prozent. Somit flossen im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 23,6 Milliarden Euro aus der Gewerbesteuer an die Kommunen. Das ist relativ nah dran an den 24,3 Milliarden Euro aus dem ersten Halbjahr 2019 – also dem Wert vor der Corona-Krise.

Weniger Geld erhielten die Kommunen im laufenden Jahr aus Schlüsselzuweisungen, weil in der zweiten Jahreshälfte 2020 Zahlungen vorgezogen worden waren. Mit 23,3 Milliarden Euro liegen die Zuweisungen 6,3 Prozent unter dem Betrag des Vorjahreszeitraumes. Gestiegen sind die Einnahmen aus Verwaltungs- und Benutzungsgebühren: um 3,9 Prozent auf 15,5 Milliarden Euro.

Neuordnung der Hilfen für Menschen mit Behinderung

Sozialausgaben: Mehr Geld aufwenden mussten die Kommunen für Sozialleistungen. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2020 sind die Ausgaben um 5,9 Prozent auf 32,1 Milliarden Euro gestiegen. Als ausschlaggebend bewertet das Destatis die Reform der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung (Sozialgesetzbuch IX) ab dem Jahr 2020. Hierfür wurden im ersten Halbjahr 2020 noch 6,7 Milliarden Euro ausgegeben. 2021 sind es bereits 8,4 Milliarden. Vor 2020 waren ähnliche Eingliederungsleistungen im Sozialgesetzbuch XII geregelt. Für die hier festgeschriebenen Leistungen mussten die Kommunen im ersten Halbjahr 0,4 Milliarden Euro weniger zahlen als im Vorjahreszeitraum.

Die Zahlen sind allerdings mit einem Vorbehalt versehen. Denn rechnet man die Leistungen aus den Sozialgesetzbüchern IX und XII zusammen, ergibt sich eine Schwankung: Im ersten Halbjahr 2019 wurden 15,6 Milliarden Euro ausgegeben, im ersten Halbjahr 2020 15,4 Milliarden und nun 16,8 Milliarden. „Dies könnte auf eine Untererfassung als Folge der Systemumstellung im 1. Halbjahr 2020 hindeuten“, schreibt das Statistische Bundesamt zu den Zahlen.

Bei SGB-II-Leistungen wurden Kommunen entlastet

Bemerkbar macht sich, dass der Bund den Kommunen bei den SGB-II-Leistungen („Hartz VI“) stärker unter die Arme greift. Der Anteil des Bundes an den Ausgaben für Unterkunft und Heizung wurde auf maximal 74 Prozent erhöht. Die Folge: Die Kommunen bekamen in diesem Jahr 71,4 Prozent mehr Geld aus Erstattungen für diese Leistungen als im ersten Halbjahr 2020. Anders ausgedrückt: Die Ausgaben sind zwar um etwas mehr als vier Prozent auf 6,0 Milliarden gestiegen, davon bekamen die Kommunen aber 4,2 Milliarden Euro zurück.

Weitere Faktoren: Die Personalausgaben und der laufende Sachaufwand der Kommunen haben etwas zugenommen (um 4,2 beziehungsweise 4,5 Prozent). Dagegen sind die Sachinvestitionen etwas rückläufig (minus 2,5 Prozent). Für Zinsen müssen die Kommunen weniger Geld ausgeben als noch im Vorjahreshalbjahr (minus 7,3 Prozent).

Kommunalverbände rufen nach Unterstützung

Während im Bund Sondierungsgespräche für eine künftige Koalition laufen, erneuern die Kommunen ihren Ruf nach finanzieller Unterstützung. Der Präsident des Deutschen Städtetages Burkhard Jung fordert, dass Bund und Länder erneut Steuerverluste der Städte und Gemeinden ausgleichen. „In den Rathäusern gibt es viel Unruhe, weil in den Jahren 2021 und 2022 den Kommunen durch die Corona-Krise fast 20 Milliarden Euro an Steuereinnahmen fehlen”, sagte er der Rheinischen Post (Montagsausgabe).

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) drängt auf einen weiteren Rettungsschirm für die Kommunalfinanzen für 2021 und 2022. „Das kommunale Finanzierungsdefizit von minus 5,7 Milliarden Euro bestätigt, dass die Corona-Pandemie mehrjährig zu milliardenschweren kommunalen Defiziten führen wird“, sagt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg gegenüber der DEMO.

Was Städte und Gemeinden von neuer Koalition erwarten

Wichtigstes Ziel der neuen Bundesregierung müsse sein, gemeinsam mit den Ländern abzusichern, dass die Kommunen dauerhaft mit eigenen Mitteln alle ihre Aufgaben erfüllen und die nötigen Investitionen tätigen können, erklärt Landsberg. Schon heute liege der kommunale Investitionsrückstand bei 149 Milliarden Euro. Und es stünden viele bedeutsame Zukunftsinvestitionen an, zum Beispiel für Klimawandel, nachhaltige Mobilität, Betreuung, Bildung und Breitband/Digitalisierung.

Der DStGB hat am Montag seine Erwartungen an die neue Bundesregierung formuliert. Der Verband fordert einen „Masterplan Zukunft für Deutschland“. Es gehe nicht nur um Geld, so Landsberg zur DEMO. „Investitionen und einen starken Schritt in die Zukunft werden wir nur schaffen können, wenn Planungssicherheit geschaffen, Personal gewonnen und gehalten werden kann, Bürokratiewust und lähmende Standards und Ansprüche entschlossen zurückgeschnitten werden.“ Zudem müsse eine Entschuldung für die höchstverschuldeten Kommunen kommen, damit diese wieder Handlungsspielraum und Perspektiven gewinnen. Ohne diese Maßnahmen könne es keine gleichwertigen Lebensverhältnisse in Deutschland geben.

 

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destatis.de

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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