„Eine Partnerschaft macht die Stadt einfach reicher“
DEMO: Die Stadt Jena unterhält sieben Städtepartnerschaften und zu weiteren Städten partnerschaftliche Beziehungen. Die älteste ist diejenige mit Lugoj, einem Städtchen im Banat in Rumänien, die 1983 vor der Wende besiegelt wurde. Wie kam diese Partnerschaft zustande?
Albrecht Schröter: In den Staaten des Warschauer Paktes hat man damals versucht, die Verbindungen zu den Bruderländern zu festigen, indem jede größere Stadt mit einer anderen des Ostblockes verbunden worden ist. Die SED hat zunächst die Bezirke benannt, dann die Städte ausgewählt. Damals ist Temesvár mit Gera verbunden worden, im Bezirk Temesvár liegt Lugoj, im Bezirk Gera Jena. Es ist nicht die einzige Partnerschaft Jenas, die vor der Wende entstanden ist.
Welche gibt es noch aus jener Zeit?
Lugoj war 1983, Porto 1984, danach kamen Erlangen 1987 und Berkeley vom Juni 1989. Die anderen sind später dazugekommen: Aubervilliers 1999, San Marcos 1999 und Beit Jala 2011.
Die Partnerschaften aus der Vor-Wende-Zeit gibt es ja immer noch – sind sie lebendiger geworden nach der deutschen Einheit, insbesondere jene mit Lugoj, die dann ja nicht mehr von oben verordnet war?
Mit Lugoj haben wir die guten Beziehungen auch nach 1989 weitergeführt, etwa im Bereich der Stadtwerke und der Feuerwehr. Was Porto angeht, habe ich selbst die Partnerschaft ausgegraben, sie war in Vergessenheit geraten. Im Gästebuch der Stadt war der Besuch einer portugiesischen Delegation eingetragen, mit dem Vermerk über ein Städtepartnerschafts-Abkommen. Ich habe den Kontakt wieder gesucht und die Partnerschaft – etwas mühsam – wieder in Gang gebracht. Mittlerweile gibt es einen lebendigen Kultur- und Jugendaustausch.
Mit Berkeley war es ähnlich: 2011 oder 2012 hat uns ein Professor der Jenaer Universität, der mit der University of California in regem Austausch war, auf eine Partnerschaft zwischen Berkeley und Jena angesprochen. Er werde immer gefragt: Warum reagieren die Deutschen eigentlich nie oder melden sich? Da bin ich aus allen Wolken gefallen. Dann habe ich festgestellt, dass auf der Website von Berkeley ein Link nach Jena steht. Mittlerweile laufen alle diese Partnerschaften gut, sind mit Leben gefüllt. Die intensivste ist jene mit Erlangen: Ich glaube, keine andere deutsch-deutsche Städtepartnerschaft hat ein so enges Netzwerk wie unsere. Wir treffen uns jedes Jahr am 3. Oktober, zuletzt war das hier in Jena.
Städtepartnerschaften haben oft den Ruf, teuer zu sein und allzu oft nur repräsentativen Zwecken zu dienen. Was entgegnen Sie Kritikern?
Unser Ziel ist, dass möglichst viele Bürger sich begegnen und möglichst viele Vereine miteinander korrespondieren und zusammenarbeiten. Ganz ohne Bürgermeister geht es nicht, weil die Bürgermeister natürlich die Grundlinien vorgeben. Von der Freundschaft der Bürgermeister hängt oft sehr viel ab, ob etwas läuft oder nicht. Mein Ziel ist gleichwohl, mich ein Stück weit entbehrlich zu machen, ich reise im Durchschnitt alle drei Jahre in die Städte. Ich nehme bei Reisen gern interessierte Leute mit, aus dem Stadtrat, auch einen Vertreter aus der Opposition, Vertreter der Partnerschaftsvereine oder anderer Vereine, auch Künstler. Dabei geht es nicht nur um eine trockene Funktionärsbeziehung.
Welche Lerneffekte durch eine internationale Städtepartnerschaft sehen Sie für Jena?
Deutschland ist ein reiches Land, Jena ist zwar keine reiche Stadt, aber eine Stadt, der es gut geht. Wichtig ist, dass man nicht nur für sich selber lebt. Indem eine Stadt gibt, austauscht und teilt, bekommt sie tatsächlich eine Menge zurück. Wir erleben natürlich sehr viel Gastfreundschaft. Aber wir sehen auch Armut und Probleme, und man kommt immer mit einem anderen Blick in seine eigene Stadt zurück. Auch die Jugendlichen, die einander kennenlernen, profitieren. Junge Menschen können in die Partnerstädte reisen und umgekehrt. Es gibt ein Zirkusprojekt mit Palästina. Künstler treffen und befruchten sich wechselseitig. Auf unserem Weihnachtsmarkt gibt es Stände mit Produkten von den Partnern. Das sind einige spontane Beispiele. Es macht die Stadt einfach reicher.
