Hitzeschutz ist ein komplexes Thema. Trinkwasser in Fußgängerzonen, öffentliche kühle Räume anzubieten, Sonnensegel zu spannen und mehr Grünzonen einzurichten sind nur einige der Aspekte, die einen Hitze-Aktionsplan ausmachen.
Bei der Hauptversammlung des Deutschen Städtetags in dieser Woche machte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die kommunalen Vertreter*innen auf die Gefahren wegen zunehmender UV-Strahlung aufmerksam. Beim Schutz vor UV-Strahlung bestehe in vielen Städten und Gemeinden Handlungsbedarf, war die Botschaft am Infostand. Besonders in Kitas, auf Spielplätzen und Schulhöfen seien Schutzmaßnahmen wie mehr Schattenplätze in Zukunft dringend nötig, erfuhren sie dort. Laut einer Umfrage des BfS in kommunalen Verwaltungen gaben sieben von zehn Befragten an, über die Folgen des Klimawandels für Kommunen Bescheid zu wissen. Über die damit zusammenhängende steigende Gefahr von UV-Strahlung jedoch fühlen sich nur vier von zehn gut informiert.
Der Bevölkerung ein paar Tipps geben reicht nicht
Doch nicht nur beim UV-Schutz besteht Aufklärungsbedarf. Die Kommunen in Deutschland haben das Thema Hitze-Aktionsplanung insgesamt viele Jahre ignoriert, bedauert Henny Annette Grewe. Sie hat als Professorin an der Hochschule Fulda viele Jahre über den Zusammenhang von Klimawandel und Gesundheit geforscht. Extreme Wetterlagen häufen sich. Aber nicht nur Hochwasser und Trockenheit werden zu einer wachsenden Gefahr für die Zivilbevölkerung, sondern ebenso die zunehmende Zahl an Tagen mit intensiver Sonneneinstrahlung.
An solchen Tagen kommen allgemeine Tipps, ausreichend zu trinken oder besser im Schatten zu bleiben. Aber ein koordiniertes Vorgehen seitens des Gesundheitsamts gibt es in den wenigsten Kommunen. Für die Wissenschaftlerin gehört Hitzeschutz zur Daseinsvorsorge. In Frankreich, sagt sie, habe man die Dringlichkeit bereits vor 20 Jahren begriffen und derartige Aktionspläne aufgestellt.
4.500 Hitzetote im vergangenen Jahr
In Grewes Fokus stehen ältere Menschen und solche mit einer Vorerkrankung. Temperaturen von über 40 Grad Celsius führen im Körper zu Hitzestress. Nicht nur bei Senior*innen besteht die Gefahr zu kollabieren, sondern auch bei Schwangeren, Menschen mit Übergewicht oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Wer viele Jahre seine Lunge mit Rauchen belastet hat, bekommt bei geballter Hitze nur noch schwer Luft. Nach einer Schätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) starben im Sommer 2022 in Deutschland etwa 4.500 Menschen infolge von Hitze. Im Vergleich dazu lag die Zahl der Verkehrstoten bei 2.800.
Die Konferenz der Gesundheitsminister*innen beschloss im Jahr 2020: Innerhalb der kommenden fünf Jahre sollen die Kommunen Hitze-Aktionspläne erstellen. Hierfür sei die Zusammenarbeit „mit allen relevanten Akteuren wie den Pflegediensten, dem ambulanten und stationären Versorgungssektor, dem öffentlichen Gesundheitsdienst als auch den Krankenkassen erforderlich“. Seitdem habe sich wenig getan, beobachtet die Professorin. Eine Verpflichtung sei aus dem Beschluss nicht entstanden. „Doch langsam wachen die Kommunen auf“, stellt sie fest. Wenn eine Kommune sich zu einem Hitze-Aktionsplan entschließt, muss sie nicht bei Null anfangen. Es gibt Blaupausen, die im Internet abzurufen sind. Als Beispiel nennt Grewe die Schweizer Toolbox, die das Bundesamt für Gesundheit in Bern erstellt hat.
Stadt Stuttgart wagt sich an das Mammutprojekt
Dass trotz nützlicher Handreichungen ein solcher Aktionsplan für eine Kommune zu einem Mammutprojekt werden kann, weil es aus vielen Einzelmaßnahmen besteht, weiß Lucia Schanbacher. Sie ist für die SPD-Fraktion Sprecherin im Sozialausschusses des Stuttgarter Gemeinderats. Die Fraktion hat ihren Antrag durchgebracht, erste Mittel sind im Nachtragshaushalt der Stadt eingestellt. Nun soll die Umsetzung Schritt für Schritt erfolgen. „Es bedeutet viele Jahre Arbeit, bis das Projekt abgeschlossen ist“, hat sie inzwischen erkannt. Erst recht, wenn man sich an Frankreich orientiert. Dort ist beispielsweise vorgeschrieben, dass Helfer*innen an Hitzetagen alleinstehende alte Menschen besuchen, um nach ihrem gesundheitlichen Zustand zu schauen.
Wer sich in seiner Kommune für einen Hitze-Aktionsplan einsetzt, muss trotz dringender Appelle der Weltgesundheitsorganisation und der Bundesregierung immer noch mit Widerstand aus der Kommunalpolitik rechnen. Ludwigsburg liegt in der Nachbarschaft von Stuttgart. SPD-Kreistagsmitglied Thomas Reusch-Frey berichtet aus der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses. Dort sei vom Gesundheitsamt die Idee für einen Aktionsplan vorgestellt worden, die seine Fraktion gerne aufgegriffen habe. Eine Rätin aus einer anderen Fraktion habe hingegen die Notwendigkeit grundsätzlich verneint: Bei Hitze reiche es, „den gesunden Menschenverstand einzusetzen“, habe sie gesagt. Ein Bürgermeister unter den Kreistagsmitgliedern argumentierte: „Wir sollten unsere Bürger dazu erziehen, mündig zu bleiben, und nicht zur Unselbstständigkeit, indem wir ihnen das Wasser hinterhertragen.“ Die Aussage habe ihn fassungslos gemacht, erinnert sich Reusch-Frey.
Einzelhandel verliert an Hitzetagen ältere Kundschaft
Manchmal ziehen allerdings Wirtschafts- und nicht Gesundheitsargumente, um Kritiker der nicht ganz billigen Schutzmaßnahmen nachdenklich zu machen. Ältere Menschen sind wichtig für den Einzelhandel, weil jüngere lieber online einkaufen. Gibt es in der Innenstadt in den Hitzetagen keine kühlen Plätze zum Ausruhen, weil Bäume in der Fußgängerzone nicht vorgesehen waren, bleibt auch die alte Kundschaft weg. In Ludwigsburg hat die Überlegung dazu geführt, dass ein Antrag für mehr Innenstadt-Grüne endlich eine Mehrheit fand.
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu