Den Kommunen fehlen Kita- und Schulplätze
Ab 2026 soll schrittweise ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler eingeführt werden. Die Kommunen macht das nervös. Es fehle an Erzieherinnen und Erziehern, Gebäuden und Flächen, erklärten Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Anfang Januar in einem Jahresauftaktgespräch. Der Verband wirbt dafür, den Rechtsanspruch teilweise auszusetzen, weil man ihn schlicht nicht umsetzen könne. Der Bedarf an Betreuungsplätzen sei höher als ursprünglich gedacht.
Große Nachfrage nach Kita-Plätzen
Ähnliche Herausforderungen gibt es bei den Kitas. Laut einer Bertelsmann-Studie stehen in Deutschland in diesem Jahr rund 384.000 Plätze weniger zur Verfügung, als benötigt würden, um die Nachfrage der Eltern zu decken.
Die Fluchtbewegung aus der Ukraine vergrößert die Herausforderungen, vor denen die Städte und Gemeinden stehen. Mehr als 350.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine wurden seit Kriegsbeginn im Ausländerzentralregister erfasst. Mehr als 200.000 wurden bereits an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland aufgenommen. Die im Dezember erschienene Studie „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“ hat ermittelt: In 91 Prozent der Familien mit Kindern im schulpflichtigen Alter besucht mindestens ein Kind eine Schule in Deutschland. 23 Prozent der Kinder unter drei Jahren und knapp 60 Prozent der Kinder im Kindergartenalter besuchen eine Kita.
Gießen unterstützt beim Kita-Einstieg
Die Stadt Gießen war im Kita-Bereich eigentlich gut aufgestellt, erzählt Stadträtin Astrid Eibelshäuser (SPD), die als Dezernentin unter anderem für Integration und Schule zuständig ist. Schon vor dem Ukraine-Krieg habe sich das geändert, weil die Bedarfe der Eltern auf Betreuung immer häufiger bereits ab dem ersten Lebensjahr bestehen, gleichzeitig viele Familien mit Kindern nach Gießen zugewandert sind. Aktuell fehlen der Stadt 400 Kita-Plätze.
Einheimische können sich sehr frühzeitig um einen Betreuungsplatz bewerben. Zugewanderte Familien benötigen im Grunde sofort einen Platz, der nicht zur Verfügung steht. Die Stadt hat deshalb, gefördert durch das Bundesfamilienministerium, ein Projekt durchgeführt: „Kitaeinstieg – Brücken in die Frühe Bildung“. Es berät Zugewanderte und unterstützt sie auch beim Anmeldeverfahren, das nicht immer leicht verständlich sei, wie Eibelshäuser einräumt.
Alternative Angebote, aber kein Ersatz
Weil die Kita-Plätze nicht ausreichen, hat die Stadt zudem bereits vor der Corona-Pandemie damit begonnen, niedrigschwellige Angebote zu schaffen: Eltern-Kind-Gruppen und sogenannte Mini-Kitas. „Das sind kleine Gruppen mit einer Erzieherin, die mehrere Male die Woche zum Spielen und anderem zusammenkommen können, damit sie soziale Kontakte haben“, erklärt die Stadträtin. Eine richtige Kita könne das natürlich nicht ersetzen. Ziel sei es, dass diejenigen, die noch auf einen Kita-Platz warten, so schon frühzeitig Kontakt zum Bildungssystem aufnehmen können.
Darauf konnte Gießen aufbauen, als zunehmend Frauen und Kinder aus der Ukraine in die Stadt kamen. „Wir hatten Erfahrung mit diesem niedrigschwelligen System, sodass wir dann sehr schnell zusätzliche Mittel eingestellt haben und mit den Kita-Trägern zusammen Angebote für die ukrainischen Kinder geschaffen haben“, sagt die Integrationsdezernentin. Ein unmittelbarer Einstieg in die Kita wäre aus ihrer Sicht auch gar nicht in jedem Fall sinnvoll gewesen. Denn viele ukrainische Familien wohnen zunächst nur vorübergehend bei Verwandten oder Bekannten. Ein Teil von ihnen hat die Stadt bereits wieder verlassen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.