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Landratswahl: Den Menschen an der Ahr wieder Sicherheit geben

Ein halbes Jahr nach der Flut wird im Kreis Ahrweiler ein neuer Landrat gewählt. Christoph Schmitt von der SPD tritt als überparteilicher Kandidat an. Der 35-Jährige möchte einen neuen Politikstil prägen.
von Jonas Jordan · 21. Januar 2022
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Am Sonntag wird im Kreis Ahrweiler ein neuer Landrat gewählt. Sie kandidieren. Wie groß ist Ihre Aufregung wenige Tage vorher?

Je näher es Richtung Wahltag geht, steigt die Nervosität.

Erst im September traten Sie bei der Bundestagswahl an und verfehlten den Einzug ins Parlament knapp. Wie kam es, dass nun direkt der nächste Wahlkampf für Sie ansteht?

Das hat mit der Sondersituation im Kreis Ahrweiler zu tun. Regulär wäre die nächste Landratswahl in zwei Jahren gewesen, aber aufgrund der Flutkatastrophe und des Missmanagements des alten Landrates ist dieser nun aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Dienst ausgeschieden. Aus diesem Grund gibt es jetzt schon die Landratswahl. Für mich persönlich war es vom zeitlichen Ablauf nicht so schön, von einem Wahlkampf in den nächsten zu gehen, weil es doch alles sehr kräftezehrend ist.

Wann fiel Ihre Entscheidung, bei der Landratswahl anzutreten?

Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Man muss das auch familiär bedenken, dass man von einem Wahlkampf in den nächsten geht. Entschieden habe ich mich Anfang November für die Kandidatur.

Wie läuft der Wahlkampf in dieser besonderen Situation nach der Flutkatastrophe im Sommer ab?

Zwei Drittel des Landkreises waren nicht direkt von der Flut betroffen. Dort haben wir mehr oder weniger normale Verhältnisse. An der Ahr selbst ist Wahlkampf immer noch schwierig. Im Vergleich zur Bundestagswahl haben diesmal aber alle Bewerber auch in den betroffenen Orten plakatiert, um die Menschen auch dort mit Wahlwerbung zu erreichen. Den klassischen Wahlkampf mit Infoständen oder Haustürbesuchen gibt es weiterhin nicht. Einerseits wegen der Flut, andererseits auch wegen Corona, insofern in doppelter Hinsicht ein besonderer Wahlkampf.

Noch immer wohnen viele Menschen nicht wieder in ihren Häusern, viele Orte sind zerstört. Wie wird die Wahl selbst organisiert?

Auch in den betroffenen Orten wird es wieder reguläre Wahllokale geben. Das war bei der Bundestagswahl noch anders. Da wurden vom Land Wahlbusse eingesetzt, die durch die Orte gefahren sind. In der schwer betroffenen Verbandsgemeinde Altenahr wird die Verwaltung bei der Durchführung der Wahl von Mitarbeitern anderer Verwaltungen zusätzlich unterstützt.

Der Landkreis Ahrweiler galt viele Jahrzehnte lang als CDU-Hochburg. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Schon bei der Bundestagswahl lag die SPD beim Zweitstimmenergebnis zum ersten Mal vor der CDU. Nicht zuletzt aufgrund der großen Versäumnisse des ehemaligen Landrates beim Thema Katastrophenschutz und Katastrophenmanagement gibt es eine politische Wechselstimmung. Deswegen sind die Chancen durchaus vorhanden, dass wir einen Landrat bekommen, der nicht das CDU-Parteibuch hat.

Die Gesamtgemengelage ist schwierig, weil mit Frau Weigand die Verbandsbürgermeisterin aus Altenahr antritt, die eine sehr große mediale Aufmerksamkeit in den Wochen nach der Flut bekommen hat und diese jetzt für ihren Wahlkampf nutzt. Ich rechne mit einem spannenden Rennen zwischen dem CDU-Bewerber Horst Gies, Cornelia Weigand und mir.

