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Stadtentwicklungspolitik: Wo die Fraktionen auseinanderliegen

Wir werden ländliche Räume attraktiver, Städte nachhaltiger und Wohnen wieder bezahlbar? Baupolitiker*innen aller Bundestagsfraktionen diskutierten auf dem Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik über die richtigen Ansätze.
von Carl-Friedrich Höck · 13. September 2023
Bauen und Stadtentwicklung beschäftigt nicht nur die Kommunen, sondern auch den Bundestag.

Die Diskussionsrunde hat Tradition. Wenn der Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik (NSP) tagt, gehört stets ein Schlagabtausch der Fachpolitiker aller Bundestagsfraktionen dazu. So auch jetzt beim 16. Treffen.

In diesem Jahr tagt der Kongress in Jena. Ausgerichtet wird er von der Bauminister*innenkonferenz der Länder, dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie dem Bund.

Wo sind sich die verschiedenen Fraktionen einig? Und bei welchen Themen gibt es Zoff? Die wichtigsten Äußerungen im Überblick.

Wie der Wohnungsbau belebt werden kann

Eine „kleine industrielle Revolution beim Bauen“ erwartet der FDP-Bundestagsabgeordnete Rainer Semet. Mit geänderten Methoden, modularen und seriellen Bauweisen ließen sich enorme Produktivitätsfortschritte erreichen. Auch der SPD-Abgeordnete Bernhard Daldrup setzt darauf. „Serielles Bauen ist etwas ganz anderes als das, was wir früher Plattenbau genannt haben.“ Bauen könne damit wesentlich schneller gehen. Die Rahmenbedingungen seien bekannt. Man müsse das vielleicht noch mehr fördern und den Mut haben, das umzusetzen, sagte Daldrup. Der Bundestag mache es übrigens vor. Damit verwies der SPD-Politiker auf ein Büroneubau in der Nähe des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, das in modularer Holzbauweise errichtet wurde.

Lars Rohwer (CDU/CSU) sieht ein Problem darin, dass für serielles Bauen noch durchgängige Standards fehlten, an denen sich Planer*innen und Genehmiger*innen ausrichten können. Und er meint: „Wir können es schaffen, dass wir in nur sechs Wochen ein Haus bauen.“ Denn das meiste werde im Werk gefertigt.

Anja Liebert (Bündnis 90/Die Grünen) warnte davor, bei Standards zu nachlässig zu sein. Man solle nicht schnell etwas bauen, was dann nicht nachhaltig sei. Und Caren Lay (Die Linke) betonte: Es dürfe nicht darum gehen, dass einfach nur mehr gebaut wird. Sondern es müsse bedarfsgerecht gebaut werden – also vor allem sozialraumorientierter und gemeinnütziger Wohnraum.

Wie Wohnen wieder bezahlbar wird

Nicht überall seien die Mieten hoch – darauf verwies CDU-Politiker Rohwer. Sein Wahlkreis liegt in Dresden und im Landkreis Bautzen. Dort seien die Durchschnittsmieten mit fünf bis sechs Euro vertretbar. Solche Gebiete dürfe die Politik nicht aus den Augen verlieren. Caren Lay hielt dagegen, man dürfe das Problem hoher Mieten nicht kleinreden. Die Hälfte der Menschen gebe mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. „Das war eigentlich mal unsere Obergrenze.“ Deshalb brauche es ein anderes Mietrecht, um wirksam zu regulieren, wenn auch „nicht in Kleinkleckersdorf“. Dem stimmte Barnhard Daldrup zu: Man müsse genau hinschauen. In Ballungszentren zahlten viele Menschen sogar 40 Prozent oder mehr ihres Einkommens für die Miete. „Denen hilft es überhaupt nichts, wenn Sie Leerstand in Thüringen haben.“ Man müsse in das Mietrecht eingreifen, weil es hier ein Marktversagen gebe.

Einwanderung

Auf den Leerstand auf dem Land hatte zuvor der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner verwiesen. Ansonsten rückte der rechtsextreme Politiker erwartungsgemäß das Thema Migration in den Mittelpunkt seiner Aussagen. Die Zugewanderten müssten nicht alle in Wohnungen rein und ohnehin müsse man „an der Zuwanderung drehen“. Das brachte ihm Buh-Rufe aus dem Publikum ein. „Der übliche Fall, wie man Menschen gegeneinander ausspielt“, kommentierte der SPD-Abgeordnete Daldrup.

