„Es ist notwendig, die Sirenen wiederaufzubauen“
Mit welchem Szenario hat sich eine größere Katastrophenschutz-Übung in Nürnberg befasst?
In jüngster Zeit haben wir uns besonders dem Thema Stromausfall gewidmet. Wir haben in verschiedenen Konstellationen mit unseren Stäben – also dem Verwaltungsstab und der örtlichen Einsatzleitung – das Szenario eines potenziellen, großflächigen und lang andauernden Stromausfalls geplant, besprochen und versucht, Lösungen zu finden. Das wird uns auch in den kommenden Monaten noch deutlich beschäftigen.
Aus welchem Grund haben Sie dieses Szenario angenommen?
Wir reagieren damit auf die allgemeine Bedrohungslage. Das Problem ist derzeit, dass wir aufgrund der politischen und energiepolitischen Lage davon ausgehen müssen, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren einmal zu einem solchen Stromausfall kommen kann, und möchten als Stadt Nürnberg – Feuerwehr- und Katastrophenschutzbehörde –gewappnet sein und der Gefahr begegnen können.
Und was tun Sie genau?
Wir bereiten die kritischen Infrastrukturen – das sind einmal die Feuerwachen, zum anderen die Geräte der freiwilligen Feuerwehr – soweit vor, dass wir einen Betrieb weiterfahren können. In einer zweiten Linie bereiten wir die Stadt Nürnberg vor, damit sie ihren internen Verwaltungsbetrieb für die Dauer eines Stromausfalls aufrechterhalten kann. Das heißt, dass wir die Grundfunktionen einer Stadtverwaltung soweit etablieren, dass der Bürger sich mit seinen notwendigsten Angelegenheiten an die Stadt wenden kann.
Wie ist festgelegt, wer in einem solchen Fall innerhalb der Stadt für welchen Bereich zuständig ist?
Das Problem versuchen wir ja gerade genau zu lösen. Wenn es zu einem flächendeckenden Stromausfall kommt, kommt die Führungsgruppe Katastrophenschutz, das ist in Bayern der der Verwaltungsstab, zusammen und muss Prioritäten festlegen, wie weitergearbeitet wird. Dafür sind wir derzeit dabei, Checklisten zu erstellen, woran alles gedacht werden muss. Das heißt zu Beispiel: Wie kann ein Bürger die Notrufe erreichen, wenn das Telefon- und Mobilfunknetz zusammenbricht? Was ist mit der Energieversorgung der Behörden und weiteren kritischen Infrastrukturen? Wie kann man sicherstellen, dass die Versorgung mit Trinkwasser sowie das Entsorgen des Abwassers funktioniert? Es ist also ein vielschichtiges Thema, wie eine Stadtverwaltung vorbereitet sein muss.
Es gibt, bedingt durch den Klimawandel, vermehrt Starkregen und Überschwemmungen. Sind Sie darauf vorbereitet?
Nürnberg muss aufgrund seiner Lage immer mit einem Starkregenereignis rechnen. In der Vergangenheit sind wir verschont geblieben von solchen Ereignissen. Aber vom Grundsatz her sind wir vorbereitet und haben Planungen, was bei einem Starkregen passieren kann. Aufgrund unserer Flusskonstellationen müssen wir nicht unbedingt mit Hochwasser rechnen.
Welche Mechanismen werden etwa bei Starkregen in Gang gesetzt?
Wir haben in Nürnberg eine zentrale Leitstelle, die für den Großraum Nürnberg zuständig ist, insgesamt für drei Landkreise und drei Großstädte. Die Leitstelle würden wir als erstes personell hochfahren und verstärken. Es würden dann, wenn nötig, zusätzliche Einsatzleitplätze besetzt werden. Es würde dann auch die Örtliche Einsatzleitung und bei Bedarf die Führungsgruppe Katastrohenschutz installiert werden, die dann das operative Geschäft für diesen Shadensfall übernimmt. Flächendeckend würden die freiwilligen Feuerwehren alarmiert, um zusätzliche Kräfte für die Stadt zu bekommen und im weiteren Verlauf um andere abzulösen und einiges mehr. Auch an Material haben wir nach den Erfahrungen mit Hochwasser in den vergangenen Jahren einiges an Vorrat.
Welche Aufgaben haben Sie konkret und wie sind Oberbürgermeister und Bürgermeister eingebunden?
Oberbürgermeister, Bürgermeister und Leiterin des Bürgermeisteramtes sind in der Führungsgruppe Katastrophenschutz etabliert und sind die Hauptverwaltungsbeamten im Verwaltungsstab; in der weiteren Linie ist der Leiter der Feuerwehr im Verwaltungsstab als Vertreter tätig und ist Fachberater für den Oberbürgermeister und seine Vertreter für die Bereiche Feuerwehr und Bevölkerungsschutz.