Demnach gehen Sie von einer Stichwahl aus?

Davon gehe ich aus. Unser Ziel ist es, in die Stichwahl zu kommen. Dann haben wir gute Chancen.

Sie sind SPD-Mitglied, treten aber als überparteilicher Kandidat an. Warum?

Damit wollte ich zum einen zum Ausdruck bringen, dass der künftige Landrat seine Funktion in der jetzigen Situation überparteilich wahrnehmen muss. In den letzten Jahren hat der Landrat das nicht immer so gelebt. Wenn wir die großen Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen, meistern wollen, muss ein Umdenken stattfinden. Dann muss man alle Kräfte bündeln und gemeinsam daran arbeiten. Zum anderen wird meine Kandidatur auch von anderen Fraktionen unterstützt, zum Beispiel von den Freien Wählern. Daher habe ich mich bewusst dazu entschieden, überparteilich ins Rennen zu gehen.

Sie sind 35 Jahre alt und damit fast 30 Jahre jünger als der bisherige Landrat. Stehen Sie auch dadurch für einen Neuanfang?

Ja, genau. Durch mein Alter stehe ich für einen Neustart, aber auch durch meine Grundeinstellung, wie ich Kommunalpolitik mache. Ich bin ein Verfechter davon, dass wir parteipolitisches Denken in kommunalen Gremien nicht nach vorne stellen, sondern gemeinsam an Lösungen arbeiten sollten. Deshalb werde ich auch von meinen Kollegen im Kreistag geschätzt.

Was sind die wichtigsten Themen, die Sie als Landrat angehen wollen?

Das Allerwichtigste ist, dass wir den Menschen entlang der Ahr wieder das Gefühl von mehr Sicherheit geben, indem wir Hochwasserschutzmaßnahmen schnellstmöglich umsetzen. Auch beim Katastrophenschutz und -management müssen wir schnellstmöglich Strukturen schaffen, um den Menschen zu zeigen: Wir tun etwas und sind auf eine ähnliche Situation beim nächsten Mal besser vorbereitet. Denn die Menschen haben immer noch Angst. Anfang des Jahres stieg die Ahr nach Regenfällen an. Da wurden viele wieder nervös, Erinnerungen wurden geweckt.

Das zweite Thema, das kreisweit wichtig ist, ist der Klimaschutz. Da haben wir in den letzten 20 Jahren so gut wie nichts gemacht. Wir sind im Landesvergleich mit Blick auf die Nutzung erneuerbarer Energien auf dem letzten Platz.

Gleichzeitig hat sich der Kreis das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden.

Genau. Diesen Beschluss haben wir 2011 im Kreistag gefasst. Seitdem haben wir quasi keine Projekte umgesetzt, so gut wie keine neuen Windräder gebaut und auch im Bereich Solarenergie sehr wenig getan.

Bislang spielte der Tourismus in der Region eine große Rolle. Wie kann sie nach der Flutkatastrophe wieder attraktiv für Tourist*innen werden?

Die Landschaft ist immer noch so schön wie sie vorher war. Die Region bietet vieles für Gäste. Das gilt es auch jetzt hervorzuheben, wie beispielsweise mit der Aktion „SolidAHRität“ im Herbst, sodass man die Gäste wieder in die Region lockt. Wir müssen zudem unsere Tourismusstrategie ausweiten und mit dem Ahrtal verknüpfen.

Wie werden Sie den Wahlabend verbringen?

Ich werde an dem Abend mit meiner Frau wie alle Kandidaten in der Kreisverwaltung sein und dort die Ergebnisse live verfolgen. Im besten Fall werden wir abends mit einem guten Glas Rotwein von der Ahr anstoßen können und uns dann an die Arbeit machen, um die Stichwahl vorzubereiten.

Autor*in
Jonas Jordan

ist Redakteur des vorwärts im Berliner Vorwärts Verlag. Er hat Politikwissenschaft studiert.

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