Damit Touristen keine Mieter verdrängen

Wohnungen an Feriengäste zu vermieten ist lukrativ. Doch wo Wohnraum knapp ist, gehen so zusätzlich Flächen verloren. Viele Kommunen wehren sich mit einem Zweckentfremdungsverbot.
von Carl-Friedrich Höck · 22. Juli 2019
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Mit Ferienwohnungen lässt sich viel Geld verdienen. Ein Beispiel: In Berlin-Schöneberg wird eine stark nachgefragte 38-Quadratmeter-Wohnung für mehr als 100 Euro pro Nacht vermietet, zuzüglich Gebühren. Auf den Monat hochgerechnet können so Einnahmen von mehr als 3.000 Euro erzielt werden. Auf dem Wohnungsmarkt werden vergleichbare Immobilien für rund 15 Euro pro Quadratmeter angeboten – das macht 570 Euro im Monat. Nicht wenige Eigentümer geraten bei solchen Zahlen in Versuchung, ihre Wohnung lieber an Feriengäste zu vermieten als an dauerhafte Bewohner. Online-­Portale wie Airbnb machen es einfach.

Die Politik sieht Handlungsbedarf

Wo Wohnraum ohnehin knapp ist, wird der Mangel so verschärft. Und das gilt längst nicht mehr nur für Großstädte wie Berlin oder Hamburg. In Niedersachsen hat der Landtag vor wenigen Wochen ein Gesetz beschlossen, das der sogenannten Zweckentfremdung von Wohnungen einen Riegel vorschieben soll. Neben den urbanen Ballungs­zentren sei die Wohnsituation vor allem auf den ostfriesischen Inseln angespannt, erklärt der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Adomat den Handlungsbedarf.

Das Gesetz begrenzt in angespannten Wohnlagen das kommerzielle Vermieten von Wohnungen ohne Genehmigung auf zwölf Wochen pro Jahr. Für Adomat ein notwendiger Schritt. Das Gesetz gebe den Kommunen „Instrumente an die Hand, um zu verhindern, dass Wohnraum uneingeschränkt beziehungsweise frei seinem eigentlichen Zweck, dem Wohnen, entzogen wird“, sagt er.

München ist Vorreiter

Anderswo gibt es das schon lange. In München gilt seit 1972 ein Zweckentfremdungsverbot. Das heißt: Ohne eine Genehmigung der Stadt darf Wohnraum nicht für andere Zwecke genutzt werden, etwa gewerblich als Ferienwohnung oder auch als Arztpraxis. Ebenso genehmigungspflichtig ist es, die Wohnung länger als drei Monate leer stehen zu lassen oder sie abzureißen.
Weil sich Vermieter an diese Regeln nicht immer halten, hat der Stadtrat eine Sondereinheit eingesetzt. Sieben Vollzeitstellen leistet sich die Stadt allein, um illegale Ferienwohnungen aufzuspüren.

„Das ist ein Herantasten“, sagt Hedwig Thomalla, Sprecherin des Münchner Sozialreferats. Mit der Zeit habe man zunehmend Erfahrung entwickelt, welche Nachweise man braucht, um notfalls auch vor Gericht zu bestehen. Zunächst suchten die Mitarbeiter der Stadt selbst auf den Ferienwohnungs-Portalen nach Verdachtsfällen. Mittlerweile gehen sie fast nur noch Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Eine Anfang 2018 gestartete Onlineplattform ermöglicht es den Münchnern, den städtischen Kontrolleuren einfach und anonym Tipps zu geben.
In weniger als einem Jahr gingen mehr als 1.000 Meldungen auf mögliche Zweckentfremdung beim Sozialreferat ein. Ein Anzeichen dafür, dass sich viele Anwohnende durch illegale Ferienwohnungen gestört fühlen. Die Sprecherin des Sozialreferats berichtet von Beschwerden, weil die Feriengäste oft spät nach Hause kämen und weniger Rücksicht auf Nachbarn nähmen. Neben Lärm sei auch Müll ein Thema.

Viele Wohnungen wieder vermietet 

„Im Lauf der Jahre hatten wir deutliche Erfolge“, sagt Thomalla zu der Frage, wie erfolgreich das Zweckentfremdungsverbot durchgesetzt wird. Im Jahr 2013 konnte die Stadt 159 Wohnungen wieder dem Mietmarkt zuführen. Im vergangenen Jahr waren es schon 370 Wohnungen. Grundlage dafür ist – wie auch in Niedersachsen – ein Landesgesetz gegen Zweckentfremdung. Es wurde in Bayern erst im Sommer 2017 verschärft. Seitdem können deutlich höhere Bußgelder verhängt werden, nämlich bis zu 500.000 Euro. Die Münchner Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) wünscht sich noch mehr: Eine Regis-trierungspflicht für sämtliche Ferienwohnungen und eine Handhabe, um Zweckentfremdung notfalls auch per Räumung beenden zu können.

Auch in Berlin wurde vor fünf Jahren ein Gesetz gegen Zweckentfremdung eingeführt. Im vergangenen Jahr wurde es nochmals verschärft, seitdem darf auch eine Nebenwohnung nur maximal 90 Tage im Jahr vermietet werden. Zudem hat Berlin eine Registriernummer eingeführt, die angeben muss, wer über ein Portal wie Airbnb eine Ferienwohnung anbietet. „Leider weisen viele Anzeigen trotz gesetzlicher Verpflichtung noch keine Registriernummer auf“, räumt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in einer Pressemitteilung ein. Senatorin Katrin Lompscher (Die Linke) sieht in dem Zweckentfremdungsverbot dennoch ein wichtiges Instrument, um Wohnraum zu schützen. Seit 2014 seien in Berlin etwa 9.300 zweckentfremdete Wohnungen wieder ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt worden.

Weitere Informationen
münchen.de/zweckentfremdung

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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