Einen direkten Draht zur Seniorengeneration finden
Es ist soweit: In diesen Wochen startet in Lampertheim – einer 33.000 Einwohner zählenden Gemeinde unweit des nordbadischen Mannheim – das Vorhaben „Aufsuchende Sozialarbeit“. Es wendet sich vor allem an die Generation 60 plus, an Seniorinnen und Senioren also, von denen es in Lampertheim etwa 10.000 gibt. Das Hilfsprojekt wird für eine Generation von Mitbürgern umgesetzt, „die vielleicht noch 25 Lebensjahre vor sich haben“, wie Robert Lenhardt, der Vorsitzende des örtlichen Sozialausschusses im Gemeinderat, schätzt. Lenhardt und Marius Schmidt, der Fraktionsvorsitzende der Lampertheimer Sozialdemokraten, haben die Idee vorangetrieben, unterstützt von der FDP.
Zwei Initiativen als Ausgangspunkt
Ausgangspunkt waren zwei Initiativen der Koalition aus SPD und FDP: Die Stadtverwaltung sollte ein Konzept für „aufsuchende Sozialarbeit“ erarbeiten, zweitens sollte eine Armuts- und Sozialkonferenz ins Leben gerufen werden, „die den Austausch zwischen Politik, Verwaltung und den Sozialverbänden stärken sollte“, erläutert Lenhardt. „Aufsuchende Sozialarbeit“ ist eine Spielart des Streetworking und bedeutet kurz gesagt: Aufbau von Kontakten und Betreuung bestimmter Personengruppen, zum Beispiel Jugendlicher oder Obdachloser, in ihrem Lebensumfeld.
Bei der Konferenz sei schnell deutlich geworden, dass in Lampertheim Symptome der Altersarmut und Vereinsamung Älterer zu erkennen seien, so Schmidt. Eine der Ursachen dieser Entwicklung seien die „schwächer werdenden Familienstrukturen“. Ein Satz, der den Teilnehmern in Erinnerung blieb: „Es gibt Senioren und Seniorinnen, die täglich etwas im Internet bestellen, weil der Postbote der einzige Mensch ist, den sie am Tag noch sehen.“
„Wir spürten, dass wir unsere soziale Infrastruktur stärken müssen“, beschreibt Schmidt die Entwicklung Deshalb entschied sich die Stadt für die Aufwertung der eigenen Seniorenbegegnungsstätte. Der Stellenanteil einer Halbtagskraft wurde aufgestockt, um so Kapazitäten für die „aufsuchende Sozialarbeit“ zu gewinnen.
Sozialarbeiterin: Gezielte Vor-Ort-Besuche
Sozialdezernent Jens Klingler (SPD), beschreibt das Aufgabengebiet mit „gezielten Vor-Ort-Besuchen, Fallbegleitung durch Anrufe und persönlichen Betreuungen. Die Sozialarbeiterin ist auch Ansprechpartnerin für Menschen, die zum Beispiel bei ihren betagten Nachbarn Veränderungen feststellten oder jemanden kennen, dem in fortgeschrittenem Alter die sozialen Kontakte wegzubrechen drohen oder der in sehr bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebt. Über eine „Nummer gegen Kummer“ wird die Verwaltungsangestellte alarmiert und kann Kontakt aufnehmen, einen Besuch machen und gegebenenfalls über andere Angebote für Senioren in der Kommune informieren. Sie hat auch die Möglichkeit, die älteren Menschen an kompetente Stellen wie die Seniorenberatung der Caritas oder auch den städtischen Seniorenbeirat weiterzuvermitteln.
Robert Lenhardt und Marius Schmidt gelang es, über die örtliche Presse das Thema „Aufsuchende Sozialarbeit für Senioren“ publik zu machen. „Viele Betroffene fühlten sich direkt angesprochen, und es gingen viele diskrete Hinweise über möglicherweise Hilfsbedürftige ein“, erzählen die Sozialdemokraten. Lenhardt beschreibt die Notwendigkeit kurz und knapp: „Wird nicht über solche Aktionen gegengesteuert, dann fallen zu viele durch das Raster: Menschen, die sich aus Scham oder anderen Beweggründen nicht trauen, sich um Hilfe zu bemühen“.
Verzahnung mehrerer Stellen
Um möglichst effektiv arbeiten zu können, planen die Initiatoren auch einen Informationsaustausch zwischen der Sozialarbeiterin, die die Menschen aufsucht, dem Sozialausschuss der Stadt Lampertheim und dem städtischen Seniorenbeirat. Für die Beiratstätigkeit teilen sich die Stadt und die Caritas die Kosten je zur Hälfte. Außerdem ist daran gedacht, ein weiteres Projekt – die Mobile Wohnberatung – in die begonnene neue Form der Sozialarbeit einzubeziehen. Lenhardt und Schmidt halten die gesamte gemeinsame Aktion für „ausbaufähig“. Sie wollen vorerst aber den Jahresbericht des Sozialausschusses abwarten und dessen Erkenntnisse „für weitere Entscheidungen“ nutzen. Für das Projekt hat die SPD-Fraktion der Lampertheimer Stadtverordnetenversammlung übrigens sogar den „Hessenlöwen“ der Akademie für hessische Kommunalpolitik erhalten. Der Pilotcharakter wurde dabei besonders gewürdigt. Auch für den DEMO-Kommunalfuchs 2018 waren die Genossen nominiert.