Wer informiert im Krisenfall die Bevölkerung und übernimmt das Krisen-Informationsmanagement?
Das übernimmt das Presse- und Informationsamt. Deren Leiter beziehungsweise Stellvertreter sind Teil des Verwaltungsstabes und würden dann verantwortlich für die Stadt Nürnberg die Pressearbeit übernehmen. Sie bedienen sich dazu nicht nur der klassischen Medien wie Rundfunk, Fernsehen und schreibende Presse, sondern richten gleichzeitig ein Bürgertelefon ein. Das sind besonders geschulte Mitarbeiter der Stadt, die in Verbindung mit dem Führungsstab Informationen an die Anrufer weitergeben können. Die Mitarbeiter können dabei auch gezielt im Verwaltungsstab aktuelle Sachstände nachfragen, die dann wiederum gespiegelt werden. Das gewährleistet einen Informationstransfer, der möglichst flächendeckend, zeitnah und korrekt abläuft. Dafür nutzen wir eine einfach zu bedienende Software.
Heute sind durch die sozialen Medien wie etwa Twitter Informationsflüsse in Echzeit sehr schnell. Haben Sie im Blick, dass dadurch vorzeitig ungeplant Details herauskommen?
Die Stadt betreibt in dem Moment einer Großschadenslage einen eigenen Twitterkanal, in dem Informationen weitergegeben und auch Falschinformationen, die vielleicht unterwegs sind, richtiggestellt werden können. Das wird im Onlinebüro des Presse-und Informationsamtes – in enger Abstimmung mit der Führungsgruppe Katastrophenschutz – organisisert.
Sirenenwarnsysteme aus der Kriegszeit wurden bundesweit vielerorts abgebaut. Wie sieht es in Nürnberg aus? Braucht man diese Systeme noch?
Definitiv ja. Auch bei uns ist es so, dass nach dem Ende des kalten Krieges bis auf einige Ausnahmen die Sirenen abgebaut wurden. Wir sind aber seit 2018 dabei, bis zum Jahr 2020 wieder ein vollständiges System in Nürnberg aufzubauen mit insgesamt 107 modernen Hochleistungssirenen. Wir halten es für absolut notwendig, die Sirenen wiederaufzubauen, da es kein besseres System gibt, um den „Weckeffekt“zu erreichen.
Es gibt weitere hervorragende Systeme, um die Bevölkerung zu informieren, zum Beispiel die Systeme NINA oder KATWARN. Mit diesen erreiche ich aber nicht umfassend den gewünschten Weckeffekt, zum Beispiel nachts, wenn man schläft. Durch die Sirenen geweckt, weiß jeder: Jetzt heißt es, Radio, Fernsehen oder welche Medien auch immer einzuschalten und sich zu informieren. Auch bei Stromausfall erreiche ich in jedem Fall, dass die Leute gewarnt werden, dass etwas passiert ist.
Es gab vor kurzem eine Geiselnahme in einer Apotheke am Hauptbahnhof in Köln. Wie ist eine solche Lage zu beurteilen?
In dem Moment, in dem es auch um einen potentiellen Brandsatz geht, ist es eine gemischte Einsatzlage von polizei und Feuerwehr. Die primäre Koordination der Geisellage liegt natürlich in der Hand der Polizei. Es erfolgt dann eine enge Zusammenarbeit mit allen Einsatzkräften an der Einsatzstelle. Ggfs würde in Nürnberg in einem solchen Fall einen Koordinierungsfall ausgerufen. Koordinierungsfall bedeutet in diesem Fall, dass auch hier wieder die Mitglieder der Stadtspitze, Feuerwehr, Polizei, Ordnungsamt, Presse- und Informationsamt und weiteren Beteiligten sich treffen und Maßnahmen und Informationen abgleichen. Und auch hier würde ein Bürgertelefon eingerichtet werden, um Informationen aus erster Hand herausgeben zu können. Auch ein Vertreter der Deutschen Bahn AG wäre dabei.
Setzen Sie moderne Drohnen ein?
Wir haben selbst keine Drohne, aber bei uns im Leitstellenverbund - Nürnberg, Fürth und Erlangen sowie der drei Landkreise - hat die Stadt Erlangen eine beschafft. Da wir im Großraum eine ständige Kooperation mit den Feuerwehren haben, würden wir sie von der Feuerwehr Erlangen anfordern, wenn wir sie bräuchten, zusammen mit dem ausgebildeten Personal.
Was hat sich in ihrem Metier nach dem 11. September 2001 geändert?
Es hat sich nach meiner Meinung der Blick auf den gesamten Katastrophenschutz geändert. Nach der Entspannungsphase nach dem Ende des kalten Kriegs wurde plötzlich die Bedrohungslage eine andere. Man hat gesehen, dass Einzeltäter oder Einzeltätergruppen Auswirkungen auf den Katastrophenschutz haben können, die man vorher nicht geplant hat.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.