Die Kommunen sind der Ort der ­europäischen Wirklichkeit

Die Erneuerung Europas kann nicht von oben diktiert, sondern muss im Kleinen gelebt werden. Dabei kommt es besonders auf die Kommunen an. Ein Gastbeitrag von Udo Bullmann, Vorsitzender der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament.
von Udo Bullmann · 29. April 2019
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Ein Genosse aus Groß-Gerau sagte mal: Die Gemeinden sind der Ort der Wahrheit, weil sie der Ort der Wirklichkeit sind. Ich finde, in dem Satz steckt eine wichtige Erkenntnis. Große Idee werden nämlich nur Wirklichkeit, wenn sie im Kleinen gelebt werden.

Eine Idee wurde mit Leben gefüllt

Als sich 1951 die Gründer der Montanunion zusammensetzten und angesichts des Leids und der Zerstörung aus zwei Weltkriegen beschlossen, dass aus den Ländern Europas Freunde werden sollten, anstatt zerstörerischen Feindschaften nachzuhängen, wurde die Versöhnung Europas ja nicht Wirklichkeit, weil jemand eine gute Idee hatte. Sie wurde doch Wirklichkeit, weil sie in den Städten und Gemeinden gelebt wurde, weil viele Menschen diese Idee erleichtert aufnahmen und Städtepartnerschaften gründeten, Schulaustausche organisierten, Austausche von Vereinen, von Verwaltungen. Die Versöhnung wurde geschaffen aus tausend kleinen Begegnungen jenseits der roten Teppiche, jenseits der Fernsehkameras, von vielen tausend Menschen, die sich engagiert haben und noch engagieren.

Die Europäische Union stärkt die Kommunen

So glaube ich auch, dass auch die Erneuerung Europas nicht von oben diktiert werden kann, sondern quasi im Kleinen gelebt werden muss. Die Europäische Union kann nur zu einem Erfolg werden, wenn vor Ort in den Gemeinden sichtbar wird, dass die EU das Leben der Menschen spürbar und nachvollziehbar verbessert. Viele Fördergelder der Europäischen Union kommen den Kommunen zugute – die Förderung von Langzeitarbeitslosen, die digitale Ausstattung von Schulen, die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, kultureller Einrichtungen. Die Europäische Union trägt mit ihren finanziellen Mitteln dazu bei, die Kommunen zu stärken, auch gegenüber der Landes- und Bundesebene.

Es gibt einige europäische Institutionen, die sich für die Kommunen einsetzen, wie den Ausschuss der Regionen, der den Regionen ein förmliches Mitspracherecht in der Gesetzgebung einräumt. Oder aber der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats, der auch dafür sorgt, dass die Anliegen einzelner Städte mehr berücksichtigt werden.

Die EU auf allen Ebenen verteidigen

Deshalb glaube ich auch, dass wir auf der kommunalen Ebene Europa wieder mehr nach vorne ziehen müssen, wir müssen uns quasi in der Mitte treffen. In dieser Situation, in der die Europafeinde an der Europäischen Union zerren, und sie zur Beute von Nationalisten und Rechtspopulisten zu werden droht, müssen wir sie auf allen Ebenen verteidigen. Auf allen demokratisch gewählten Ebenen – im Ortsbeirat, im Stadtparlament und im Kreistag, müssen wir über die Europäische Union sprechen, wir dürfen unsere eigenen Versäumnisse nicht auf die EU schieben. Wir alle müssen uns auch wieder mehr für Städtepartnerschaften einsetzen, für alle möglichen Austausche.

Wenn die Gespräche auf der höchsten politischen Ebene stocken, gibte es immer noch die zwischen den Menschen, die sich zusammensetzen und sich erzählen, wie sie Europa und die Welt sehen. Indem wir als Basis ein festes Netz an Verbindungen zwischen den Menschen knüpfen, wird Europa eine untrennbare Einheit. Nur indem Europa vor Ort gelebt wird, kann es uns gelingen, die Europäische Union tatsächlich den Menschen zurückzugeben.

 

Udo Bullmann ist Europaabgeordneter und Vorsitzender der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. Gemeinsam mit Katarina Barley ist er Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl 2019.

Dieser Text ist zuerst im Landes-SGK Extra Hessen der DEMO erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Hessen veröffentlicht.

Autor*in
Udo Bullmann

ist Europaabgeordneter und Vorsitzender der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. Gemeinsam mit Katarina Barley ist er Spitzenkandidat für die Europawahl 2019.

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