So kontert die SPD die Union-Vorschläge zur Flüchtlingspolitik
Als der Antrag von CDU/CSU am Donnerstag erstmals im Bundestag diskutiert wurde, war er eigentlich schon überholt. „Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern unterstützen“ lautete der Titel. Darin fordert die Unions-Fraktion, Sonderregelungen im Baugesetzbuch zu verlängern, die den schnelleren Bau von Unterkünften ermöglichen. Statt Ende 2024 sollen sie erst im Dezember 2027 auslaufen. Nur: Genau das hatte am Vortag bereits das Bundeskabinett in seiner Sitzung beschlossen.
Kommunalgipfel in Berlin
Außerdem schlägt die CDU/CSU-Fraktion vor, im § 246 des Baugesetzbuches flexible Regelungen für den Ausbau der sozialen Infrastruktur wie Kindergärten, Schulen und Obdachlosenheime zu schaffen. Dass der Antrag am Donnerstag im Plenum vorgestellt wurde, war wohl kein Zufall. Denn für denselben Tag hatte die Fraktion zu einem „Kommunalgipfel über die Asyl- und Flüchtlingspolitik“ nach Berlin eingeladen. 400 Gäste waren der Einladung nach Fraktionsangaben gefolgt, darunter etwa 200 Bürgermeister*innen und Landrät*innen.
„Zuhören“ und „lernen“ wolle man, erklärten die Fraktionsspitze dort dem Publikum. Offensichtlich ging es der Union aber auch darum, eine vermeintliche Schwäche der Ampel-Koalition auszunutzen. Schließlich warnen viele Städte und Gemeinden, sie seien bei der Aufnahme von Geflüchteten an der Belastungsgrenze. Und seit Monaten betonen Kommunalverbände immer wieder, Bund und Länder müssten sie auch finanziell stärker unterstützen.
Mit ihrer Migrationspolitik setze die Ampel-Koalition Fehlanreize, kritisierte Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Die Fraktion legte auch ein Positionspapier vor. Elf Seiten umfasst es, um Integration geht es nur auf den letzten eineinhalb Seiten. Der größte Teil des Papiers geht der Frage nach, wie Schutzsuchende und andere Migrant*innen besser aus Deutschland ferngehalten oder abgeschoben werden können. „Die faktischen Aufnahmekapazitäten Deutschlands stoßen an ihre Grenzen“, ist da zu lesen – was manch eine*n an den einstigen Republikaner-Slogan „Das Boot ist voll“ erinnern dürfte.
SPD-Fraktion verweist auf CDU-geführte Länder
In der Bundestagsdebatte hatten die Ampel-Fraktionen Gelegenheit, auf den Vorstoß der Union zu reagieren. Besonders die SPD-Abgeordnete Franziska Mascheck aus dem Wahlkreis Leipzig-Land nutzte dies, um die Argumente der Union Stück für Stück auseinanderzunehmen. Die Solidarität mit den Geflüchteten sei überall groß, auch bei ihr im Landkreis, leitete sie ihre Rede ein. Und es sei richtig, dass der Bedarf an Kita-, Schulplätzen und Wohnungen steige, insbesondere in Ballungsräumen. Nur: Das sei auch schon vor 2015 eine Herausforderung gewesen.
Der Bund übernehme seit Juni 2022 die Grundsicherung für Geflüchtete aus der Ukraine und unterstütze die Länder beim Thema Flucht und Migration in den Jahren 2022 und 2023 mit insgesamt mehr als sieben Milliarden Euro, erklärte Mascheck. Ob dieses Geld dann auch bei den Kommunen ankomme, liege aber in der Hand der Bundesländer. Diese hätten im vergangenen Jahr zwölf Milliarden Euro Überschuss erwirtschaftet, der Bund dagegen kämpfe mit einem Defizit von 120 Milliarden. Das CDU-geführte Sachsen habe einen Haushaltsüberschuss von 1,5 Milliarden, während die Kommunen mit 272 Millionen Euro im Defizit seien. Trotzdem wolle der Freistaat sein Geld für künftige Notlagen zurückstellen. „Was ist es dann, wenn das jetzt keine Notlage ist?“, fragte die SPD-Abgeordnete. Sachsen solle das Geld lieber für Kitas, Schulen und Wohnraum ausgeben und für die engagierten Menschen und Initiativen vor Ort, die die Integration voranbrächten.
Dann verwies Mascheck auf den Fachkräftemangel: Bis 2026 würden rund 240.000 Fachkräfte benötigt. Seit der jüngsten Prognose des Bundesarbeitsministeriums habe sich der Bedarf fast halbiert, damals sei noch von 500.000 fehlenden Fachkräften ausgegangen worden. „Der Grund dafür ist die erhöhte Zuwanderung nach Deutschland“, erklärte die Sozialdemokratin.
Faesers Maßnahmen gegen illegale Einwanderung
Als nächstes konterte sie die Vorwürfe der Union, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unternehme zu wenig gegen illegale Migration. Faeser hatte im Februar zu einem Flüchtlingsgipfel eingeladen. „Im Zuge des Gipfels wurden die Grenzkontrollen zu Österreich verlängert, Schleierfahndung an der tschechischen Grenze eingeführt, Kontrollen in die Schweiz verstärkt, ein Abkommen mit Serbien über die Änderung der Visa-Praxis abgeschlossen, die EU investiert verstärkt in den Schutz der Außengrenzen und vor allem auch in die Bekämpfung von Fluchtursachen vor Ort“, zählte Mascheck auf. Zudem leiste der Bund für die Kommunen vor Ort Amtshilfe mit dem Technischen Hilfswerk, der Bundeswehr und der Bundespolizei. Die Zahl der von der Bundespolizei festgestellten illegalen Einreisen sei in den vergangenen Monaten stetig gesunken.
Ein Lob immerhin hatte die sächsische Politikerin für die Unionsfraktion. Die geforderten Maßnahmen – etwa zur Umnutzung von Gebäuden, um Geflüchtete unterzubringen, oder zur Befreiung von Bebauungsplänen – seien „alles super Punkte“. Die Fachpolitiker*innen der Ampel würden daran schon längst arbeiten, „Sie sind mal wieder etwas zu spät“, kommentierte Mascheck in Richtung Union.
Maschecks Rede im Video:
Ihr Fraktionskollege Bernhard Daldrup stellte anschließend klar, dass die Bundesregierung keineswegs nur schnell auf den Antrag der Union reagiert habe, wie diese nun behauptet. Viele Maßnahmen, mit denen der Bund die Kommunen unterstützen will, seien bereits am 16. Februar beim Flüchtlingsgipfel im Bundesinnenministerium angekündigt worden. Mehr modulares Bauen, der Einsatz von Mitteln der Städtebauförderung, das Bundesprogramm zur Sanierung kommunaler Einrichtungen – all das sei dort bereits besprochen worden und werde jetzt umgesetzt. Und auch in Nordrhein-Westfalen leite die CDU-geführte Landesregierung, seit die Landtagswahl vorbei sei, nur noch die Hälfte der Bundesmittel an die Kommunen weiter, kritisierte Daldrup.
Mehr zur Debatte:
bundestag.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.