Geistig Behinderte dürfen an der Europawahl teilnehmen

Geistig Behinderte, die bisher nicht wählen durften, können auf Antrag an der kommenden Europawahl teilnehmen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hat kürzlich eine entsprechende Eil-Anordnung erlassen.
von Christian Rath · 24. April 2019
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Bis Anfang des Jahres waren Menschen, für die in allen Angelegenheiten ein rechtlicher Betreuer bestellt ist, bei fast allen Wahlen ausgeschlossen. Für Bundestagswahlen erklärte das Bundesverfassungsgericht dies jedoch Anfang des Jahres für verfassungswidrig. Die rund 81 000 Betroffenen würden "ohne hinreichenden sachlichen Grund" von der Wahl ausgeschlossen. Denn die Art der Betreuung sei kein sinnvolles Kriterium für einen Wahlrechtsausschluss. In der Folge musste der Bundestag entscheiden, ob er bessere Kriterienfindet, um Personen mit stark beschränkten geistigen Fähigkeiten von der Wahl auszuschließen oder ob er auf Wahl-Ausschlüsse künftig verzichtet. Mitte März votierte der Bundestag mit großer Mehrheit dafür, ein "inklusives Wahlrecht" für alle zu schaffen.
 

Diskussion: Zu wenig Zeit für die Kommunen?

Für die kommende Europawahl am 26. Mai sollte das inklusive Wahlrecht allerdings noch nicht gelten. CDU/CSU und SPD wollten das neue Wahlrecht erst einmal gründlich diskutieren. Einen Antrag von Grünen, Linken und FDP, die Wahlrechtsausschlüsse im Europawahlgesetz einfach zu streichen, lehnte die Mehrheit ab. Doch die Abgeordneten der drei Oppositionsfraktionen stellten einen Eilantrag an das Bundesverfassungsgericht. "Es besteht kein Grund, ein offensichtlich verfassungswidriges Recht aufrechtzuhalten" sagte Britta Haßelmann, die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) warnte das Gericht: Der Antrag der Abgeordneten überfordere die Kommunen. "Es fehlt schlicht die Zeit", so Mayer. Bundeswahlleiter Georg Thiel sah die Lage nicht ganz so dramatisch: Die Wahlteilnahme der bisher ausgeschlossenen 81.000 Vollbetreuten sei zwar „sehr schwierig, aber nicht objektiv unmöglich“.

BVerfG-Präsident Voßkuhle sucht Kompromiss

BVerfG-Präsident Andreas Voßkuhle schlug in der Verhandlung vor, dass nur diejenigen Vollbetreuten wählen dürfen, „die sich von sich aus melden“. Sein Richter-Kollege Peter Huber ergänzte: „Wenn nur ein Teilins Wählerverzeichnis eingetragen werden will, dann hat die Verwaltung
doch deutlich weniger Arbeit“. Bundeswahlleiter Thiel reagierte jedoch sehr skeptisch auf den Vorschlag. Bei einem Antragsverfahren sei der Aufwand eventuell noch viel höher, weil die Betroffenen Beratung bräuchten. Der FDP-Abgeordnete Jens Beeck warnte, die Betroffenen könnten es als neue Diskriminierung empfinden, wenn sie ihr Wahlrecht erst beantragen müssen.
 
Doch die Verfassungsrichter ließen sich vom Verlauf der Diskussion nicht beeindrucken. Am Ende der Sitzung verkündeten sie - noch ohne Begründung - das Antragsmodell.
Autor*in
Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent für verschiedene Tageszeitungen, den vorwärts und die DEMO.

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