Einrichtungsbezogene Impfpflicht

Landkreistag: Umsetzung für Verwaltung äußerst anspruchsvoll

Karin Billanitsch27. Januar 2022
Eine einrichtungsbezogene Impfpflicht ist beschlossen.
Der Landkreistag hält die einrichtungsbezogene Impfpflicht für richtig. Die Landkreise brauchen aber weitere Konkretisierungen, lautet die Forderung. Im Einzelfall muss ein Gesundheitsamt eine Abwägung treffen.

Die Nachricht des Vizelandrats von Bautzen schlug große öffentliche Wellen: Bautzen will die Impfpflicht für das Pflegepersonal nicht umsetzen. Am Montagabend hat Udo Witschas (CDU) während einer Demonstration von Gegnern der Coronapolitik der Bundesregierung erklärt, dass der Landkreis weder Betretungsverbote noch Bußgeld gegen medizinisches Personal verhängen wird. Bautzens Landrat Michael Haring hat in einem Schreiben an Ministerpräsident Michael Kretschmer geäußert, dass die Impfpflicht verschonen oder aufgehoben werden sollte. „Gesetzliche Regelungen sollten nur dann getroffen werden, wenn deren Umsetzung machbar und damit verbundene Ziele erreichbar sind. Beides ist nicht gegeben", so Harig. 

So weit wie die Bautzener will der Landkreis Vorpommern-Greifswald nicht gehen, aber auch hier gibt es Bedenken, was die einrichtungsbezogene Impfpflicht angeht. Berichte, wonach der Landkreis die Impfpflicht nicht durchsetzen will, dementierte Landrat Michael Sack (CDU).

„Wichtige Schutzmaßnahme für Beschäftigte“

Mitte Dezember haben Bundestag und Bundesrat eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) begrüßte in ihren Beschlüssen am 22. Januar die Einführung einer solchen Impfpflicht: „Sie stellt eine wichtige Schutzmaßnahme für Patientinnen und Patienten sowie für die Beschäftigten dar.“  Ab dem 15. März müssen Beschäftigte in Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegebereichs künftig nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können.

Allerdings kommt damit ein erheblicher Mehraufwand auf die ohnehin extrem geforderten Landkreise zu. Dieser könne „nur sehr schwer geleistet werden“ stellt Michael Sack fest. Beim Kreis wartet man daher auf konkrete Handlungsanweisungen zur Umsetzung der in der GMK genannten Themen.

Landkreistag: „Ermessensabwägung, ob Versorgungssicherheit bedroht ist“

Laut Landkreistag besteht aber keinerlei Zweifel daran, „dass diese gesetzliche Regelung umgesetzt werden muss und auch umgesetzt wird“, wie es auf Anfrage der DEMO heißt. „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist richtig, aber in der Umsetzung durch die Gesundheitsämter der Landkreise auch äußerst anspruchsvoll und trifft auf eine seit Monaten extrem geforderte Verwaltung. Es wird auch etwas dauern, bis wir das vollzogen haben können“ sagte der Beigeordnete Jörg Freese. Er weist darauf hin, dass das individuelle Verfahren erst am 16. März beginnt, wenn kein ausreichender Nachweis vorliegt.

Es kommt aber auch auf die konkreten Umstände vor Ort an: „Im Rahmen einer Ermessensabwägung ist zu prüfen, ob dadurch im jeweiligen Landkreis die Versorgungssicherheit vor allem in der Pflege und beim Rettungsdienst wesentlich gefährdet werden würde“, erläutert Freese. „Insofern müssten die Gesundheitsämter im jeweiligen Einzelfall eine Entscheidung treffen. Diese wird je nach konkreter Versorgungslage unterschiedlich ausfallen.“

 Um im Ergebnis aber ein vergleichbares Herangehen der Gesundheitsämter zu erreichen, fordert Freese von den für den Vollzug verantwortlichen Ländern, den Landkreisen weitere Konkretisierungen an die Hand geben, für eine ausreichende Personalausstattung sorgen und soweit sinnvoll auch einzelne Aufgabenblöcke selbst landeszentral übernehmen.

Clausen: Gesetz „desaströs gestrickt“

Pit Clausen, Oberbürgermeister von Bielefeld und Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetages, übte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk scharfe Kritik an der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Sie sei "desaströs gestrickt" worden und so "nicht zu managen", sagte Clausen.

Die Verfahren zur Durchsetzung der Impfpflicht sei in jedem Einzelfall sehr lang und führten zu einer absurden Mehrbelastung der Gesundheitsbehörden. Clausen betonte, dass die Städte frühzeitig auf Probleme bei der Umsetzung hingewiesen hätten.

Riethig: „Mögliche Tätigkeitsverbote sind Einzelfälle“

Im Landkreis Göttingen bereitet man sich vor und beobachtet die Entwicklungen: Auf die Frage der DEMO, wie der Landkreis bezüglich der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gerüstet ist und ob Probleme mit Personalmangel befürchtet werden, antwortete Landrat Marcel Riethig (SPD) „Die Pflegekräfte in den Einrichtungen im Landkreis Göttingen sind, in Verantwortung für die betreuten Menschen, zum weitaus größten Teil geimpft. Die Impfquote liegt weit über dem Durchschnitt. Bei möglichen Tätigkeitsverboten reden wir also allenfalls von Einzelfällen. Aufgrund der ohnehin angespannten Personalsituation im Pflegebereich beobachten Gesundheitsamt und Heimaufsicht die Situation im Landkreis dennoch sehr genau und stimmen sich ab“, so Riethig. Eine fachlich gute Pflege müsse gewährleistet sein. Deshalb werden, im Austausch mit dem Sozialministerium, derzeit Szenarien geprüft.

Witschas rudert zurück

Bautzens Vizelandrat Udo Witschas rudert inzwischen zurück. Er sei falsch verstanden worden, sagte er übereinstimmenden Berichten zufolge. Sein Verhalten und die Ankündigung eines Rechtsbruchs könnten aber Folgen haben: erste Rücktrittsforderungen werden laut.

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