Beispiel San Marcos. Was wird bei dieser Partnerschaft im Hinblick auf kommunale Entwicklungspartnerschaft gemacht?
Der Kontakt mit dieser nicaraguanischen Stadt ist besonders: Wir haben seit Jahren über den „Eine Welt e.V Jena“ Solaranlagen nach Nicaragua gebracht, mittlerweile sind es 1.000. Das ist eine rein kommunale Initiative. Zudem haben wir mit städtischen Mitteln von 20.000 Euro eine Biogasanlage eingerichtet. Zweitens haben wir mit der Servicestelle für Kommunen in der Einen Welt (SKEW) ein Klimaschutzprojekt auf den Weg gebracht, zu dem wir zehn Prozent selbst beisteuern, 90 Prozent werden gefördert. Damit werden Klimaschutzprojekte wie Wiederaufforstung von Gebieten oder auch Wasserprojekte in Ortsteilen von San Marcos finanziert. Auch neue Herde werden angeschafft, die effektiver sind, immer mit dem Ziel, die Abholzung zu reduzieren.
Wie stark engagiert sich Jena finanziell in Städtepartnerschaften?
Wir haben einen Haushalt von 260 Millionen Euro und geben für Städtepartnerschaften bisher 75.000 Euro an Reise- und Sachmitteln aus und noch einmal 40.000 für Zuschüsse bei Investitionsprojekten.
Jena ist mit der palästinensischen Stadt Beit Jala verschwistert und kooperiert mit Gilboa in Israel. Wie kam diese doch recht ungewöhnliche Kombination zustande?
Beit Jala kenne ich seit 1995. Als wir unsere Partnerschaft beschlossen haben, erfuhren wir danach mehr oder weniger zufällig, dass Beit Jala auch mit unserer französischen Partnerstadt Aubervilliers verbunden war. Hier gab es wiederum auch Kontakte der Franzosen nach Gilboa in Israel. Der Grundansatz war, eine vierseitige Partnerschaft aufzubauen, mit dem Reiz, dass jeweils zwei ehemalige Erbfeinde, nämlich Frankreich und Deutschland, sowie zwei jetzige Konterparts sich bemühen, Versöhnung auf kommunaler Ebene mitzubefördern.
Es lief sehr gut an, es gibt einen unterzeichneten Kooperationsvertrag mit der Region. Leider ruht es im Moment: Israel meldet sich seit einem Jahr nicht mehr bei uns. Wir wollen dranbleiben. Ich bin übrigens im Präsidium des deutschen Städtetages damit beauftragt, trilaterale Partnerschaften zwischen Deutschland, Israel und Palästina zu befördern. Ich bin gerade sehr intensiv unterwegs, mehr palästinensische Partnerschaften zu entwickeln.
Sie waren mit Vertretern von Kommunen vor kurzem in Palästina. Was haben Sie erreicht?
Es war eine Sondierungsreise. Ich glaube, dass die Motivation der Beteiligten für eine Partnerschaft schon da ist, man muss das aber vorsichtig angehen. Man kann nicht erwarten, dass hier sofort Entscheidungen getroffen werden. So etwas muss sich entwickeln können. Es gibt hier drei Stufen, wie bei der Liebe: Man lernt jemanden kennen, dann unternimmt man etwas zusammen, und erst in der dritten Stufe sagt man sich verbindlich zu, eine Beziehung zu führen. Es war eine große Offenheit der Beteiligten da, solche Schritte zu gehen. Der Wunsch palästinensischer Städte nach deutschen Partnerschaften ist sehr hoch.
Um welche Themen geht es dabei?
Das Wichtige für die Menschen in Palästina ist zunächst, dass jemand kommt und genau hinsieht, sich nicht von Propaganda leiten lässt, sondern die Situation vor Ort erlebt. Man lebt dort sicher, es gibt aus meiner Sicht keine Gefahr für Touristen. Man erlebt Gastfreundschaft, spricht vielleicht auch eine Gegeneinladung aus. Sie wollen kein Geld; es geht um fachliche Beratung, etwa über kommunale Services, über Tourismus, über Fragen kultureller und sozialer Zusammenarbeit. Sie wollen einfach die Isolation durchbrechen.
Mehr Informationen
www.demo-online.de: „Kommunale Partnerschaften mit Palästina“
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.