Wie Potsdam die Einreise eines Rechtsextremisten verhindern will
IMAGO/Jürgen Ritter
Potsdam ist bundesweit in den Schlagzeilen, seit die Rechercheplattform Correctiv über ein Vernetzungstreffen von Rechtsextremen berichtet hat. Es fand am 25. November 2023 in der Villa Adlon statt. Mit dabei: Der österreichische Rechtsextremist und Aktivist Martin Sellner. Die Kommune will nun verhindern, dass Sellner erneut nach Brandenburg kommt. „Die Landeshauptstadt Potsdam hat am Freitag das rechtsstaatliche Verfahren zum Entzug der Freizügigkeit gegen den österreichischen Staatsbürger Martin Sellner begonnen“, teilte ein Sprecher der Stadt laut Medienberichten mit.
Freizügigkeit kann beschränkt werden
Grundsätzlich genießen Bürger der Europäischen Union (EU) in allen EU-Mitgliedsstaaten Freizügigkeit. Das gilt auch für Sellner, weil Österreich der EU angehört. Das „Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern“ sieht jedoch Ausnahmen vor. Unionsbürger*innen können das Recht auf Einreise und Aufenthalt verlieren. Allerdings „nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“, wie es im Gesetz heißt.
Die Stadt Potsdam teilt auf DEMO-Anfrage mit, dass sie sich zu personenbezogenen Verwaltungsvorgängen und laufenden Verfahren nicht äußern werde. Sie bestätigt aber, dass aktuell geprüft werde, „ob von den in Potsdam als Ort der Zusammenkunft getroffenen Aussagen eine Gefahr für die Sicherheit und öffentliche Ordnung ausgeht und wie Wiederholungen im Rahmen einer örtlichen Zuständigkeit mit rechtsstaatlichen Mitteln zu verhindern sind.“ Das geschehe „auf Hinweis von Bundessicherheitsbehörden“.
Alle relevanten Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Landesebene würden zum Abwägungsprozess hinzugezogen, teilt die Stadt weiter mit. „Deren Erkenntnisse fließen in die Prüfung ein.“
Zuständig ist die Ausländerbehörde
Ob einem EU-Bürger die Einreise verweigert oder der Aufenthalt befristet wird, entscheiden durch Landesrecht bestimmte Behörden. Das sind unter anderem die örtlichen Ausländerbehörden.
Bis über den Fall Sellner entschieden ist, wird noch etwas Zeit vergehen. Die Stadt schreibt dazu: „Die Dauer einer entsprechenden Prüfung hängt von der Dauer und dem Umfang sowie der Dringlichkeit der Angelegenheit ab. Grundsätzlich ist vor einer Entscheidung auch eine zumindest schriftliche Anhörung in Form einer Gelegenheit zur Stellungnahme der betroffenen Person erforderlich. Diese erhält in der Regel eine mehrwöchige Frist, um sich zu äußern.“
Der Ausgang ist offen
Sollte am Ende tatsächlich ein Einreiseverbot für Sellner ausgesprochen werden, würde es für ganz Deutschland gelten. Das Freizügigkeitsgesetz setzt dafür hohe Hürden (FreizügG/EU § 6). „Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“, heißt es da. Es reicht zum Beispiel nicht aus, dass jemand schon einmal strafrechtlich verurteilt wurde. Anders sieht es aus, wenn die fragliche Person zum Umsturz aufruft oder eine terroristische Bedrohung darstellt.
Der Ausgang des Verfahrens zu Martin Sellner dürfte demnach auch in anderen Kommunen aufmerksam registriert werden. Denn die rechtsextreme Szene ist international vernetzt. Rechte Veranstaltungen mit internationalen Gästen sind keine Seltenheit.
Für Aufsehen sorgte in der Vergangenheit ein ähnlicher Fall: Der britische Holocaust-Leugner David Irving war 1993 zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er bei einem Auftritt in München das Ansehen Verstorbener verunglimpft hatte. Die Münchener Ausländerbehörde wies ihn daraufhin aus Deutschland aus. Damals gehörte Großbritannien noch zur EU.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.