Die Grünen-Politikerin Liebert sagte, sie sei dankbar, dass viele Menschen zu uns kämen und auch zum wirtschaftlichen Wachstum des Landes beitrügen. Vor 10 bis 15 Jahren habe sich die Debatte noch um den demografischen Wandel gedreht – also um den Bevölkerungsrückgang in den Städten und die damit verbundenen Probleme.

Wie kann der ländliche Raum attraktiver werden?

Co-Working-Räume in leerstehenden Gastronomiebetrieben oder Ladenlokalen einzurichten, empfahl Anja Liebert (Grüne). Nach Möglichkeit solle es dazu auch Kinderbetreuung geben und Mobilitätsstationen für Menschen ohne eigenes Auto.

Rainer Semet (FDP) sagte: „Man muss ein Angebot schaffen.” Und das beste Angebot, um in den ländlichen Raum zu ziehen, sei Wirtschaftsförderung. Dazu gehöre auch Infrastruktur, also etwas Schulen und Nahversorgung. Aber „die Grundlage unseres Landes ist eine funktionierende Wirtschaft.“

Rohwer erklärte, er würde mit Natur, frischer Luft und toller Umgebung für ländliche Räume werben. Und mit Nachhaltigkeit – also dem Angebot, bestehende Altbau-Substans auf Vordermann zu bringen. Man müsse „an Standards drehen“, an der Förderung und auch am Öffentlichen Nahverkehr. Eine Äußerung, die Caren Lay nicht unkommentiert stehen lassen wollte: „Die CDU hat in Sachsen Schulen geschlossen und Schienen zurückgebaut.“ Es sei falsch gewesen, den Grundsatz gleichwertiger Lebensverhältnisse aufzugeben. Und es sei auch falsch gewesen, die Wirtschaftsförderung auf Großstädte zu konzentrieren.

Bernhard Daldrup widersprach Lay: Der Grundsatz, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, sei nie aufgegeben worden. Er stehe sogar im Grundgesetz. Auch aus seiner Sicht ist der wichtigste Punkt, um Menschen von einem Leben auf dem Land zu überzeugen, Arbeit. Hier sei die schleppende Digitalisierung das Kernproblem. Zweitens gehe es um die Frage, wie familienfreundlich die Lebensbedingungen auf dem Land sind. Das Thema Mobilität verortet Daldrup etwas weiter hinten. „Die meisten haben ein Auto im ländlichen Raum.“ Denn anders funktioniere es zumindest in den Randzeiten nicht, selbst wenn man On-Demand-Sammeltaxen einrichte. Dazu merkte Anja Liebert an: Autonomes Fahren auf festgelegten Strecken könne künftig eine Möglichkeit sein, kostengünstiger Nahverkehrsangebote zu schaffen.

Wie werden Städte klimafreundlicher?

Es sei wichtig, „dass Städte Spaß machen“, sagte Daldrup. Deshalb müsse die Stadtgesellschaft motiviert werden, sich für den Klimaschutz zu engagieren. Zum Beispiel mit dem Ziel, in zwei Jahren 1.000 Solardächer in einer Stadt zu schaffen, 1.000 Bäume zu pflanzen oder 1.000 Quadratmeter zu entsiegeln. Das seien konkrete Maßnahmen zum Mitmachen, die von der Stadtgesellschaft und dem Stadtrat zusammen entwickelt werden könnten.

Caren Lay ergänzte, bei Themen wie Stadtgrün oder Schwammstädte müsse mehr passieren. Semet plädierte dafür, bei der Dekarbonisierung „nicht nur auf ein System zu setzen“, zudem müsse man „die Wirtschaft entlasten“. Daher gehe es nicht nur um den Ausbau der Elektromobilität, sondern zum Beispiel auch um das Heizungsgesetz – das müsse man in der Gesamtheit betrachten.

Einig waren sich – bis auf die AfD – alle Diskutant*innen, dass der Einbau neuer Gas- oder Ölheizungen sinnfrei sei, auch wegen der absehbar hohen Folgekosten.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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